Kurdistan
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Berlin, 09. Mai 2001 Dokumentation: Europa ist der Kern des Problems! Ö.P.: Was können sie über die Rolle Europas hinsichtlich einer demokratischen Lösung der kurdischen Frage sagen? Wie wirkt sich diese auf die weitere Entwicklung der Türkei und des Mittleren Ostens aus? Duran Kalkan: Um diese Frage beantworten zu können, ist eine genaue Definition des europäischen Verhältnisses zur kurdischen Frage, zum Demokratisierungsproblem der Türkei und zum Mittleren Osten notwendig. Das gegenwärtige System des Mittleren Ostens hat nicht die Sowjetunion sondern Europa geschaffen. Die Beziehung Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens zur Region sind wesentlich enger als die der ehemahligen Sowjetunion. Das Führungssystem von Hafiz Esad oder Sadam sind ein europäisches Produkt wie auch das gesamte System im Mittleren Ostens, dass immer wieder Quelle von neuen Problemen ist. Die kurdische Frage stellt eines der wichtigsten Probleme der Region dar. Die Verleugnungs- und Vernichtungspolitik gegenüber den Kurden entstand mit den in Europa geschlossen Abkommen. Was mit Laussane geschaffen wurde hält bis heute an. Deshalb liegt es auf der Hand, dass auch die Lösung der kurdischen Frage im Zusammenhang mit dem europäischen System steht. Es besteht die Tendenz, die kurdische Frage nur als eine Frage der Kurden und der Türkei bzw der Region zu sehen. Wir sind der Meinung, dass die Sichtweise dieserTendenz sehr begrenzt ist. Die kurdische Frage ist ein internationale Frage. Ismail Besikci (türkischer Soziologe, der mehr als die Hälfte seines Lebens im Gefängnis verbracht hat, weil er sich mit der kurdischen Frage beschäftigt hat) definierte dies als "internationales Kolonialsystem". Das Zentrum dieser Kollonialisierung war Europa. Auf dieser Grundlage fasste unser Vorsitzender den Entschluss zu seiner Reise nach Europa. Er sah in Europa den Ausgangspunkt für die Suche nach einer demokratischen Lösung der kurdischen Frage. Das war kein Zufall. So wie für die Führung des bewaffneten Kampfes der Bezug auf den Mittleren Osten notwendig war, so musste man sich auf Europa beziehen, wenn eine demokratische Lösung der kurdischen Frage angestrebt wird. Es war deshalb notwendig, da Europa die Quelle für die Probleme darstellt und daher auch das Zentrum einer Lösung darstellt. Europa hatte verstanden worum es geht. Nach längeren Beratungen wurde unser Vorsitzende geschlossen abgelehnt. So wurden die Bemühungen unseres Vorsitzenden als Versuch gewertet, dass von Europa geschaffene System zu ändern. Dies bot die Grundlage für das internationale Komplott, in dessen Verlauf unser Vorsitzende in die Hände der Türkei geriet. Ö.P.: Während ihre Partei ihre Entschlossenheit für eine legale, friedliche und demokratische Phase zum Ausdruck bringt und dies in der Praxis zu entwickeln versucht, hat England die PKK auf der Liste der Terrororganisationen gesetzt. Wie bewerten sie das? Duran Kalkan: Schon als unser Vorsitzende am 1. September 1998 erklärte: "Ich verändere die Kampfstrategie" erkannten die europäischen Staaten klar, insbesondere England, welche Auswirkungen das auf Europa haben wird. Aus diesem Grund liessen sie in den vergangenen drei Jahren nichts unversucht, die Liquidierung des Vorsitzenden und der Partei doch noch zu erreichen. England hat hierbei eine Führungsrolle übernommen. England entwickelte die Strategie des Komplotts und definierte die dafür notwendige Politik. Dennoch musste es einsehen, dass sie unserern Vorsitzenden nicht eliminieren konnten, sondern er weiterhin unsere Partei anführt. Weiterhin steht unser Partei aufrecht und konnte ihren Einfluss auf die kurdische Bevölkerung ausweiten. Deshalb versucht England, noch bevor unser Volk in Europa diese Entwicklung verstanden und eine entsprechende Mobilisierung entwickelt hat, unsere Partei zu verbieten. Das ist nichts anderes als ein Teil des internationalen Komplottes. Es hat erkannt, dass sein in den Anfängen der 20er Jahre entwickelte System offen gemacht wird. Es würde bedeuten, dass der Charakter dieses Systems; wie dieses System die Verleugnung entwickelt und die Vernichtung aufgezwungen hat, wie es im Namen der Demokratie ein Genozidsystem entstehen ließ, welches nach dem Genozid an Armeniern den Genozid an Kurden entwickelte; entlarvt werden würde. All dies würde aufgedeckt und der Kampf gegen dieses System entwickelt werden, an dessen Ende England zur Rechenschaft gezogen würde. Um das zu verhindern erklärt es: "Die PKK ist terroristisch, ich verbiete sie". Auf diese Weise versucht es sich seiner Verantwortung zu entziehen. Das ist nichts anderes als die Fortführung der Politik des Komplotts, des Völkermords, der Verleugnung und der Vernichtung. Es ist alles andere als eine demokratische Haltung. Wenn nach Terrorismus, Gewalt und Unterdrückung gesucht wird, so muß es in dieser Entscheidung gesucht werden. Die Entscheidung Englands ist selbst terroristisch. Warum sollte die Forderung der PKK und des kurdischen Volkes nach nationalen und demokratischen Rechten terroristisch sein? Ö.P.: In Europa lebt eine nicht zu unterschätzende organisierte kurdische Bevölkerung. Welche Rolle fällt diesem Potential zu, bei der Entwicklung der Friedensphase und bei der Abwehr der Angriffe auf ihre Partei bzw. die kurdische Bevölkerung? Duran Kalkan: Der Kampf bedarf einer noch breiteren Massenorganisierung. Wir bewerten den Volksaufstand in Amed (Diyarbakir, Anm.d.Ü.) als Beweis, dass das kurdische Volk den Kampf der neuen Phase aufgenommen hat. Es ist notwendig, dass auch die KurdInnen in Europa diesen Kampf aufnehmen. So wie Amed und Isanbul Gebiete dieses Kampfes darstellen, so ist das mit Berlin, Paris, London, Köln und Bonn nicht anders. Daher bedarf es eines Verständnisses, welches die Bevölkerung in den Kampf zieht, sie daran teilhaben lässt und - weg vom Niveau der reinen Unterstützung - zum eigentlichen Träger des Kampfes macht. Das alte ist Vergangenheit. Wir passen die Wertmaßstäbe des Patriotismus an die neue Phase an (...) Ö.P.: Vor allem in Europa und in den türkischen Metropolen ist eine kurdische Kapitalanhäufung vorhanden. Gibt es Initiativen, die diese Anhäufung zu organisieren versuchen? Was kann damit erreicht werden und wie bewerten Sie solche Bestrebungen? Duran Kalkan: Wir sehen die ökonomischen Tätigkeit als einen wichtigen Bereich des demokratischen Wandels und der Entwicklung einer demokratischen Lösung. Warum? Weil wir eine Lösung suchen. Dies nur im politischen Rahmen zu sehen ist unserer strategischen Auffassung nach unzureichend. Daher messen wir dieser Arbeit einen großen Wert bei. So haben wir zu Bemühungen in diese Richtung aufgerufen. Einige Kreise, die über Kapital und Unternehmen verfügen, haben in diese Richtung Schritte unternommen. In Europa fand diesbezüglich eine Konferenz statt. Dies muss jedoch noch weiter entwickelt, ähnliche Schritte auch in der Türkei und Nordkurdistan unternommen werden. Möglichkeiten hierfür sind reichlich vorhanden. Das sollte nicht nur als eine rein ökonomische Tätigkeit betrachtet werden. Es muss auch in kulturelle und Propagandatätigkeiten investiert werden. Laßt uns z.B. kurdische Kommunikationsmittel entwickeln und ausweiten. Dies ist gegenwärtig aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht möglich. Lasst uns Bildungsinstitute schaffen. Für all diese Projekte benötigt man Kapital. In diesem Rahmen ist es angebracht, dass eine ökonomische Organisierung entwickelt wird. Gemeinsame Investitionen und Kapitalvermehrung sollten vorgenommen werden. In allen Teilen Kurdistans sind solche ökonomischen Investistionen und Entwicklungen notwendig. Dies wird direkt zur Entwicklung einer Demokratie und nationalen Ökonomie in Kurdistan beitragen. |