amnesty international
Urgent Action
UA 92/01 ai-Index:
EUR 44/022/2001 10. April 2001 - md
SORGE UM SICHERHEIT
/ MORDDROHUNGEN
Türkei:
Frau Eren Keskin, 41-jährige Rechtsanwältin und Menschenrechtsveteidigerin
Osman Baydemir, 30-jähriger Anwalt und Menschenrechtsverteidiger
Zwei
führende Mitglieder des "Türkischen Menschenrechtsvereins"
(Insan Haklari Dernegi - IHD) haben wiederholt Morddrohungen erhalten,
sodass amnesty international in großer Sorge um ihr Leben ist.
Eren Keskin, der ehemaligen Vizepräsidentin des IHD und jetzigen
Leiterin des Istanbuler Büros der regierungs-unabhängigen
Menschenrechtsorganisation, haben Unbekannte am Telefon damit gedroht,
sie zu vergewaltigen und zu ermorden. Die Mitbegründerin eines
Rechtshilfeprojekts für im Gewahrsam vergewaltigte und anderweitig
sexuell missbrauchte Frauen hat zudem am 9. April 2001 erfahren, dass
ein in Konya festgenommener Mann den Vorsatz gestanden hat, sie zu
ermorden.
Anfang Februar 2001 hatte Eren Keskin an der Reise einer Delegation
nach Silopi in die Provinz Sirnak im Südosten der Türkei
teilgenommen, um das "Verschwindenlassen" zweier Mitglieder
der legalen kurdischen Partei HADEP (siehe UA 26/01 vom 30. Januar,
26. Februar und 29. März 2001) zu untersuchen. Im Anschluss an
diese Reise soll der Gouverneur von Sirnak im türkischen Fernsehen
erklärt haben: "Diese Frau vom IHD kam hierher und hat nur
Staub aufgewirbelt". Danach nahm die Anzahl der bei Eren Keskin
auf ihrem Mobiltelefon, in ihrer Anwaltskanzlei und ihrem IHD-Büro
eingehenden Morddrohungen merklich zu. Als sie Ende März dieses
Jahres nach einer zweiten Reise zwecks weiterer Recherchen in Silopi
zur Arbeit kam, stand im Treppenhaus auf jedem der drei Stockwerke
auf dem Weg zu ihrer Kanzlei jeweils ein Mann. Die Männer sagten
kein Wort, musterten sie aber in provokativ bedrohlicher Weise.
Ein Mann, der sich als "Sami Demirkiran" ausgibt, ruft die
Rechtsanwältin Berichten zufolge regelmäßig an, manchmal
zwei bis drei Mal am Tag. Er gibt jedes Mal an, für die türkische
Regierung zu arbeiten und sich dringend unter vier Augen mit ihr treffen
zu müssen. Eren Keskin hat die Stimme des Mannes als die jener
Person identifiziert, die den früheren IHD-Präsidenten Akin
Birdal am Telefon mit dem Tode bedroht hatte, als sie gerade bei ihm
war und so das Gespräch mithören konnte. Akin Birdal war
im Mai 1998 in der IHD-Zentrale von mehreren Schüssen getroffen
worden und überlebte den Mordanschlag nur um Haaresbreite.
Eren Keskin war 1995 wegen ihres Menschenrechtsengagements vor Gericht
gestellt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, sodass
amnesty international sie betreut und sich für ihre Freilassung
eingesetzt hatte. Seit Jahren erhält sie regelmäßig
Morddrohungen, die an Intensität zunahmen, nachdem sie Abdullah
Öcalan, den Führer der bewaffneten Oppositionsgruppe "Arbeiterpartei
Kurdistans" (PKK), 1999 vor Gericht vertreten hatte.
Osman Baydemir, der derzeitige IHD-Vizepräsident und Leiter des
IHD-Büros in Diyarbakir, ist Berichten zufolge beschattet worden
und hat ebenfalls telefonische Morddrohungen erhalten. Im November
2000 sollen Polizisten in Zivil im IHD-Büro in Diyarbakir erschienen
sein und zu ihm gesagt haben: "Unsere Geduld mit dir geht zu
Ende. Es gibt viele Menschen, zu denen wir sagen können tötet',
und dann werden sie das ausführen".
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Der IHD ist mit etwa 19.000 Mitgliedern die größte und
angesehenste Menschenrechtsorganisation der Türkei. Seit 1991
sind mindestens zehn ihrer Mitarbeiter getötet worden. Die Täter
sind in der Mehrzahl der Fälle nie ermittelt worden, obwohl es
deutliche Hinweise für die Beteiligung von Angehörigen der
türkischen Sicherheitskräfte an einigen dieser Morde gibt.
Die türkischen Behörden haben wiederholt versucht, den IHD
mit der verbotenen PKK in Verbindung und so in Misskredit zu bringen.
Mehrere seiner lokalen Büros sind unter verschiedenen Vorwänden
geschlossen und zahlreiche führende IHD-Mitarbeiter vor Gericht
gestellt worden. Allein gegen Eren Keskin sind gegenwärtig mehrere
Strafverfahren anhängig; unter anderem wegen Beleidigung der
Armee, weil sie in einem Interview der Wochenzeitschrift "Cuma"
Kritik am "Militarismus der Türkei" geäußert
hatte.
EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe oder Luftpostbriefe,
in denen Sie
APPELLE
AN:
Herrn Saadettin Tantan, Içisleri Bakanligi, 06644 Ankara, REPUBLIK
TÜRKEI
(Innenminister - korrekte Anrede: Dear Minister)
Telefax: (00 90) 312-418 1795
KOPIEN AN:
Herrn Rüstü Kazim Yücelen, Büro des Ministerpräsidenten,
Basbakanlik, 06573 Ankara
REPUBLIK TÜRKEI (Staatsminister für Menschenrechtsfragen)
Telefax: (00 90) 312-417 0476
Kanzlei der Botschaft der Republik Türkei, Rungestr. 9, 10179
Berlin
(S. E. Herrn Osman Taney Korutürk)
Telefax: 030-275 90 915
E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben
Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent
Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir
Sie, nach dem 22. Mai 2001 keine Appelle mehr zu verschicken.
RECOMMENDED ACTION: Please send faxes or airmail letters in German,
English or your own language:
- urging the Turkish authorities to ensure the safety of Eren Keskin
and Osman Baydemir, and to investigate the death threats against them;
- asking that human rights defenders are allowed to pursue their lawful
role of monitoring and reporting on human rights matters as set out
in the United Nations (UN) Human Rights Defenders Resolution;
- calling on the authorities to take effective action to ensure that
the security forces and other public servants recognize the legitimacy
of the work of human rights defenders;
- urging that the charges in the trials of the human rights defenders
be dropped;
- asking that the branches of the Human Rights Association [IHD] that
have been closed are allowed to reopen.