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Urgent Action
UA
272/01-1 ai-Index: EUR 44/083/2001 15. November 2001 - bs
Weitere Informationen zu UA 272/01 (EUR 44/076/2001, 25. Oktober 2001)
SORGE UM SICHERHEIT
Türkei:
Saban Dayanan, 33-jähriger Menschenrechtler sowie Frau Eren Keskin,
41-jährige Leiterin des Istanbuler Büros des Türkischen
Menschenrechtsvereins IHD, und weitere IHD-Mitarbeiter in Istanbul
Am
15. November 2001 drang ein bewaffneter Mann in das Büro des Türkischen
Menschen-rechts-vereins (IHD) in Istanbul ein und drohte, die dortigen
Mitarbeiter zu erschießen. Saban Dayanan und drei weiteren Anwesenden
gelang es jedoch, den Mann zu entwaffnen. Nach vorliegenden Informa-tionen
hatte derselbe Mann am Vortag zwei Büros der legalen pro-kurdischen
Partei HADEP über-fallen und war unbehelligt entkommen, obwohl
Polizisten vor dem Gebäude standen.
Am 15. November 2001 um 14:30 Uhr betrat ein Mann namens Zeki Genç
das IHD-Büro. Er war mit einer Pistole und einem großen Messer
bewaffnet und hatte ein Paket bei sich, in dem seinen Anga-ben zufolge
eine Bombe war. Er schoss in die Luft, zwang alle Anwesenden, sich auf
den Boden zu legen und drohte: "Ich werde euch alle töten.
Ich bin nicht alleine - ich habe Freunde."
Eine Gruppe von IHD-Mitarbeitern, darunter auch die Leiterin der Istanbuler
IHD-Zweigstelle, Eren Keskin, verbarrikadierten sich in einem der Büroräume.
Zeki Genç drohte damit, das Feuer auf sie zu eröffnen. Saban
Dayanan und drei weiteren Anwesenden gelang es jedoch, ihn zu Boden
zu werfen und zu entwaffnen. Dabei fügte der Täter Saban Dayanan
eine schwere Schnittverletzung an der Hand zu. Zeki Genç wurde
dann der Polizei übergeben und zusammen mit Saban Dayanan ins Kran-kenhaus
gebracht. Dort soll er Saban Dayanan mit den Worten gedroht haben. "Beim
nächsten Mal töte ich dich." Bombenentschärfungsexperten,
die das Paket von Zeki Genç untersuchten, bestä-tig-ten,
dass es sich nicht um eine Bombe handelte.
Nach vorliegenden Informationen hatte Zeki Genç bereits am 14.
November 2001 zwei HADEP-Büros überfallen. Er betrat um 14:15
Uhr das HADEP-Büro im Instanbuler Stadtteil Sisli, gab seinen Namen
an und erklärte, er handle im "Namen des Staates" und
wolle den Tod seines Bruders rächen, der von Mitgliedern der Arbeiterpartei
Kurdistans (PKK) in Diyarbakir getötet worden sei. Dann schoss
Zeki Genç dem 19-jährigen Ömer Kalayci ins Bein.
Rund zehn Minuten später erschien er in der nahe gelegenen Istanbuler
HADEP-Zentrale, wo er Cemal Kilikli zweimal ins Bein stach und ein Paket
ablegte, bei dem es sich seinen Angaben zufolge um eine Bombe handelte.
Dann soll er zu den anwesenden Vertreterinnen der HADEP-Frauenorgani-sation,
die gerade in dem Büro eine Versammlung abhielten, gesagt haben:
"Wenn ihr Männer wärt, würde ich euch alle töten.
Ihr habt meinen Bruder in Diyarbakir umgebracht. Ich heiße Zeki
Genç - ich arbeite im Namen des Staates und bin gekommen, um
meinen Bruder zu rächen. Ich habe die beiden HADEP-Mitglieder in
Silopi getötet [wahrscheinlich bezog er sich auf Serdar Tanis und
Ebubekir Deniz, die seit ihrer Festnahme durch Gendarmen im Januar 2001
"verschwunden" sind (s. UA 26/01)]. Ich werde zurückkommen,
um euch alle zu töten. Wenn ihr euch bewegt, wird die Bombe explodieren,
die ich dort hingestellt habe." Nach dem Überfall konnte Zeki
Genç ungehindert aus dem Gebäude fliehen, obwohl vor den
HADEP-Büros ständig Polizisten postiert sind.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Seit 1991 sind mindestens zehn IHD-Vertreter getötet worden. Die
Täter sind in der Mehrzahl der Fälle nie ermittelt worden,
obwohl es deutliche Hinweise für die Beteiligung von Angehörigen
der türkischen Sicherheitskräfte an einigen dieser Morde gibt.
Im Mai 1998 wurde der damalige IHD-Vorsitzende Akin Birdal an helllichten
Tage in der IHD-Zentrale in Ankara durch mehrere Schüsse lebensgefährlich
verletzt. Die türkischen Behörden haben wiederholt versucht,
den IHD mit verbote-nen Organisationen in Verbindung und so in Miss-kredit
zu bringen. Mehrer lokale IHD-Büros sind unter verschiedenen Vorwänden
geschlossen worden, davon sind drei noch nicht wieder geöffnet
worden. Zahlreiche IHD-Mitarbeiter sind wegen ihres Menschenrechts-engagements
vor Gericht gestellt worden, oder es laufen Ermittlungen gegen sie.
EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte weitere Telefaxe oder Luftpostbriefe,
in denen Sie
· die türkischen Behörden auffordern, sicherzustellen,
dass Eren Keskin, Saban Dayanan und die weiteren IHD-Mitarbeiter geschützt
werden;
· fordern, dass eine umfassende Untersuchung des Überfalls
auf das IHD-Büro eingeleitet wird;
· darauf dringen, dass alle Menschenrechtler in der Türkei
ihren legitimen Aktivitäten gemäß ihrer Rolle als Beobachter
und Berichterstatter nachgehen können, wie sie in der Erklärung
der Vereinten Nationen zum Schutz von Menschen-rechtsverteidigern definiert
ist;
· die Behörden auffordern, dafür Sorge zu tragen, dass
die Sicherheitskräfte und alle übrigen ein öffentliches
Amt bekleidenden Personen die Rechtmäßigkeit der Arbeit von
Menschenrechts-verteidigern anerkennen;
· die Erlaubnis zur Öffnung aller von den Behörden
geschlossenen lokalen IHD-Büros fordern.
APPELLE AN:
Herrn Rüstü Kazim Yücelen, Icisleri Bakanligi, 06644
Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Innenminister)
Telefax: (00 90) 312 418 1795
Herrn Prof. Hikmet Sami Türk, Adalet Bakani, Adalet Bakanligi,
06659 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Justizminister)
Telefax: (00 90) 312-418 5667; (00 90) 312-417 3954
KOPIEN AN:
Herrn Nejat Arseven, Büro des Ministerpräsidenten, Basbakanlik,
06573 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Minister und Beauftragter für
Menschenrechtsfragen)
Telefax: (00 90) 312 417 0476
Kanzlei der Botschaft der Republik Türkei, Rungestr. 9, 10179 Berlin
(S. E. Herrn Osman Taney Korutürk)
Telefax: 030-275 90 915
E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie
in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions
schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach
dem 27. Dezember 2001 keine Appelle mehr zu verschicken.
FURTHER RECOMMENDED ACTION: Please send telegrams/telexes/faxes/express/
airmail letters in English or in your own language:
- urging the Turkish authorities to ensure that Eren Keskin, Saban Dayanan
and other IHD staff are protected, and to fully investigate this attack
on the IHD;
- asking them to ensure that human rights defenders are allowed to pursue
their lawful role of monitoring and reporting on human rights matters
as set out in the UN Human Rights Defenders Resolution;
- calling on the authorities to take effective action to ensure that
the security forces and other public servants are aware that the work
of human rights defenders is legitimate;
- asking that the branches of the IHD that have been closed are allowed
to reopen.