FRAUENRECHTSBÜRO GEGEN SEXUELLE FOLTER e.V.

Cinsel Iskenceye Karsi Kadin Hukuk Bürosu

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Berlin, 29.10.01


Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wenden uns an Sie, weil wir um die Sicherheit von Frau Sultan Öner und ihrer Kinder fürchten, die seit der schweren Folterung von Frau Öner durch Polizisten im November 1997 wiederholt bedroht und überfallen worden sind.

Frau S. Öner wurde am 5.11.1997 in ihrem Haus in Diyarbakir festgenommen und zunächst drei Tage auf dem Polizeipräsidium in Diyarbakir, anschließend 5 Tage auf dem Polizeipräsidium Izmir in Polizeihaft festgehalten. Wegen des Vorwurfs der angeblichen Unterstützung einer illegalen Vereinigung wurde gegen sie ein Haftbefehl erlassen und später ein Strafverfahren eröffnet.
Nachdem sie von Einheiten der Anti-Terror-Abteilung des Polizeipräsidiums Diyarbakir aus ihrem Haus verschleppt worden war, wurde sie auf dem Polizeipräsidium schwer gefoltert.

Anfang 1999 wandte sich Frau S. Öner an das Istanbuler Projekt "Rechtliche Hilfe für Frauen, die von staatlichen Sicherheitskräften vergewaltigt oder auf andere Weise sexuell mißhandelt werden". Von hier wurde auf ihren Wunsch Anzeige gegen die Polizei erstattet.
Von dem Generalgouverneur wurde jedoch die Zustimmung zur Strafverfolgung der Täter nicht erteilt. Das gegen diese Entscheidung gerichtete Widerspruchsverfahren dauert derzeit noch an.

Seitdem sind Frau Öner und ihre Kinder mehrfach von Polizisten, die teilweise in ihr Haus eingebrochen waren, geschlagen und bedroht worden. Hintergrund all dieser Vorfälle ist es, Frau Öner dazu zu bewegen, ihre Anzeige zurückzunehmen.

Der letzte Vorfall ereignete sich nun am 22. Oktober 2001. Tagsüber bemächtigten sich zivilgekleidete Männer der 15 -Jährigen Tochter von Frau Öner und verschleppten sie.
Frau Öner, die sich in großer Angst auf der Polizeiwache nach ihrer Tochter erkundigte, wurde ebenfalls festgehalten und beide wurden geschlagen und bedroht. Um diesem Vorgehen einen rechtsstaatlichen Anschein zu geben, behaupteten sowohl die in Zivil auftretenden Männer wie auch die Beamten auf der Polizeiwache, Grund für die Festnahme sei eine gegen die Tochter gerichtete Anzeige . Frau Öner und ihre Tochter wurden bis zum nächsten Morgen um 5.oo Uhr festgehalten.

Bereits zwei Tage vor diesem Vorfall waren Frau Öner und ihr Sohn bedroht worden. Wieder waren Männer in Zivil zu ihr nach Hause gekommen und hatten gedroht, daß sie gut auf sich aufpassen solle.

Zuvor waren der 17-jährige Sohn Firat und der 12-jährige Sohn Cigerxun unter den verschiedensten Vorwänden festgenommen und schwer geschlagen worden. Über diese Fälle sind der Menschenrechtsverein IHD in Izmir, die Türkische Menschenrechtsstiftung und die Anwaltskammer unterrichtet worden.

In den vergangenen Jahren haben das Frauenrechtsprojekt in Istanbul wie auch amnesty international in der Türkei zahlreiche Fälle von Vergewaltigungen und sexuellen Mißhandlungen, die von Angehörigen der Sicherheitskräfte begangen wurden, dokumentiert. Ein Ziel des Rechtshilfeprojekts ist es, die Täter strafrechtlich zu verfolgen. Rund 160 Frauen haben sich bislang um Hilfe durch dieses Projekt bemüht. Die mutmaßlichen Täter sind in den meisten Fällen Polizisten, andere sind Gendarmen, Soldaten und Dorfschützer . Die Täter werden nur in Ausnahmefällen ermittelt und vor Gericht gestellt. Nach Einschätzung von amnesty international herrscht generell Straffreiheit für Folterer in der Türkei.

Die so mißhandelten Frauen jedoch werden, insbesondere wenn sie Anzeige erstattet haben, vielfach erneut bedroht, geschlagen, verhaftet um sie einzuschüchtern und zur Zurücknahme der Anzeige zu zwingen.

Dieses Vorgehen der staatlichen Kräfte muß unbedingt unterbunden und gegen die Täter vorgegangen werden, um den Frauen einen annähernden Schutz zu bieten.

Bitte setzen Sie sich für den Schutz der Frauen und insbesondere von Frau Sultan Öner und ihrer Kinder bei den folgenden Stellen ein:

Innenminister der Türkei
Herr Rüstü Kazim Yücelen
Icisleri bakanligi
06644 Ankara, Türkei
Fax:: 0090 312 418 17 95

Minister und Beauftragter für Menschenrechtsfragen
Herrn Nejat Arseven
(Büro des Ministerpräsidenten)
Basbakanlik
06573 Ankara/Türkei
Fax.: 0090 312 417 0476

Hochachtungsvoll

B. Wessel
(für das FrauenRechtsBüro)

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

leider haben wir in unserem Aufruf für Sultan Öner nicht über die letzten Entwicklungen berichtet; wir bitten um Entschuldigung und holen dies jetzt nach:

Nach Auskunft der Anwältinnen des Projekts "Rechtliche Hilfe für Frauen, die von staatlichen Sicherheitskräften vergewaltigt oder auf andere Weise sexuell mißhandelt wurden" in Istanbul wurde die Wohnung von Sultan Öner in Izmir am 13.11.2001 gegen 12 Uhr erneut durch Polizeikräfte aufgesucht und S.Ö. sowie zwei Söhne ihrer Schwester geschlagen und verprügelt.

Nach mehrfachen Aufforderungen, auf der Wache auszusagen, ging S.Ö. am 20. November gemeinsam mit ihrer Schwester, deren beiden Söhnen, die bei der Razzia am 13.11. verprügelt worden waren, und zwei Schwagern zur Polizeiwache. S.Ö. wurde dort festgehalten und wiederholt brutal geschlagen und bedroht, ihre Anzeige zurückzuziehen. Erst am Nachmittag des folgenden Tages, nachdem auch ihr Anwalt zur Wache gekommen war, wurde sie zur Gerichtsmedizin gebracht, wo sie ein Attest über ihre Verletzungen erhielt, und freigelassen.

Am 28. November wird es eine Pressekonferenz über die Vorfälle geben.

Die Betroffene ist nervlich schwer mitgenommen und braucht dringend Beistand und das Wissen, daß sie nicht alleine gelassen wird.

Acht Polizeibeamte stehen seit Januar 2001 wegen Folter - allerdings allgemein, nicht wegen sexueller Folter - an S.Ö. in Diyarbakir vor Gericht, das Verfahren dauert noch an.

mit freundlichen Grüßen

Inge v. Alvensleben

 


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