SICHERHEIT UND RASTERFAHNDUNG - STUDIERENDE FORDERN UNTERRICHT IN KURDISCHEs sind jetzt mehr als zwei Monate nach dem Anschlag vom 11. September in den USA vergangen. Dieser Anschlag, der das Leben tausender Menschen forderte, muss zweifellos aufs Schärfste verurteilt werden. Doch wollen wir uns auch an dieser Stelle folgende Frage stellen: War es wirklich ein Angriff auf die hochgepriesene "Freiheit" oder die "zivilisierte Welt", wie es von westlichen Regierungsstellen sofort dargelegt wurde? Oder handelt es sich nicht vielmehr um eine Folge des auf der Welt vorherrschenden politischen Systems? Und sind die sofort in vielen Staaten vorgenommenen "Sicherheitsmaßnahmen" die richtige Antwort auf diese Entwicklung? Auch das verstärktere Vorgehen gewisser Staaten wie Russland, Türkei, Indien usw. gegen ihre "eigenen Terroristen" - hier handelt sich um Bevölkerungen, die ihre Freiheit fordern - ist zu verurteilen und sollte nicht, wie es momentan der Fall ist, durch westliche Staaten und ihre Medien verschwiegen werden. Es muss anstatt mehr Sicherheitsmaßnahmen eine Veränderung der vorherrschenden ungerechten Politik des Westens gegenüber den Rest der Welt eintreten. Es darf nicht vergessen werden, dass sich die These einer sicheren Welt nur dann verwirklichen lässt, wenn in der Welt die Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als Ganzes verwirklicht werden. Daher: "Eine Welt, in der das Leben aller tatsächlich und nicht nur auf dem Papier respektiert wird". Auch in der BRD haben wir diese Entwicklung. Unmittelbar nach dem Anschlag hat sich die Politik in Deutschland auf die Innenpolitik konzentriert und Gesetzesveränderungen wie auf dem Fließband verabschiedet, die ganz klar auf Kosten der demokratischen Rechte und Freiheiten gehen. Vorschläge wie Abschiebung von ImmigrantInnen und AsylbewerberInnen bei Verdacht einer angeblichen "Terrorismus-unterstützung" haben mit demokratischem Rechtsverständnis nichts mehr gemein. Wir stellen uns als Studierende vor allem gegen die sogenannte "Rasterfahndung", wonach über Männer aus islamisch geprägten Staaten nur wegen ihrer Herkunft Daten angesammelt und 'ausgewertet' werden. Damit sollen "Schläfer" - was diese immer auch ausmachen soll - ausfindig gemacht werden. Denn bei ihnen könnte es sich wegen ihren technischen und anderen Fähigkeiten um besonders 'Gefährliche' halten. Tatsache ist, dass dieses Vorgehen in einer rassistischer Weise sie alle unter einem Generalverdacht stellt und das Verhältnis zu den anderen KommilitonInnen verschlechtert wird. Die Erfahrung der 70er Jahre müßte uns doch zeigen, dass die Rasterfahndung keinen Erfolg hat und nur Menschen in dieser Gesellschaft als potentielle Täter abgestempelt werden. Auch unsere KommilitonInnen in der Türkei und Kurdistan sind nach dem 11. September das Ziel vermehrter staatlicher Übergriffe. Proteste und Stellungnahmen gegen den Krieg in Kurdistan und Afghanistan werden sofort unterdrückt. Die landesweit am 3. November durchgeführten Proteste gegen den YÖK (Hoher Bildungsrat) - ein reaktionäres Instrument des Staates, um die Hochschulen mit ihren Studierenden und Lehrkräften besser unter Kontrolle zu halten - wurden zum Anlass eines Feldzuges gegen oppositionelle Studierende. Seit knapp einem Monat finden an den Hochschulen in Diyarbakir, Van, Istanbul, Ankara usw. regelmäßig Verhaftungen durch die Polizei statt. Von der Polizei und den Hochschulleitungen geduldete faschistische Gruppen haben kurdische und linke Studierende tätlich angegriffen und viele verletzt. Neben den Forderungen nach einer autonomen und demokratischen Hochschule und weniger Studiengebühren wird seit zwei Wochen auch der muttersprachliche Unterricht und Bildung in Kurdisch mit spektaulären Aktionen gefordert. Unter dem Motto "Unsere Muttersprache ist unsere Existenzgrundlage" und "Die Grenzen unserer Sprache sind die Grenzen der Welt" haben die kurdischen Studierenden von Istanbul aus die Kampagne begonnen. Ihre zentrale Forderung lautet, dass auch Kurdisch an den Universitäten angeboten wird. Generell wird in der Türkei immer mehr die Forderung nach Anerkennung der kurdischen Sprache und nach Freiheit der Bildung in Kurdisch gestellt. Es wäre ein wichtiger demokratischer Schritt für das Land und seine Menschen.
22.11.2001 |