Dialog-Kreis: "Krieg in der Türkei -
Die Zeit ist reif für eine politische Lösung
"
Geschäftsstelle: Postfach 90 02 65, D-51112 Köln,
Tel: 02203-126 76, Fax: 02203-126 77, e-mail: dialogkreis@t-online.de
Koordination: Andreas Buro, Am Sonnenberg 42, 61279 Grävenwiesbach,
Tel:06086-30 87, Fax:06086-243

29. November 2001

Eine Erklärung des Dialog-Kreises:

IRA wird bejubelt, die PKK verdammt - oder wie mit zweierlei Maß gemessen wird

Freude und Erleichterung wird von allen Seiten über den Schritt der IRA, ihre Waffen zu vernichten, ausgedrückt. US-Präsident Bush spricht von einem "historischen Schritt". Der englische Premier Tony Blair würdigte "den Mut und die Kühnheit" der Republikaner-Führer, die "diesen Augenblick von grundlegender Bedeutung" ermöglicht hätten und die irische Staatspräsidentin sprach von einem "Schlüsselereignis" für den Friedensprozess. Das alles sind sehr berechtigte, kluge Worte, die eine friedliche, politische Lösung des Nordirland-Konflikts ermutigen und weiter voran bringen können.
Wie anders verhalten sich die politischen Akteure in einem anderen Fall. Im türkisch-kurdischen Konflikt, der in unterschiedlichen Formen seit der Ära Kemal Atatürks schwelt und immer wieder aufflammt, hat die kurdische Guerilla PKK 1999 einseitig den Krieg beendet und erklärt, sie wolle auf militärische Gewalt verzichten und mit politischen und demokratischen Mitteln für eine friedliche politische Lösung des Konflikts in den Grenzen der Türkei eintreten. Ihre Guerilla hat sie, da die Türkei nicht bereit war, für diese eine Amnestie-Regelung zu erlassen, wie die EU sie gegenwärtig in Mazedonien anstrebt, aus dem Lande abgezogen. Sie hat als symbolischen Akt eine Friedensgruppe aus 'den Bergen' geschickt, die ihre Waffen ablegte, und eine andere aus EU-Europa, die eine politische Friedensbotschaft überbringen wollte. Ankara hat beide Gruppen sofort verhaften lassen und ihre Mitglieder vor Gericht gestellt. Sie wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und sitzen noch immer in türkischen Gefängnissen. Von den westlichen Regierungen kam bisher keine mit dem Bemühen um den Frieden in Nordirland vergleichbare Unterstützung.
Im Gegenteil! Als Belohnung für die Friedensbereitschaft der PKK lässt der deutsche Innenminister ihre Mitglieder besonders streng als Angehörige einer angeblich noch immer terroristischen Organisation verfolgen und hält hartnäckig an dem seit 1993 bestehenden PKK-Verbot fest, infolge dessen nach wie vor kurdische Institutionen, Vereine, Redaktionsräume und Verlagshäuser sowie Wohnungen politisch engagierter KurdInnen von der deutschen Polizei durchsucht werden.
Der über Irland jubelnde Tony Blair und die USA haben die PKK auf die Liste der terroristischen Organisationen setzen lassen.
Zur gleichen Zeit klammert die Türkei bei ihren Verfassungsänderungen im Rahmen der EU-Beitrittspartnerschaft die Kurdenfrage wiederum aus, während die EU in ihrem jüngsten Fortschrittsbericht zur Türkei das Kurdenproblem überhaupt nicht thematisiert.
In der Türkei werden von türkischen 'Sicherheitskräften' nach wie vor kurdisch besiedelte Dörfer zerstört, die Menschen vertrieben, Mitglieder der legal gewählten kurdischen HADEP-Partei ermordet und der Ausnahmezustand immer wieder verlängert. Ankara fordert jetzt sogar mit dem Terrorismus-Argument die Auslieferung von vermeintlichen PKK-Mitgliedern, die sich im Ausland aufhalten.
Für viele Menschen in der Friedens- und Menschenrechtsarbeit ist die Bewusstseinsspaltung der westlichen, einschließlich der deutschen Politik unfassbar. Sie beteuert ständig, den Frieden fördern zu wollen, während sie gleichzeitig die Möglichkeiten hierzu im türkisch-kurdischen Konflikt wissentlich missachtet, ja sogar durch ihre Haltung den Konflikt fördert. Zynischerweise wird gleichzeitig die Türkei, der das EU-Parlament Folter und Menschenrechtsverletzungen vorwirft, als Hoffnungsträger für den Frieden in Afghanistan gefeiert. Sie soll dorthin Spezialtruppen schicken, weil sie ja breite Erfahrungen mit der Bekämpfung des Terrorismus im Südosten und Osten habe, sprich mit der Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung im eigenen Land.
Wer von Menschenrechten und Frieden, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung spricht, darf nicht mit zweierlei Maß messen. Deswegen ist es dringend notwendig, das PKK-Verbot mit all seinen negativen Folgen endlich aufzuheben und zu beginnen, eine friedensfördernde Politik auch im türkisch-kurdischen Konflikt zu verfolgen.
V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Andreas Buro, Grävenwiesbach