Deutsche
Botschaft in Wien
Auswärtiges
Amt Berlin
Betrifft: Missachtung von Grundrechten der TeilnehmerInnen der
Kampagne "Sprachen kennen keine Grenzen"
In der Türkei werden nach wie vor die Grundrechte mit Füßen
getreten, insbesondere die des kurdischen Volkes.
Seid langem versucht das kurdische Volk die Demokratisierungsprozesse
in der Türkei voranzutreiben und mitzugestalten. Teil dieser Bemühungen
ist auch die vor 2 ½ Monaten begonnene Kampagne "Die Grenzen
unserer Sprachen, sind die Grenzen unserer Welt". Diese beinhaltet
vor allem die Forderung auf das Recht auf Muttersprachlichen Unterricht
aber auch Meinungs- und Pressefreiheit in der kurdischen Sprache und die
Abschaffung der Todesstrafe.
Um
diesen Forderungen eine erweiterte Basis und Unterstützung zu verschaffen
hat KON-KURD (Konföderation kurdischer Vereine in Europa) einen Buskonvoi
organisiert der am 16. März in Brüssel mit einer Pressekonferenz
vor dem Europäischen Parlament begann und am 21. März an der
bulga-risch-türkischen Grenze, in Kapikule, mit einer Kundgebung
und einer kollektiven Antragstellung enden sollte. Des weiteren sollte
eine Informationsmappe an die türkischen Regierungsvertreter übergeben
werden. 250 Menschen mit kurdischer, türkischer und deutscher Nationalität
(aus Deut-schland, Niederlande, Belgien, Frankreich, England, Schweden,
Dänemark der Schweiz) beteiligen sich an dieser Aktion. Geplant war,
in den Hauptstädten von Österreich, Ungarn und Rumänien
und Bulgarien, Kundgebungen und Pressekonferenzen durchzuführen.
Ab
der österreichisch-ungarischen Grenze waren wir ständigen Schikanen
und Repressionen ausgesetzt, die darauf abzielten unseren demokratischen
Protest zu unterbinden. Demokratische Grundrechte, wie die Meinungs- und
Bewegungsfreiheit, wurden für die TeilnehmerInnen des Buskonvois
faktisch außer Kraft gesetzt.
So
wurden an der Grenze Österreich/Ungarn ca. 100 Leute - nach rassistischen
Kriterien (Herkunft/ Aufenthaltsstatus) - selektiert und ihnen die Durchreise
verweigert. An der Grenze Ungarn/Rumänien wurde ein Bus - wahrscheinlich
aus taktischen Gründen - vorgezogen und mit Polizeibegleitung (im
Bus 2 Polizisten und ein Auto vorweg) ins Landesinnere Rumäniens
gebracht und dort festgesetzt. Ein weiterer Bus wurde ca. 18 Stunden unmittelbar
an der rumänischen Passkontrolle festgehalten. Der Bus wurde von
Grenzbeamten umstellt und den TeilnehmerInnen wurde es verboten den Bus
zu verlassen und direkten Kontakt zu den anderen Bussen aufzunehmen.
Die weiteren vier Busse wurden im sogenannten "Niemandsland"
zwischen Ungarn und Rumänien festgesetzt. Insgesamt vergingen über
24 Stunden des Wartens ohne eine Entscheidung, ob die Durchreise genehmigt
werden würde.
Nach langen Verhandlungen zwischen den Veranstaltern und den Grenzbehörden
wurde sowohl die Durchreise als auch eine Live Übertragung des Sattelitenfernsehens
Medya TV verweigert. Aufgrund dessen entschieden sich die TeilnehmerInnen
in einen Hungerstreik zu treten um ihren Protest gegen diese antidemokratischen
Maßnahmen auszudrücken. Zeitgleich traten auch die FreundInnen
in dem Bus der sich bereits in Rumänien befand und der die ganze
Zeit über von der Polizei umzingelt war, in einen Hungerstreik.
Die Situation drohte zu eskalieren, als die Polizei in Rumänien die
FreundInnen mit Gewalt in den Bus reindrängte und mit Vollgas durch
die rumänische Grenze Richtung Ungarn brauste. Um diese Maßnahme
durchzusetzen befand sich Polizei im Bus und innerhalb des Grenzbereiches
wurden Sichtsperren (Konvoi von LKWs ) errichtet. Alle TeilnehmerInnen
wurden von bewaffneter Polizei umstellt. Es ist ganz offensichtlich, das
mit dieser Provokation die Situation eskaliert werden sollte. Das es nicht
zu einer Eskalation kam, ist nur den TeilnehmerInnen des Buskonvois zu
verdanken die sich schließlich in die Busse zurückzogen und
nach Ungarn abgeschoben wurden.
Trotz der besonnen Haltung der TeilnehmerInnen wurden sie spät in
der Nacht in Ungarn von der Polizei bedrängt, Ungarn umgehend zu
verlassen. Jedoch war dieses nicht möglich, schon alleine deswegen
nicht, weil die Busfahrer eine längere gesetzlich vorgeschriebene
Ruhepause einlegen mussten.
Um unseren Protest gegenüber dem Verhalten Rumäniens zum Ausdruck
zu bringen, wurde für den 20. März eine Protestkundgebung vor
dem rumänischen Konsulat in Ungarn angemeldet und genehmigt. Diese
Genehmigung wurde so kurzfristig wieder zurückgezogen, das es keine
Möglichkeit mehr gab, die TeilnehmerInnen rechtzeitig zu informieren.
Dadurch entstand vor dem Konsulat eine Situation die zu eskalieren drohte,
da die Polizei die sich dort versammelnde Menschenmenge mit Gewalt zurückdrängen
wollte.
Abschließend stellen sich uns folgende Fragen:
1.
Von welcher Bedeutung sind die diplomatischen Beziehungen zwischen der
Türkei und, Rumänien und Bulgarien?
2. Ist es ein Zufall, das der Innenminister der Türkei, Rüstü
Kazim Yücelen, sich zu dem Zeitpunkt in Rumänien/Bukarest befindet,
als der Konvoi die rumänische Grenze erreicht?
3. Warum haben sich die deutschen Botschaften trotz mehrfacher Aufforderungen
, für nicht zuständig erklärt obwohl eine faktische Fürsorgepflicht
gegenüber den deutschen Staatsbürgern besteht? Während
die Deutsche Botschaft in Bulgarien den Telefonhörer auflegte bzw.
auf ihre Nachtruhe verwies hielt es zu mindest die Deutsche Botschaft
in Rumänien für angebracht sich einige Male per Telefon nach
unserer Situation zu erkundigen.
Für
die Bundesrepublik scheinen die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei
insbesondere gegenüber dem kurdischen Volk nach wie vor kein Thema
zu sein, denn es könnten ja die "guten Beziehungen" zur
Türkei gestört werden. Gute Beziehungen heißt für
die deutsche Politik:
- zum einem Waffenlieferung in die Türkei, die dort vor allem gegen
die kurdische Bevölkerung eingesetzt werden
- zum anderen die Abschiebungen von politisch Verfolgten in die Türkei,
wo ihnen in der Regel Folter und Tod drohen
- den Export der F-Typ Isolationsgefängnisse in die Türkei
- die Nicht Aufhebung des PKK Verbotes und damit das politische Betätigungsverbot
für KurdInnen in der BRD
Und
als letztes haben sich diese guten Beziehungen auch in dem Verhalten (bzw.
Nichtverhalten) der Bundesregierung einschließlich ihrer Botschaften
gegenüber dem Buskonvoi niedergeschlagen. Die Bundesregierung hat
sich zum wiederholten Male auf die Seite derer gestellt die den Friedenskampf
der KurdInnen verhindern und sabotieren wollen
Trotz
allem haben wir unser Ziel erreicht und die Anträge und das Informationsdossier
an der türkischen Grenze zu überreichen.
Wien,
21. März 2002
Die TeilnehmerInnen des Buskonvois
"Sprachen kennen keine Grenzen"
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