AZADI RECHTSHILFEFONDS
            für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.

Pressemitteilung

 

24. April 2002

Bericht des Auswärtigen Amtes zur Lage in der Türkei: Rückwärtsgewandt in die Zukunft

Vor drei Jahren hat die PKK ihren bewaffneten Kampf eingestellt und sich vom Territorium der Türkei zurückgezogen. Sie vollzog eine grundlegende Umstrukturierung und entwickelte ein umfangreiches Projekt zur Demokratisierung der Türkei mit dem Ziel, eine friedliche Lösung des Kurdistan-Konflikts zu erreichen. Trotz vielfältiger Provokationen setzte die PKK seither ihren auf Gewalt verzichtenden Kurs konsequent um. Bereits Mitte Februar hatte sie weitere Entwicklungen in Richtung einer Umwandlung der Organisation angekündigt. Am 4. April hat die PKK auf ihrem 8. Parteikongress die Einstellung jeglicher Aktivitäten unter diesem Namen und eine Neustrukturierung der Partei beschlossen. Künftig wird der "Kongress für Freiheit und Demokratie in Kurdistan" (KADEK) als politische Bewegung alle Organisationen unterstützen, die die kurdische Frage innerhalb der Grenzen "in allen Teilen Kurdistans" demokratisch lösen wollen.

Die Beamten des Außenministeriums scheinen vor diesen grundlegenden strukturellen Veränderungen die Augen verschlossen zu haben. Denn ihre Einschätzung der PKK ist anachronistisch und ignoriert vollkommen die politischen Entwicklungen der letzten Jahre. So wird in diesem Bericht u. a. behauptet, die PKK sei "maoistisch orientiert" und "wegen ihrer stalinistischen inneren Führungsstruktur und ihrer nach außen und innen terroristischen Methodik rückwärtsgewandt und ungeeignet, politisch-kulturellen Anliegen der türkischen Kurden ausreichend inneren Zusammenhalt und vor allem die unerlässliche Legitimität zu geben". Zwar wird erwähnt, dass "sich die PKK um ein neues Profil" bemühe, doch stützt der Bericht tendenziell die Position des türkischen Staates, der "die PKK allerdings weiterhin als separatistisch terroristische Organisation" ansehe und "jede Verhandlung mit ihr" ablehne. Statt die seit Jahren andauernden Angriffe des türkischen Staates gegen die Aktivist(inn)en der HADEP zu verurteilten, wird vom Auswärtigen Amt behauptet, dass "die HADEP tatsächlich ihr Verhältnis zur PKK bisher nicht eindeutig hat klären können. "

An üble Nachrede grenzt die Aussage, dass es "außerdem erwiesen (sei), dass sich die PKK u.a. durch organisierte Kriminalität im großen Maßstab finanziert (Drogenhandel, Schleppergeschäft, Schutzgelderpressung"). Einen Beweis für diese kühne Behauptung bleibt der Bericht schuldig. Da die Lageberichte des Auswärtigen Amtes häufig als Orientierungshilfe für Entscheidungen deutscher Gerichte in Asyl- und Strafverfahren dienen, soll durch eine solche Behauptung offenbar die seit Jahren festgefügte Sicht auf die PKK in der Urteilsfindung deutscher Richter/innen manifestiert werden.

AZADI kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Bundesregierung nicht willens und fähig ist, die umwälzenden Veränderungen der PKK zu würdigen. Diese Entwicklung vollzog sich schließlich nicht spontan, sondern ist mit der Erklärung der Organisation zur Einstellung des bewaffneten Kampfes vor drei Jahren eingeleitet worden. Insofern hätten auch die Beamten des Auswärtigen Amtes diesen Transformationsprozess wahrnehmen können.

Es scheint, als habe sich die Bundesregierung für die Unterstützung des politischen Härtekurses der Türkei entschieden, die dadurch ermuntert wird, ihre Forderungen zur Aufnahme der PKK in die EU-Liste der terroristischen Organisationen fortzusetzen.

AZADI ist der Auffassung, dass die Zeit überreif ist für eine Anerkennung der umfassenden und einseitigen Vorleistungen, die die PKK in den letzten Jahren erbracht hat. Die Verfolgung politischer Aktivitäten der kurdischen Bewegung und die Verhaftungen kurdischer Politiker müssen ein Ende haben. AZADI fordert deshalb eine Einstellung aller politischen Verfahren und die Freilassung von Kurdinnen und Kurden, die sich wegen ihrer politischen Betätigung in bundesdeutschen Gefängnissen befinden.


 
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