Kurdistan
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Presseerklärung |
Berlin,
01. August 2002
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Die Entwicklungen sind kein Resultat des Erfolges der jetzigen Regierung sondern des Misserfolgs Eine Bewertung des Präsidialrat der Kurdistan Freiheit und Demokratie Kongress (KADEK) über die politischen Entwicklungen in der Türkei
Zweifellos ist die politische Restrukturierung wichtig. Sie ist eigentlich ein Anzeichen für die Veränderungsphase in der Türkei; denn um in Bereichen der Wirtschaft, im sozialen und kulturellen Bereich sowie in der Verwaltung eine Veränderung zu erreichen und die Restrukturierung zu vollziehen, ist es notwendig, dass sich in erster Linie die politischen Einrichtungen erneuern und verändern. Dies wiederum setzt neue Ideen und eine Erneuerung im Denken voraus. Fand in der Türkei eine Veränderung auf der gedanklichen Ebene statt? Beruhen die politischen Entwicklungen auf einer Veränderung im Denken? Man kann ohne weiteres sagen: Die Türkei hat in den letzten drei Jahren ihre größte Diskussionsphase durchlebt. Dies war vielleicht die mutigste, tiefgründigste und umfassendste Erneuerung von Gedanken und Diskussionen. Es war eine Phase, in der die Tabus etwas durchbrochen wurden, wenn auch nicht vollständig. Themen, die für die Türkei beängstigend waren, wurden zur Diskussion gestellt. Daher kann gesagt werden, dass sich wichtige Veränderungen auf dieser Grundlage im Denken und in der Anschauung entwickelt haben. Auch wenn dies noch keine ideologische Form angenommen hat und die Gedankenströmungen, die im Entstehen sind, sich nicht klar herausgebildet haben, so haben diese Diskussionen doch zu einer gewissen Bewusstseinsveränderung, vor allem in der Gesellschaft, geführt. Diese Veränderung hat sich auch auf die politischen Institutionen und die politische Führung ausgewirkt. Die Türkei ist gegenwärtig mit einer umfassenden ideologischen und geistigen Diskussion Schauplatz eines innenpolitischen Kampfes. Kurzum: Die Entwicklungen in den politischen Institutionen beruhen nicht auf einem Zufall und sind nicht plötzlich aufgetreten, sondern sie haben ein Fundament; es sind Entwicklungen, die für die Türkei eine neue Zukunft festlegen werden. Wie also ist eine solche Entwicklung entstanden? Wie konnte eine Regierung, die bei jeder Gelegenheit ihre Entschlossenheit zur Sprache brachte, bis zum Jahre 2004 im Amt zu bleiben, in die gegenwärtige Situation geraten? Um diese Fragen beantworten zu können, lassen Sie uns diese gemeinsam im Zusammenhang mit dem politischen Kampf und den Entwicklungen in der vergangen Zeit behandeln. Denn die entstandene politische Situation steht in Bezug zu uns, zur Innenpolitik der Türkei, zur Region und zu den politischen Entwicklungen auf der ganzen Welt. Wir können sagen, dass die jüngste Entwicklung den Abschluss einer Zwischenphase darstellt, die sich mit dem internationalen Komplott entwickelt hatte. Wenn wir es aus dieser Perspektive heraus betrachten, so ist die Rolle unserer Bewegung und ihrer Auswirkung auf die Türkei bei der Entstehung einer solchen politischen Entwicklung klar erkennbar. Es ist angebracht, diese Entwicklung als das Resultat unseres 8. Kongresses zu verstehen. Denn die apoistische Bewegung hat ihre Veränderungs- und Umwandlungsphase, die mit dem Komplott auf die Tagesordnung kam, auf ihrem 8. Kongress abgeschlossen. Sie hat die theoretische Bewertung, das politische Programm, ihre strategische und taktische Annäherung und mit der Praxis die Phase der Erneuerung, Veränderung, Bildung und Vorbereitung abgeschlossen und ist nun in die Phase des aktiven Kampfes und der praktischen Arbeit übergegangen. Wir
wissen, dass die erste Reaktion der internationalen Reaktionäre auf
eine solche Entwicklung die Aufnahme der PKK auf die EU-Liste der terroristischen
Organisationen war. Es war eine klarer Schritt gegen unseren Kongress
und seine Ergebnisse. Die internationale Reaktion wollte mit dieser Aufnahme
eine neue Phase gegen unsere Bewegung und das Niveau, das unsere Revolution
auf ihrem 8. Kongress erlangt hat, einleiten. Dies führte zu einem
ernsten Kampf. Die Volksmassen, demokratischen Kräfte, unsere organisatorische
Kraft und unsere Freunde haben dagegen sowohl im Land als auch im Ausland
einen aktiven politischen Kampf geführt. Damit ist eine neue Kampfphase
zwischen dem internationalen Komplott und unserer nationalen demokratischen
Bewegung eingeleitet worden. Diese ist nicht nur auf Nordkurdistan und
die Türkei beschränkt, auch nicht nur auf die vier Teile Kurdistans,
sondern schließt, entsprechend des überregionalen Charakters
unserer Strategie, die gesamte Welt ein. Daher muss die Veränderung
bei den politischen Institutionen der Türkei im Zusammenhang eines
solchen Kampfes analysiert werden. Die Antwort der EU und der USA auf
unseren Kongress und sein Einfluss auf sie führte zu einer "Terroristischen
Liste". Die
Annäherung einiger Kreise, vor allem der nationalistisch-chauvinistischen
und der Bandenkreise, die Entwicklungen ausschließlich als Resultat
äußeren Drucks darzustellen, entspricht nicht der Realität.
Natürlich spielen auch die äußeren Entwicklungen eine
wichtige Rolle bei diesem Ergebnis, aber es ist nicht der erste Faktor.
Die Hauptfaktoren ist das Entwicklungsniveau unserer Bewegung, das sie
mit dem 8. Kongress erlangt hat und unsere Bemühungen, die Ergebnisse
des Kongresses in die Praxis umzusetzen, ihre Auswirkungen auf die Atmosphäre
in der Türkei und ihre Stärke. Wie wirksam diese Kraft bei der
Veränderung der Türkei ist, zeigt sich bei der Auflösung
der Ecevit-Regierung, trotz starken Widerstandes. Das Niveau unserer Bewegung
hat dies erreicht, indem sie die kurdische Bevölkerung beeinflusst
und in Bewegung gesetzt hat, indem sie die Türkei zur Demokratisierung
gezwungen, diese gelenkt und gefördert hat. Die Statistik weist auf,
dass 85% der türkischen Bevölkerung eine demokratische Veränderung
wollen. Die apoistische Bewegung, in der Vergangenheit als PKK, heute
als KADEK bekannt, hat in allen demokratischen Entwicklungen der Türkei
eine führende Funktion und einen Anteil. Die Entwicklung dieser Regierung, dieses Parlaments und der gegenwärtigen Parteien entstand in der Atmosphäre des internationalen Komplottes. Daher repräsentieren sie keine gewöhnliche Phase, sondern die Realität des internationalen Komplottes. Diese politischen Institutionen, diese Regierung, dieses Parlament sind mit dem Komplott verwoben und mussten ihre Aufgaben innerhalb dieses Rahmens, der ihnen durch das Komplott auferlegt wurde, mit Erfolg füllen. Wäre es ihnen gelungen und das Komplott wäre erfolgreich gewesen, wäre diese Regierung nicht so zerbröckelt, die Parteien hätten sich nicht aufgelöst und das Parlament wäre nicht auseinandergefallen. Die Entwicklungen heute sind ein Beweis dafür, dass diese politische Institution ihre Aufgaben nicht erfüllt hat, nicht erfolgreich war. Diese Entwicklungen sind kein Resultat des Erfolgs, sondern des Misserfolgs. Diese
Rolle ist bewusst Ecevit auferlegt worden. Die Komplottkräfte kamen
zu dem Ergebnis, dass nur Ecevit in der Lage sein würde, im Rahmen
der zivilen Politik in der Türkei eine nationale Einheit von Rechts
und Links zu entwickeln. Dies trat auch ein. Nach den Wahlen am 18. April
1999 wurde ohne große Diskussionen erklärt, dass eine Koalitionsregierung
unter DSP, MHP und ANAP gebildet wird und dies wurde auch umgesetzt .
Es war die allgemeine Haltung, daß es diese Koalition sein sollte
- ohne, dass Gespräche und Bemühungen um eine andere Koalition
geführt wurden. Daher ist diese Haltung nicht die Folge der Wahlergebnisse,
sondern schon während der Wahlphase wurde dies der Bevölkerung
vermittelt. Daher waren alle für eine solche Regierungsbildung. Die vorgezogenen Wahlen am 18. April waren schon neun Monate zuvor festgelegt worden. Das entspricht keinem natürlichen Vorgang. Mit der Entwicklung des internationalen Komplotts wurde die Aufgabe des Regierens Ecevit übertragen - obwohl seine Partei eine Minderheit darstellte. Der 15. Februar 1999 (der Tag an dem der PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan in die Türkei verschleppt wurde, Anm. d. Ü.) fiel in eine Zeit, in der ein Beschluss für vorgezogene Wahlen schon gefallen war und in der Ecevit in einer Minderheitsregierung an der Führung war. Die politischen Trümpfe des 15. Februar wurden somit der DSP und Ecevit in die Hand gespielt. Die Wahlen am 18. April wurden unter dem Einfluss des 15. Februar durchgeführt. Es waren Wahlen, die im Zusammenhang zum Komplott standen und die Wahlergebnisse wiesen auch dementsprechend die Eigenschaften des Komplottes auf. Die DSP hat den Bonus, während des 15. Februar an der Regierung gewesen zu sein, in konkrete Wahlstimmen verwandelt, und die MHP hat die nationalistische Atmosphäre der Gewalt, die unmittelbar nach dem Komplott entstand, in Wahlstimmen verwandelt. Das Parlament und die Regierung, die sich auf diese beiden Parteien stützen, wurden ausschließlich auf dieser Grundlage gebildet. Die Aufgabe, die dieser Regierung auferlegt wurde, war die Liquidierung der PKK. Somit wurde Ecevit, dem es nicht gelang, die Entwicklung der PKK 1978 zu verhindern, 1999 erneut die Aufgabe durch alle reaktionären Kräfte übertragen, die PKK zu vernichten. Ecevit hat angenommen. Hierbei
gab es Zwiespältigkeit. Einige Kreise wollten Profit daraus schlagen,
eine Phase der Vernichtung und der militärischen Auseinandersetzung
zu entwickeln, andere wiederum wollten Profit aus der Atmosphäre
schlagen, die sich nach der Vernichtung der PKK ergeben würde. Die
Rolle Ecevits hierbei war es, die Phase der militärischen Auseinandersetzung
zu verhindern und die PKK zu vernichten, indem sie in eine auseinandersetzungsfreie
Atmosphäre gezogen wird. Dies wird klar in seiner Haltung gegenüber
der MHP. Der Hauptgrund hierfür kann in der Regierungsstruktur Ecevits
gesehen werden, da er 1998 in einer Minderheitsregierung an die Macht
gebracht wurde. Er ist an die Macht gebracht worden, um den Bestrebungen
chauvinischtisch-nationalistischer und rassistischer Kräfte und der
Banden, welche eine Atmosphäre der Vernichtung und der bewaffneten
Auseinandersetzung verbreiten, vorzubeugen, sie zu bremsen und zu kontrollieren.
Die internationale Reaktion hatte nach dem Komplott eigentlich die Auflösung der PKK innerhalb von sechs Monaten zum Ziel. Als dies nicht eintraf, hat die gegenwärtige Regierung die Phase unseres 7. Kongresses zur Phase der Auflösung erklärt. Hier hat die Regierung ihre Rolle gespielt. Ihre wichtigste Aufgabe war der Beschluss vom 11. Januar 2000, in dem die Vollstreckung der Todesstrafe gegen unseren Vorsitzenden aufgehoben wurde und folglich die Akte solange nicht dem Parlament vorgelegt wird, bis der Europäische Menschenrechtsgerichtshof den Einspruch behandelt und ein Urteil gefällt hat. Die Regierung hat die Kraft aufbringen können, einen solchen Beschluss zu fassen. Mit diesem Beschluss wurde die Kontrolle über die politischen Institutionen der Türkei hergestellt. Dieser Beschluss war zweifellos die Verhinderung der bewaffneten Auseinandersetzung. Wenn ein solcher Beschluss nicht getroffen worden wäre, wären die Entwicklungen nicht zu stoppen gewesen und man hätte eine Situation geschaffen, die die heutigen Auseinandersetzung zwischen Palästina und Israel hundertfach übertroffen hätte. Mit diesem Beschluss wurde eine solche Entwicklung unterbunden. Eigentlich hat die Regierung mit diesem Beschluss ihre Aufgabe abgeschlossen. Wie
kam die Regierung dazu, einen solchen Beschluss zu fassen, welches Ziel
steckte dahinter? Hatte sie tatsächlich einen Demokratisierungsplan,
verfolgte sie ein Projekt der demokratischen Veränderung und Umwandlung?
Nein, ein solches Ziel verfolgte sie nicht. Sie wollte die bewaffneten
Auseinandersetzungen beenden, die PKK vernichten und somit auch die demokratische
Veränderungs- und Wandlungsrealität in der Türkei zerstören.
Die einheitliche Beschlussfassung der Koalitionsparteien und der Kräfte,
die hinter ihnen standen, hing mit diesem Ziel und den Zusicherungen in
dieser Richtung zusammen. Dass Ecevit seine gesamte Aufgabe nicht erfolgreich erfüllen wird, wurde eigentlich nach diesem Krieg klar. Somit war die Rolle dieser Regierung vollendet. Die Regierung hätte eigentlich schon damals zurücktreten müssen. Obwohl schon im Jahre 2000 Diskussionen darüber aufkamen, dass die Regierung ihre Mission vollendet habe und nun sich zurückziehen solle, um ihren Platz einer neuen Regierung zu überlassen, und obwohl wir öffentlich bekannt gegeben haben, dass eine neue politische Phase begonnen hat und im Rahmen der Angriffe des internationalen Komplottes die PKK nicht mit ideologischen, organisatorischen und militärischen Mitteln zu vernichten ist, hat die Regierung sich nicht auf die vergangenen Erfolge und gewonnene Kraft beziehend zurückgezogen und keine neue Annäherungen entwickelt. Das Beharren der Ecevit Regierung, nicht zurückzutreten, begann sich im Jahre 2001 zu entwickeln. Somit entstand eine Regierung, die nicht im Einklang mit der Realität der Türkei stand. Die fehlende Harmonie hat sich folgendermaßen gezeigt: Zum einen war die Aufgabe, die PKK zu liquidieren, nicht verwirklicht. Mit dem Beschuss vom 11. Januar ist es der Regierung zwar gelungen, die Atmosphäre der Auseinandersetzungen zu beenden, aber die PKK konnte sie auf der Grundlage dieses Beschlusses auch nicht liquidieren. D.h. es wurde offensichtlich, dass mit den Methoden der Regierung die PKK nicht zu vernichten ist. In diese Situation war es für die Türkei notwendig, sich zu erneuern, zu verändern und zu demokratisieren, d.h ein sich neues Programm anzueignen und eine neue politische Annäherung zu entwickeln. Als zweites fehlte es der Regierung an der Kraft, ein neues Programm zu entwickeln. Daher ist die Mission einer Regierung, die die PKK nicht vernichten konnte und keine Führung bei der demokratische Umwandlung der Türkei übernehmen konnte, vollendet. Das
Beharren der Regierung, trotz dieser Tatsache hat die gegenwärtige
Krise hervorgebracht. Die Wirtschaftskrise im Februar letzten Jahres ist
im Zusammenhang mit dieser Entwicklung entstanden. Verschiedene Kreise
haben erklärt, dass diese Krise keine wirtschaftliche, sondern eine
rein politische sei und von der Regierung geschaffen wurde. Das ist eine
richtige Bewertung. Mit
dieser Haltung hat die Regierung die Türkei zu einer ernsthaften
Erstarrung geführt. Die Regierung war nicht mehr in der Lage, neue
Beschlüsse zu fassen und konnte somit im Rahmen der äußeren
Entwicklungen kein gemeinsames Vorgehen mit seinen Verbündeten entwickeln.
Somit entsprach sie auch nicht mehr den Interessen der Oligarchie und
der äußeren Bindungen. All das führte zur Auflösungsphase
der DSP. Die Kreise, die die Regierung zum Rücktritt gezwungen haben,
hatten gegenüber der starren Haltung der Regierung keinen Erfolg.
Nun versuchen sie, mit den Rücktritten die ganze Regierung zum Rücktritt
zu zwingen - mit Erfolg. Nachdem die Regierung vorgezogene Wahlen nicht
mehr verhindern können, versucht sie wenigstens bis zu den Wahlen
im Amt zu bleiben. Inwieweit sie damit Erfolg haben wird ist ungewiss.
Neben
dem erlangten Niveau unserer Bewegung und seinen Auswirkungen auf die
demokratische Veränderung in der Türkei haben äußere
Entwicklungen eine weitere Rolle bei der Entstehung einer solchen Situation
gespielt. Diese waren die Beziehungen zur EU und zu den USA sowie der
bevorstehende politisch-militärische Krieg in dieser Region. Diese
Regierung hat auch die Kraft für eine harmonische Zusammenarbeit
mit seinen äußeren Bündnispartnern verloren. So musste
z.B. in der Beziehung zur EU ein bestimmter Beschluss getroffen werden.
Das Treffen der EU im Dezember diesen Jahres in Kopenhagen ist hierfür
von großer Bedeutung. Hierfür muß sie umfassende und
tiefgründige demokratische Veränderungen vornehmen, um der Türkei
einen neuen Weg aufzuweisen und ihre Beziehungen zur EU zu verbessern.
Aber die gegenwärtige Regierung ist nicht in der Lage zu solchen
Veränderungen. Sie kann keine mit der EU im Einklang stehende Politik
entwickeln und diese umsetzen. Auch wenn die ANAP dies zu wollen scheint
und die DSP ebenfalls dafür zu sein scheint, so hat MHP eine solche
Politik und eine Mitgliedschaft in die EU abgelehnt. Sie hat die für
die Mitgliedschaft in die EU notwendigen rechtlichen Veränderungen
verhindert. Damit nicht genug, hat Bahceli die EU in Brüssel unter
Kritik genommen. Obwohl sie sich bemühen muß, die EU-Kriterien
anzunehmen, um in die EU aufgenommen zu werden, hat sie beinahe Europa
gezwungen, ihre Maßstäbe anzunehmen. Den 11. September hat
sie auf diese Weise zu nutzen versucht. Das war ein Irrtum, eine falsche
Bewertung. Die Regierung ist davon ausgegangen, mit der Unterstützung
der USA Europa beeinflussen zu können. Deshalb hat sie die von ihr
erwarteten notwendigen Schritte nicht erfüllt und ignoriert. Das
hat die Beziehungen belastet. Die jetzige Regierung ist weit davon entfernt,
die Türkei näher an die EU zu bringen. Das wirkte sich ebenfalls
auf die Entstehung der Krise aus. Der US-Vizepräsident hat den Mittleren Osten bereist, während der Präsident Bush Europa und Russland bereiste. Das Resultat dieser Reisen war, das die Türkei für ihre Politik gewonnen werden konnte. Sie haben begriffen, dass wenn sie wirksam gegenüber dem Irak und im allgemeinen im Mittleren Osten sein wollen und ihre Politik in dieser Region umsetzen wollen, sie auf die Kraft und Unterstützung der Türkei angewiesen sind. Wenn die USA Erfolg bei ihrer militärischen Intervention im Irak haben möchte, ist es von großer Bedeutung, dass sie die Unterstützung der Türkei erhält. Wenn die USA die Unterstützung der Türkei erhält, wäre sie in der Lage, ohne weitere Unterstützung gegen den Irak vorzugehen. Die Lage der Türkei bietet eine solche Möglichkeit. Die gegenwärtige Regierung in der Türkei scheint aber nicht willens zu sein, gegenüber der US Politik dermaßen engagiert und verbunden zu sein. Vor allem Ecevit möchte in einer solchen Politik nicht vollständig engagiert sein. Zwar hat Ministerpräsident Ecevit während seines Staatsbesuchs Ende 2001 den USA eine gewisse Unterstützung zugesagt, ein Abkommen getroffen und erklärt, sie würden nicht mehr den US-Politik entgegenstehen. Aber dennoch hat er der von den USA geforderten militärischen Unterstützung nicht in dem Maße zugestimmt, wie es den USA lieb gewesen wäre. Diese
Probleme kamen auch bei dem jüngsten Besuch der Außen- und
Vizeverteidigungsminister in der Türkei zum Vorschein. Die US-Verteter
erklärten "Wenn ihr Euch von Anfang an amKampf gegen Irak beteiligt,
d.h. gemäß der US-Politik handelt, werdet ihr Platz am Tisch
haben. Wenn nicht, werdet ihr gegenüber den Angriffen Iraks zwangsweise
in den Krieg ziehen. Bei letzterem werdet ihr keinerlei Gewinne erzielen".
Damit wollen die USA die Türkei zum gemeinsamen Handeln zwingen.
Es ist auch eine gewisser Drohung. Die USA möchten die Türkei
im Kampf gegen den Irak als eine aktive und wirksame militärische
Kraft einsetzen. Die USA waren aus diesem Grunde bemüht, die PKK
auf die Liste der "terroristischen Organisationen" der EU aufnehmen
zu lassen, um die Türkei näher an die US-Politik zu bewegen.
Das war zwar ein Schritt, aber es hat nicht ausgereicht, um die Regierung
vollständig auf die eigenen Seite zu ziehen. Wenn auch Ecevit die
USA nicht ablehnt und sie akzeptiert, so ist sie doch unwillig und entlarvt
sogar in gewisse Weise die Annäherung der USA. Sie führt entgegen
den USA Kontakte zum Irak. Es ging soweit, dass Ecevit verhindert hat,
dass der Vizepräsident der USA in der Türkei eine Pressekonferenz
durchführen konnte. Das war aus Sicht der USA zwingend. Was wird nun in der Türkei passieren? Welche Entwicklungen werden voraussichtlich auftreten? Es
waren zwei Faktoren, die zur Auflösung der Regierung geführt
haben. Deshalb wird der Kampf dieser beiden Faktoren die weiteren Entwicklungen
bestimmen. Es ist klar, dass für die Türkei die Übergangszeit,
die Zwischenzeit abgeschlossen ist. D.h., dass die Kraft, die die Entwicklung
in der Türkei verhindert hat, in gewisse Weise am Ende ist. Das ist
das Ende der Regierung und der Koalitionspartner DSP und MHP. Eine Erneuerung
der politischen Institutionen ist daher unumgänglich. Es
gibt zwei Tendenzen, die in der Frage, welchen Weg die Türkei in
Folge dieser Veränderungsphase bestreiten wird, im Kampf gegeneinander
stehen. Der erste Weg, den die USA mit der Unterstützung der Kriegsbefürworter
lenkt und dem auch nationalistisch-chauvinistische Kreise in der Türkei
zustimmen und gleichzeitig ihre Interessen ausdrücken, ist der Weg
der Auseinandersetzung und des Krieges. Diese Kreise sind gegen eine Demokratisierung
und auch gegen eine demokratische Veränderung im Rahmen der EU. Um
eine Demokratisierung zu verhindern, bringen sie Krieg und Auseinandersetzung
auf die Tagesordnung. Diese Kreise hatten mit dieser Vorgehensweise gegenüber
der Phase, die unsere Bewegung eingeleitet hat, einen Erfolg erzielen
können. Nun versuchen sie es, angelehnt an den Krieg, den die USA
begonnen haben und an den bevorstehende Eingriff in den Mittleren Osten,
in der Türkei erneut durchzusetzen. Sie versuchen, die Türkei
wieder in eine Gewaltatmosphäre zu drängen. Tansu Ciller (Vorsitzende
der DYP - Partei des Rechten Weges) hat erklärt, dass sie die Ministerpräsidentin
einer solchen Phase sein möchte. Viele Kräfte innerhalb der
MHP sind ebenfalls dafür. Auch andere Kreise in der Türkei und
außerhalb unterstützen eine solche Entwicklung. Wenn die Türkei
tatsächlich einen solchen Weg bestreiten sollte, würde die Demokratisierung
vollkommen beiseite gelegt werden. Militaristische, chauvinistisch-faschistische
Vorgehensweisen wären vorherrschend. Die Politik des Krieges in der
Region, des Krieges gegen das kurdische Volk und der Gewalt gegen demokratische
Kräfte in der Türkei wären die herrschende Politik. Hat
diese Tendenz eine Chance? Es besteht die Gefahr, dass die kriegstreibende
und national-chauvinistische Tendenz an die Macht gerät. Dies würde
der Beginn eines neuen Krieges und einer Gewaltatmosphäre bedeuten.
Die Resultate wären unberechenbar, sie würde sich nur nach den
Interessen dieser Kräfte und ihrer äußeren Bündnispartner
richten. Die von uns eingeleitete Friedens- und Demokratiephase würde
sabotiert werden, und erneut würden Vernichtung und Gewalt an die
Tagesordnung treten. Auch würde die Lage unseres Vorsitzenden neu
behandelt werden. |