FrauenRechtsBüro gegen sexuelle Folter e.V.
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Berlin, 20.08.02

Verfahren gegen Eren Keskin am 20. September 2002 in Istanbul

Gegen Eren Keskin, Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD und Mitbegründerin des Projekts "Rechtliche Hilfe für Frauen, die durch staatliche Sicherheitskräfte vergewaltigt oder auf andere Weise sexuell mißhandelt wurden" wird am 20. 9. 2002 vor dem Staatssicherheitsgericht in Istanbul (DGM) wegen einer erneuten Anklage verhandelt.

Frau Keskin wird vorgeworfen, "die Bevölkerung öffentlich zu Haß und Feindschaft aufgestachelt zu haben." Damit habe sie sich nach § 312 Abs. 2 des türkischen Strafgesetzbuches strafbar gemacht.

Die Anwältin Eren Keskin war zu einer Veranstaltung zum Internationalen Frauentag am 16.3.2002 in Köln mit dem Titel "Frauenrechte gleich Menschenrechte" eingeladen. Dort sprach sie über die Erfahrungen der Arbeit des Projektes. Dazu gehörte auch über die, an Frauen begangenen Verbrechen staatlicher Täter, als Teil einer undemokratischen und militaristischen Staatspolitik zu sprechen.

Nach ihrem Redebeitrag auf der Veranstaltung starteten mehre Tageszeitungen in der Türkei eine beispiellose Pressehetze gegen Frau Keskin:

· Am 18.03.02 erschien in der Zeitung "Ikinci" ein Kommentar mit den Worten:
(...)"wenn Eren Keskin zurückkommt, wird sie ihre sexuelle Belästigung bekommen"(...)

· Tags darauf verbreitete die Zeitung "Hürriyet" neben einem Photo Keskins die Schlagzeile: "Verleumdung: Soldaten begehen sexuelle Mißhandlungen? - Hierfür gibt es nur eine Bezeichnung, das ist Verrat."
Die Kritik von Eren Keskin sei Vaterlandsverrat und ein Komplott.

· Die Zeitung "Göczü" titelte "die widerlichen Worte der häßlichen Anwältin" und forderte auf, Frau Keskin nicht in die Türkei zurückzulassen. (...) "niemand hat das Recht die türkische Armee und die türkischen Soldaten anzutasten." (...) "Diese Frau soll aus der Türkei verschwinden, soll sie doch in Deutschland bleiben..."

In einer Radiosendung des Senders "D" mit dem Namen "Babel Ali Yokusu" am 18.03.02 erklärte der Journalist Fatih Altayli öffentlich:

"wenn ich jetzt Eren Keskin bei der ersten Gelegenheit, wo ich ihr begegne, nicht sexuell anmache, wäre ich kein Mann...(...) Sie wollte wohl folgendes sagen, diese Eren Keskin, warum macht ihr es mir nicht."

Das Aufheizen der Stimmung in der Türkei durch diese Art der Berichterstattung bereitet den Boden für Angriffe tätlicher Art. Es wäre nicht das erste Mal, daß in der Türkei Angriffe auf MenschenrechtsaktivistInnen stattfinden, nachdem die Medien solche Hetzkampagnen gegen sie eingeleitet haben.

Eren Keskin sieht sich derzeit in der Türkei einer Vielzahl von Verfahren ausgesetzt. Dabei geht es immer um Äußerungen, die sie in Gesprächen, Interviews bei den verschiedensten Gelegenheiten gemacht haben soll und mit denen sie angeblich wahlweise die Türkei diffamiert, den Staat und seine Organe beleidigt oder separatistische Propaganda betreibt.

Die existierenden politischen Bestrebungen in der Türkei das Land möglichst schnell auf einen EU-Beitritt vorzubereiten, verblassen angesichts der gesellschaftlichen und politischen Realität systematischer Menschenrechtsverletzungen und rechtsstaatlicher Brüche. Nach Ansicht vieler Menschenrechtsorganisationen handelt es sich um Scheinzugeständnisse an die EU. (siehe hierzu: Fluchtland Türkei. Hgg: Pro Asyl; Förderverein Niedersächsischer Flüchtlingsrat. Mai 2002)
Die aktuellen Verfahren gegen Eren Keskin und zahlreichen anderen MenschenrechtlerInnen in der Türkei bestätigen diese Einschätzung.

Wir sehen die Verfahren und die Hetzkampagne gegen Eren Keskin als weitere Angriffe gegen die Arbeit von MenschenrechtlerInnen in der Türkei.
Konkret wird versucht, Frau Keskin einzuschüchtern und sie zur Aufgabe ihrer Arbeit und ihres Engagements zu bewegen. Damit soll zugleich der Inhalt ihrer Arbeit, die Öffentlichmachung und Verfolgung staatlicher Täter, diskreditiert und kriminalisiert werden.

Das Berliner FrauenRechtsBüro organisiert eine Delegation zur Beobachtung dieses Prozesses in Istanbul und ruft darüber hinaus alle Menschenrechtsgruppen, Frauenorganisationen und die deutsche Presse dazu auf, den Prozess zu beobachten und ihre Solidarität mit der Angeklagten deutlich zu machen.

Der Prozess beginnt am 20.09.2002 um 9.30 Uhr vor dem Staatssicherheitsgericht (DGM).
Wir schlagen vor, sich entweder eine halbe Stunde vor Prozessbeginn direkt vor dem Gericht zu treffen oder für die, die schon früher da sind um 8.00 Uhr in den Räumen des Menschenrechtsvereins IHD, Katipmustafa Celebi Siraselviler Caddesi Cukurcesme Sokak No. 10/1 im Stadtteil Taksim/Beyoglu.


Zu dem Prozess wird es vor Ort ein begleitendes Rahmenprogramm geben.
Kontakte und Treffen mit VertreterInnen des Menschenrechtsvereins der Türkei IHD und den Behandlungszentren TOHAV und TIHV sind geplant.
Darüber hinaus können bei Interesse auch Kontakte zu weiteren Initiativen und Organisationen vermittelt werden.

Für eine baldige Rückmeldung, im Falle einer Teilnahme an der Delegationsreise wären wir dankbar.

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