FrauenRechtsBüro
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Aufruf zu einer Delegationsreise zur Prozessbeobachtung in Istanbul Wie wohl die meisten von Euch schon wissen findet am 18.10.2001 um 15.00 Uhr vor dem Strafgericht Beyoglu/Istanbul der nächste und damit dritte Prozesstermin gegen die 18 angeklagten Frauen und einen Mann statt, denen vorgeworfen wird, an einem am 10./11. Juni 2000 in Istanbul stattgefundenen Kongress gegen sexuelle Folter als Rednerinnen oder Organisatorinnen teilgenommen zu haben, und die aufgrund dessen wegen "Verunglimpfung des Staates und seiner Organe" nach Art. 158 Abs.1 Türkisches Strafgesetzbuch angeklagt worden sind. Wir haben in unseren letzten Aufrufen zur Beobachtung des Prozesses über die Hintergründe dieses Verfahrens berichtet, das auch im Zusammenhang steht mit zwei weiteren Verfahren, die derzeit in Istanbul verhandelt werden: Zum
einen werden - ebenfalls vor dem Istanbuler Strafgericht in Beyoglu -
die Rechtsanwältin Eren Keskin, Vorsitzende der Istanbuler Sektion
des Menschenrechtsvereins und Mitbegründerin des Istanbuler Projekts
„Rechtliche Hilfe für Frauen, die von staatlichen Sicherheitskräften
vergewaltigt oder auf andere Weise sexuell misshandelt wurden“ sowie
der Chefredakteur der Zeitung Yeni Gündem, Erol Tas wegen "Verunglimpfung
der staatlichen Sicherheitskräfte" gem. Art. 159 Abs.1 Türkisches
Strafgesetzbuch i.V. m. Art. 16 Abs. 1 des Pressegesetzes angeklagt. Zum
anderen müssen sich fünf der erwähnten 18 angeklagten Frauen
vor dem Staatssicherheitsgericht Istanbul verantworten wegen "separatistischer
Propaganda" und "Aufstachelung zu Hass und Feindschaft durch
das Aufzeigen ethnischer, klassenbedingter und regionaler Verschiedenheiten"
gem. Art. 8 Abs. 1 "Anti-Terror-Gesetz " i.V.m. Art. 312 Abs.
2 Türkisches Strafgesetzbuch. Diese Anklage stützt sich ebenfalls
auf den eingangs erwähnten Sachverhalt. Angeklagt ist in diesem Verfahren,
wie auch in dem Verfahren gegen die 18 Frauen und einen Mann, auch die
Rechtsanwältin Fatma Karakas, Mitarbeiterin in dem Istanbuler Frauenrechtshilfeprojekt. Bei diesem Verfahren ist unter anderem ein Umstand zu erwähnen: die Frauen werden zweimal und vor zwei verschiedenen Gerichten angeklagt und jedesmal aufgrund desselben Umstands, d.h. wegen dessen, was sie vermeintlich auf dem erwähnten Kongress im letzten Jahr gesagt haben sollen. Im Ergebnis kann das zu einer Doppelbestrafung wegen derselben Sache führen. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist solch eine Vorgehensweise nicht denkbar und auch nicht zulässig.
Die Verschleppung dieses wie auch der anderen beiden Prozesse lässt unseres Erachtens auf zweierlei schließen. Zum einen scheint das Gericht nicht freisprechen zu wollen. Andererseits scheut es jedoch angesichts der großen Öffentlichkeit derzeit auch eine Verurteilung. Es ist daher wichtig, dass weiterhin viele nach Istanbul fahren und den Prozess beobachten und dass ein Interesse der Öffentlichkeit an diesem Prozess aufrecht erhalten wird. Auch die angeklagten Frauen haben sich dahingehend geäußert, dass es für sie selbst sehr wichtig ist, zu sehen, dass sie mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen nicht alleine dastehen, und dass die Prozessöffentlichkeit für sie einen Schutz darstellt. Aus einem weiteren Grund ist zum derzeitigen Zeitpunkt eine Delegationsreise in die Türkei von besonderer Bedeutung. Kürzlich wurde der neueste Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Situation in der Türkei veröffentlicht. In diesem Bericht wird unter anderem im Hinblick auf die medizinische und psychologische Betreuung und Behandlung gefolterter Menschen in der Türkei in einem einzigen Satz schlichtweg behauptet, dass eine solche möglich und ausreichend gewährleistet sei. Noch im letzten Lagebericht war genau das Gegenteil festgestellt worden. Die angeblich neuen Erkenntnisse bzw. die neue Einschätzung der Behandlungsmöglichkeiten begründet das Auswärtige Amt mit keinem Wort. Die Treffen, die im Zusammenhang mit der Prozessbeobachtung mit verschiedenen Initiativen vor Ort organisiert werden, können und sollten dazu genutzt werden, Informationen und Material zu sammeln, das belegt, dass die Ausführungen des Auswärtigen Amtes in einigen Teilen schlicht falsch sind. In
Absprache mit Frauen, die zum Prozess am 18.10. nach Istanbul fahren werden,
sind folgende Treffen vorgesehen: - im juristischen Bereich: mit Mitarbeiterinnen des Menschenrechtsvereins IHD; des Istanbuler Projekts „Rechtliche Hilfe für durch Sicherheitskräfte vergewaltigte oder auf andere Weise sexuell misshandelte Frauen"; mit Anwältinnen für Menschenrechte bei der Istanbuler Anwaltskammer. Bei dem Treffen mit dem IHD soll auch die versuchte Abschiebung von ca. 400 Menschen aus verschiedenen afrikanischen Ländern aus der Türkei nach Griechenland im Juli dieses Jahres zur Sprache kommen. Bei dieser polizeilichen Operation (wir berichteten) ist es zu Vergewaltigungen und Misshandlungen durch die türkischen Behörden, vor allem aber durch die türkischen Gendarme an der Grenze gekommen. Die Treffen und Gespräche werden an den auf den Prozess folgenden Tagen stattfinden. Am Prozesstag selbst werden wir uns 2 Stunden vor Prozessbeginn, also um 13.00 Uhr, in den Räumen des IHD treffen und dann gemeinsam zum Gericht fahren. Im Anschluss an den Prozess wird es, wiederum beim IHD, eine erste Auswertung des Prozesses geben, bzw. Zeit für Fragen nach dem Prozessverlauf, da im Prozess selbst eine Übersetzung in der Regel nicht möglich ist. Wir bitten alle, die nach Istanbul fahren wollen, ihre An- und Abreisezeiten mitzuteilen, damit die Termine in Istanbul abgesprochen werden können und möglicherweise am Donnerstagvormittag vor Prozessbeginn schon Treffen mit Vertreterinnen des IHD und beim Frauenrechtshilfeprojekt vereinbart werden können. Für
Übersetzungen während aller vorgesehenen Termine wird gesorgt. Kontakt über: FrauenRechtsBüro
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