Düsseldorf,
28. November 2002
Presseerklärung
„Der Mensch wird durch Freiheit zum Menschen“ (Abdullah
Öcalan)
Nein zur Todesstrafe auf Zeit
Seit
dem 15. Februar 1999 befindet sich Herr Abdullah Öcalan in verschärfter
Isolationshaft auf der Gefängnisinsel Imrali. Seit fast vier
Jahren hat er außer unregelmäßigen Besuchen seiner
Anwälte und Familie keinerlei Kontakt zu Menschen und wird ununterbrochen
videoüberwacht. Wie lange kann ein Mensch das durchhalten?
Im
August 2002 wurde die Todesstrafe in der Türkei bedingt abgeschafft.
Stattdessen wird jetzt auf die „modernisierte“ Form der
Todesstrafe gesetzt: die physische und psychische Vernichtung wird
der Zeit überlassen. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, wann
die Kräfte eines Menschen unter den gegebenen Lebensbedingungen
versagen.
Als
ein Mensch hat Abdullah Öcalan das Recht auf Menschenwürde,
auf Unversehrtheit von Körper und Seele. Aber darüber hinaus
steht Abdullah Öcalan für noch mehr: Er ist maßgeblich
verantwortlich für die Einleitung des Friedensprozesses in der
Türkei, ein vorläufiger Frieden, der nach wie vor auf wackligen
Füßen steht. Ohne seinen Einsatz wäre der Krieg nicht
einseitig beendet worden, und ohne ihn wird auch die Aussicht auf
einen dauerhaften Frieden geringer.
Aber
vor allem ist Abdullah Öcalan eine Führungskraft und Symbolfigur
für Kurdinnen und Kurden weltweit, die jeden Angriff auf seine
Person als einen Angriff gegen sich selbst und das kurdische Volk
begreifen. In den Maßnahmen gegen Abdullah Öcalan setzt
der türkische Staat seine Vernichtungspolitik gegen das kurdische
Volk mit neuen Methoden fort und schadet sich damit letztlich selbst.
Als
Kurdisches Frauenbüro für Frieden sind wir voller Sorge
angesichts dieser gefährlichen Entwicklungen. Wir fürchten
um das Leben Abdullah Öcalans und die Entwicklung des Friedensprozesses.
Wir befürchten einen erneuten Ausbruch von Gewalt in bisher unbekannten
Dimensionen, der keinesfalls auf die Türkei und Kurdistan beschränkt
bleiben wird.
Aus
diesen Gründen stellen wir vorläufig folgende Forderungen
bezüglich der Haftbedingungen Abdullah Öcalans:
Zusammenlegung mit anderen politischen Gefangenen
Herr Öcalan muss mit anderen Gefangenen zusammengelegt werden.
Da seine Inhaftierung auf der Insel Imrali mit seiner Sicherheit begründet
wird, müssen Mitgefangene mit seinem Einverständnis auf
die Insel verlegt werden. Die Isolationshaft, der er bisher ausgesetzt
war, verstößt gegen geltendes türkisches Recht, demnach
Isolation lediglich als Disziplinarstrafe verhängt wird.
Zuständigkeit der Justiz, nicht des Militärs
Gefangenrechte betreffende Maßnahmen unterstehen rechtlich der
Staatsanwaltschaft bzw. dem Justizministerium. Es lässt sich
nicht rechtfertigen, im Falle von Herrn Öcalan die Kompetenzen
auf eine nicht klar definierte und außerrechtliche Körperschaft,
den sogenannten Krisenstab, zu verlegen, die keinerlei juristischer
Kontrolle unterworfen ist. Die Verteidiger von Herrn Öcalan haben
wiederholt Anträge auf Lockerung der menschenunwürdigen
und juristisch nicht zu rechtfertigenden Haftbedingungen an das türkische
Justizministerium, die Generaldirektion für Justizvollzugsanstalten
und die zuständige Staatsanwaltschaft in Bursa gestellt. Trotz
positiver Bescheide von der Staatsanwaltschaft hat keine Änderung
stattgefunden.
Regelmäßige
Besuche
Die Tatsache, dass Herr Öcalan auf Imrali inhaftiert ist, wird
immer wieder als Vorwand benutzt, um Besuche der Verteidiger und Verwandten
zu verhindern. Dadurch werden de facto permanente Polizeihaftbedingungen
aufrecht erhalten. Die zuständigen Behörden stehen eindeutig
in der Verpflichtung, regelmäßige Besuche bei Herrn Öcalan
zu ermöglichen und dazu geeignete Transportmittel bereitzustellen.
Den Angehörigen muss das Recht auf Körperkontakt mit Herrn
Öcalan gewährt werden, wie es nach der geltenden Regelung
für politische Gefangene einmal im Monat üblich ist.
Keine
Behinderung der Verteidigung
Bei den Verteidigergesprächen müssen umgehend die rechtlich
abgesicherten Bedingungen der Vertraulichkeit hergestellt werden.
Gespräche dürfen weder überwacht noch abgehört
werden. Die von den Verteidigern mitgeführten Dokumente bzw.
Notizen dürfen nicht vom Gefängnispersonal konfisziert werden,
wie es zur Zeit routinemäßig geschieht.
Aufhebung
der permanenten Videoüberwachung
Herr Öcalan wird ununterbrochen visuell überwacht, sowohl
über ein Kamerasystem als auch durch die Wachen. Diese Maßnahme
verstößt gegen die Menschenwürde und muss sofort aufgehoben
werden.
Zugang
zu Publikationen und Medien
Herr Öcalan muss wie alle anderen Gefangenen in der Türkei
auch das Recht auf Empfang jeglicher nicht verbotener Publikationen
bekommen. Im Ist-Zustand bekommt er lediglich eine stark eingegrenzte
Auswahl an veralteter Tagespresse und drei Bücher zu einem gegebenen
Zeitpunkt. Ebenso muss den Empfehlungen des Komitees zur Folterprävention
(CPT) entsprechend ein Fernsehgerät und ein Radio mit mehr als
einem Kanal zugelassen werden.
Hofgang
und Sport
Herr Öcalan muss, wie ebenfalls im CPT-Bericht empfohlen, die
Möglichkeit zu uneingeschränktem Hofgang und sportlichen
Aktivitäten bekommen.