INSAN
HAKLARI DERNEGI - IHD Menschenrechtsverein in der Türkei |
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veröffentlicht am 8. Februar 2003 Inhalt Antragsthema
Familie und Anwälte des auf Imrali unter Isolationsbedingungen
in einer Einzelzelle und als einziger Gefangener inhaftierten Abdullah
Öcalan haben in mehrfach an unsere Vereinszentrale gerichteten
mündlichen und schriftlichen Anträgen verschiedene Beschwerden
hervorgebracht.
Aufgrund der Dringlichkeit der Beschwerde wurde eine Untersuchungsdelegation zusammengestellt, in der als Vorsitzender der IHD-Vorsitzende Hüsnü Öndül, sowie seine Stellvertreterinnen Reyhan Yalcindag und Eren Keskin, des weiteren Ayse Batumlu (Vorsitzende der Zweigstelle Bursa und Vorstandsmitglied), Dogan Genc (Repräsentant der Region Marmara, Vorstandsmitglied), Gülseren Yoleri (Vorstandsmitglied), Kamber Erkocak (Vorstandsmitglied) und Kiraz Bicici (Vorsitzende der Zweigstelle Istanbul) vertreten waren.
Ziel der Menschenrechtsdelegation war es, die Beschwerden der Familie
und Anwälte Abdullah Öcalans über ein seit dem 27.
November 2003 andauerndes Besuchsverbot, sowie die Gründe dafür
zu untersuchen. Gegenstand der Untersuchungen waren die Bedingungen
der Überfahrt zur Insel Imrali, die Verfahrensweise, der Anwälte
und Familie unterzogen werden, die Behinderung des Rechtes auf Verteidigung
und Besuch sowie die Haltung der zuständigen Stellen zu diesen
Rechtsverletzungen. Untersuchungsergebnisse Die Untersuchungsdelegation trifft nach den Anträgen der Verteidigung und Familie Öcalans sowie nach den offiziellen Gesprächen folgende Feststellungen: Abdullah Öcalan befindet sich seit seiner Überführung in die Türkei am 15.2.1999 allein und unter schweren Isolationsbedingungen im Gefängnis Imrali. Das Gefängnis war bis zu diesem Zeitpunkt ein halboffenes Gefängnis. Nach der Statusänderung durch das Justizministerium handelt es sich jetzt um ein geschlossenes Gefängnis im Zellentyp. Öcalan verfügt über keinen Fernseher. Eine Übermittlung
von Tageszeitungen findet nicht statt. Diese Situation stellt eine
erschwerte Verletzung des Kommunikationsrechtes dar. Familie und Anwälte Öcalans sind wiederholt auf ihrem Weg zur Insel mit der Begründung aufgehalten worden, die Wetterverhältnisse ließen eine Überfahrt nicht zu. Die Forderung, die nicht stattgefundenen Besuche an einem anderen Tag durchzuführen, ist bis heute unbeantwortet geblieben. Zwischen dem 18. September 2002 und dem 27. November 2002 konnten die Anwälte ihren Mandanten nur dreimal für insgesamt drei Stunden treffen (9. Oktober 2002, 13. November 2002, 27. November 2002). Seit dem 27. November 2002 bis heute, also seit zehn Wochen (70 Tagen) ist die Überfahrt mit der Begründung schlechter Wetterverhältnisse verhindert worden. Öcalan hat drei verschiedene Verfahren laufen: am 8. Strafgerichtshof Ankara (AZ 99/242), am Strafgerichtshof Athen und außerdem vor der ersten Kammer des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (Antragsnummer 99/46221). Die Verhinderung des Besuchs seiner Anwälte in dieser Situation stellt eine offene Rechtsverletzung im Sinne der Verfassung, nationaler und internationaler Gesetzgebung dar. In Artikel 34 des Europäischen Menschenrechtsabkommens heißt es: „Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich dazu, den Gebrauch des Rechtes auf Anrufung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes in keiner Weise zu behindern.“ Paragraph 144 CMUK lautet: „Die Verteidigung kann jederzeit mit dem Angeklagten in einer nicht abgehörten Umgebung sprechen. Der Schriftverkehr zwischen Verteidigung und Angeklagten wird keiner Kontrolle unterzogen.“ Öcalan jedoch kann weder schriftlich noch mündlich mit seinen Anwälten verkehren. (...) Seit dem 13.2.2002 werden die schriftlichen Notizen der Anwälte während der Verteidigergespräche mit Öcalan entweder unvollständig oder gar nicht ausgehändigt. Mit dieser Handhabung werden nationale und internationale Gesetze, die die Vertraulichkeit der Beziehung zwischen Mandant und Verteidigung gewährleisten, sowie das Recht auf Verteidigung verletzt. Das Recht auf Kommunikation und Schriftverkehr mit Angehörigen
und Anwälten wird verletzt.
In Anbetracht der oben aufgeführten Feststellungen fordert die Menschenrechtsdelegation die zuständigen Stellen zu einer raschen Beantwortung folgender Fragen auf: 1- Für den Verkehr zwischen Insel und Festland ist bezüglich der Sicherheit und Besuche das als „Koordinationszentrum“ bekannte „Krisenzentrum“ zuständig, das dem Generalsekretariat für Nationale Sicherheit im Premierministeramt untersteht. Nach nationaler Gesetzgebung unterstehen Gefängnisse der Vollzugsstaatsanwaltschaft und der Gefängnisdirektion. Gemäß welchen juristischen Kriterien arbeitet das Krisenzentrum, das die Gefängnisverwaltung auf Imrali regelt, und wie wird eine juristische Kontrolle gewährleistet? Was ist die Adresse des Krisenzentrums und aus welchen Personen besteht die Leitung? 2- Mit welchem Transportmittel findet die Überfahrt des auf Imrali beschäftigten Gefängnispersonals, das laut Medienberichten aus ungefähr 2000 Personen bestehen soll, zwischen Insel und Festland statt und warum werden Familie und Anwälte nicht mit einem Transportmittel zur Insel gebracht, das auch bei schlechten Wetterbedingungen die Insel erreichen kann? 3- Wie die zuständigen Behörden mitgeteilt haben, ist das Boot „Imrali 9“ nicht für eine Fahrt auf dem offenen Meer geeignet und birgt Risiken. Bei einer Wellenhöhe von über vier Metern können nach diesen Angaben ernsthafte Unfälle entstehen. Warum wird das Leben von Anwälten, Familienangehörigen, Sicherheitspersonal und Kapitän seit vier Jahren aufs Spiel gesetzt und immer das gleiche Boot eingesetzt? 4- Warum ist das Boot „Imrali 10“, das auch einer Wellenhöhe von sieben Metern widerstehen kann, bis heute nicht eingesetzt worden? 5- Warum werden keine stabilen Boote der Küstenwache eingesetzt, wie es bereits zur Zeit des Prozesses auf Imrali der Fall war? 6- Mit welchen Transportmitteln wird der Bedarf des Inselpersonals gedeckt und warum werden die Anwälte und Familienangehörigen nicht mit dem gleichen Transportmittel zur Insel gebracht? 7- Selbst wenn seit zehn Wochen jeden Mittwoch ungünstige Wetterbedingungen geherrscht haben sollten, warum hat die Überfahrt zur Insel nicht an irgendeinem anderen Tag stattgefunden? 8- Warum wird das nach der letzten Änderung des Antiterrorgesetzes eingeführte Recht auf telefonische Kommunikation mit Angehörigen und Verteidigung nicht auch Öcalan zugestanden? 9- Warum wird das Recht auf Kommunikation und Briefverkehr mit Angehörigen und Anwälten nicht respektiert, sondern verletzt? 10- Warum wird das Recht auf offenen Besuch [=ohne Trennscheibe], das anderen Gefangenen mit dem gleichen rechtlichen Status wie Öcalan zusteht, nicht auf Öcalan und seine Familie angewandt? 11- Was ist die Begründung, auf die in dem Schreiben der Generaldirektion für Strafvollzug vom 5.2.03 mit dem Ausdruck „ein Besuch, der aus irgendeinem Grund nicht stattgefunden hat“ angespielt wird?
1- Der IHD verteidigt unter jeder Bedingung und überall das Recht auf Leben und das Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung. Diese Rechte müssen auch für Abdullah Öcalan garantiert werden. Es muss eine Erklärung abgegeben werden, die die Besorgnis der Familie und Anwälte Öcalans sowie anderer Betroffener und der Öffentlichkeit beseitigt. Des weiteren muss unverzüglich ein Besuch stattfinden, mit dem die Besorgnis aufgehoben werden kann, ohne auf den Wochentag zu achten. 2- Der IHD verteidigt die Unantastbarkeit des Rechtes auf Verteidigung. Die Verletzung des Rechtes auf Verteidigung muss sofort beendet werden, die Anwälte unverzüglich mit Öcalan zusammen treffen können. In diesem Zusammenhang: a- An Tagen, an denen die Wetterbedingungen einen Besuch nicht zulassen, die Verschiebung des Besuches von Anwälten und Familie auf einen Tag, an dem die Wetterbedingungen günstig sind; b- In Anbetracht der Tatsache, dass das Boot „Imrali 9“ kein sicheres Transportmittel ist, die Bereitstellung eines Transportmittels, mit dem das Leben seiner Insassen nicht gefährdet wird, bzw. die Gewährleistung des Transportes zur Insel mit einem Boot, das auch das Sicherheitspersonal zur Insel und zurück zum Festland befördert. c- Falls diese Forderungen nicht erfüllt werden, die Überführung Öcalans in ein Gefängnis, das für Anwälte und Familie erreichbar ist. 4- Der IHD tritt unter jeder Bedingung gegen Diskriminierung ein. Das diskriminierende Kommunikationsverbot, das gegen Öcalan angewendet wird, muss umgehend aufgehoben werden. Ihm muss das gleiche Recht auf Telefongespräche, Nachrichtenaustausch und Besuch zugestanden werden wie anderen Gefangenen auch, die unter den gleichen rechtlichen Status fallen. Ebenso muss das Recht auf einen offenen Besuch [ohne Trennscheibe] von Verwandten ersten Grades an Feiertagen bzw. eines zusätzlichen Besuches gewährleistet werden. 5- Der IHD hat mehrmals seine Zufriedenheit über die positiven Resultate zum Ausdruck gebracht, die aus dem Zustand hervorgegangen sind, dass keine Gefechte mehr stattgefunden haben. Es darf keine politische Phase beginnen, die außerhalb von Recht und Demokratie steht und somit die Türkei erneut in Gewalttätigkeiten stürzen kann. Deshalb muss das im Widerspruch zum Rechtswesen stehende Vorgehen, das erneute Spannungen hervorruft, beendet werden. Gegen wen Isolation auch angewendet wird, es handelt sich dabei um eine Schande für die Menschheit. Jeder Gefangene hat auch im Gefängnis das Recht auf Einhaltung der Menschenrecht und Nutzung seiner Freiheiten. Wir laden die staatlichen Organe und Zuständigen dazu ein, sich diesem grundlegenden Prinzip entsprechend zu verhalten.
Hüsnü ÖNDÜL Vorsitzender
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