Dialog-Kreis:
„Die Zeit ist reif für eine politische Lösung
im Konflikt zwischen Türken und Kurden“
|
Geschäftsstelle: Postfach 903170
D-51124 Köln
Tel: 02203-126 76, Fax: 126 77
dialogkreis@t-online.de
www.dialogkreis.de
Koordination: Andreas Buro, Am Sonnenberg 42, 61279 Grävenwiesbach,
Tel:06086-30 87, Fax:06086-243, Andreas.Buro@gmx.de
|
15. Februar 03
PRESSEMITTEILUNG
Neue Gewalteskalation im türkisch-kurdischen Verhältnis
droht
In Verbindung mit einem US-Angriff auf den Irak droht eine Spirale
der Gewalt im türkisch-kurdischen Verhältnis. Der Dialog-Kreis,
der sich für eine friedliche Lösung dieses Konflikts einsetzt,
forderte deshalb den Vorsitzenden der AKP-Partei Recep Tayyip Erdogan
auf, deutliche Signale der Versöhnungsbereitschaft zu geben.
In dem Brief des Dialog-Kreis Koordinators Prof. Dr. Andreas Buro
heißt es u.a.:
„Bei unserem Gespräch am 18.12.2002 in Ankara haben wir
Sie gebeten, für eine Politik der Versöhnung zwischen
Türken und Kurden einzutreten. Dabei haben wir Ihnen ein Memorandum
über die aus unserer Sicht notwendigen Schritte überreicht.
Aus vielen Meldungen erfahren wir nun, dass sich eine Eskalation
des Konfliktes anbahnt, nicht zuletzt auf dem Hintergrund eines
bevor stehenden Angriffes der USA und Großbritanniens auf
den Irak, dem sich die Türkei gegen den Wunsch der Mehrheit
der Bevölkerung aufgrund des massiven Drucks der USA anschließen
muß.
Die militärischen Vorbereitungen der Türkei zielen nun
jedoch auch auf einen Angriff der kurdischen Guerilla, die sich
anlässlich der Friedenspolitik der kurdischen Seite in den
Nord-Irak zurück gezogen hatte. Dort befinden sie sich auch
noch heute in Erwartung einer Amnestie in der Türkei, um in
ihre Heimat zurück kehren und sich in das zivile Leben dort
wieder eingliedern zu können.
Jetzt will das Militär der Türkei sie als 'Kollateralmaßnahme‘
des Irak-Krieges vernichten, statt ihre Friedensbereitschaft aufzugreifen.
Auch die seit 12 Wochen dauernde Isolierung Öcalans bewirkt
Demütigung und Empörung der kurdischen Seite. Solches
Verhalten versetzt allen Aussöhnungsbemühungen einen schweren
Schlag. Schon verkündet die KADEK, dass ein Verteidigungskrieg
nicht zu vermeiden sei, weil ihre Friedens- und Versöhnungsangebote
keine Antwort des Staates gefunden hätten.
Wir befürchten, dass eine sich anbahnende Eskalation des türkisch-kurdischen
Konflikts alle von Ihnen so mutig vorgesehenen Reform- und Demokratisierungsschritte
auf das schwerste behindern, wenn nicht gar unmöglich machen
werden. Die Menschenrechtsverletzungen werden wieder ansteigen.
Deshalb bitten wir Sie sehr eindringlich, deutliche Zeichen der
Bereitschaft zu einer Versöhnungspolitik an die kurdische Seite
zu senden. In unserem Memorandum hatten wir unter anderen folgende
Aspekte hierfür genannt:
1. Den Wunsch nach Versöhnung und gegenseitiger
Anerkennung offen auszusprechen, sowie einen innergesellschaftlichen
Dialog im Rahmen des Türkischen Staates anzuregen.
2. Um dem Wunsch nach Versöhnung Glaubwürdigkeit
zu verleihen, sollte eine Amnestie für alle aus politischen
Gründen Verurteilte und für alle, die an den Kämpfen
teilgenommen haben, erlassen werden.
3. In einem innergesellschaftlichen Dialog ist auch
darüber zu sprechen, in welcher Weise die multi-ethnische Dimension
der Gesellschaft in der Türkei in der türkischen Verfassung
zum Ausdruck gebracht werden sollte. Dadurch würde die Gemeinsamkeit
im Rahmen des Staates gestärkt und nicht geschwächt werden.
4. Eine Politik der Versöhnung kann nicht darauf
verzichten, kulturelle Gleichberechtigung anzustreben.
5. Die Flüchtlinge aus den kurdischen Siedlungsgebieten,
die während der vergangenen Kämpfe ihre Heimat verlassen
mußten, müssen zurück kehren dürfen, und zwar
nicht in Zentraldörfer, die ihren Traditionen fremd sind und
von ihnen als ‚beaufsichtigte Ansiedlungen‘ verstanden
werden.
6. Die Aufhebung des Ausnahmezustandes in den östlichen
und südöstlichen Provinzen ist bereits ein wichtiger Schritt,
der die Tür zur Versöhnung öffnen kann. Der Ausnahmezustand
muß allerdings nicht nur formal sondern auch de facto beendet
werden. Sonst kann kein Vertrauen für eine Politik der Versöhnung
entstehen.
Signale der Versöhnungsbereitschaft ihrer Regierung in den
genannten Bereichen werden sicher auf offene Ohren stoßen.
So, wenn Sie die wöchentlichen Besuche der Angehörigen
und Anwälte von A. Öcalan wieder ermöglichen. Am
wichtigsten erscheint mir jedoch, einen Angriff der türkischen
Armee auf die Rückzugsbasis der kurdischen Guerilla im Nord-Irak
durch eine Amnestie zu vermeiden. Denn ein solcher Angriff hätte
weitreichende Auswirkungen sowohl auf eine friedliche Entwicklung
innerhalb der Türkei, wie auf die Möglichkeiten Ihre Reformpolitik
zu verwirklichen. Ich bitte Sie sehr eindringlich, sich für
eine friedliche Lösung und die Entfaltung einer Politik der
Versöhnung einzusetzen.
V.i.S.d.P.G. A. Buro, Grävenwiesbach
|