Kurdischer Frauenverein Amara
11. Februar 2003

 

Offener Brief

Als kurdische Frauen und Jugendliche aus Linz und Umgebung machen uns die jüngsten Entwicklungen im Mittleren Osten große Sorgen. Wir denken nicht, dass die Kriegsvorbereitun-gen, die die USA, Großbritannien und die Türkei zur Zeit treffen, auf den Irak begrenzt bleiben werden. Als Kurdinnen und Kurden wissen wir sehr gut, dass die Regime im Mittleren Osten und insbesondere das von Saddam nicht im Interesse der Bevölkerung ist. Aber ebenso wenig glauben wir daran, dass sich die Situation durch die geplante US-Intervention bessern wird.

Auf der ganzen Welt wird gegen den Krieg protestiert. Unsere Sorge gilt insbesondere der kurdischen Bevölkerung, weil die Kriegsvorbereitungen der USA und Großbritanniens sowie der Türkei, des Iraks und aller weiteren regionalen Kräfte sich in Kurdistan konzentrieren.
Währenddessen herrscht Stillschweigen über die Lage der Kurdinnen und Kurden. Es findet ein verdeckter, geheimer Krieg gegen die kurdische Bevölkerung statt. Die Vereinbarungen der Türkei mit den USA bestätigen unsere Befürchtungen. Während der türkische Staat sich zunächst gescheut hat, die USA in ihrem gewalttätigen Vorhaben im Mittleren Osten zu unterstüt-zen, ist er jetzt entschlossen, ganz in den Krieg einzusteigen, Südkurdistan zu besetzen und so-zusagen nebenbei die kurdische Befreiungsbewegung zu vernichten. Deutlich wird diese Haltung in dem brutalen Vorgehen gegen die kurdisch-türkische Friedensbewegung sowie in der Totalisolierung des KADEK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan, der seit dem 15. Februar 1999 als einziger Gefangener auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert ist. Seit dem 27. November 2002 ist jeglicher Kontakt zu Herr Öcalan abgebrochen. Sein Aufenthaltsort sowie sein Gesundheits-zustand sind unbekannt.

Diese Entwicklungen erfüllen uns mit großer Sorge. Als in Linz lebende Frauen und Jugendliche sagen wir:

Wir wollen nicht, dass das kurdische Volk und alle anderen Völker der Region in einen Krieg verwickelt werden!
Wir fordern, dass unser Vorsitzender Abdullah Öcalan sofort Kontakt zu seinen Anwäl-ten und seiner Familie aufnehmen und von seinen Rechten Gebrauch machen kann!
Wir wollen, dass die Lage des kurdischen Volkes thematisiert wird und auf den türkischen Staat Druck ausgeübt wird!

Um auf die Situation in Kurdistan aufmerksam zu machen und unsere Forderungen zu unterstreichen, um die Isolation unseres Vorsitzenden Öcalan unverzüglich zu einem Ende zu bringen, haben wir mit 15 Frauen und Jugendlichen am 11. Februar einen fünftägigen Hungerstreik begonnen. Wir rufen Sie dazu auf, sich uns anzuschließen und uns Ihre Unterstützung zukommen zu lassen.

Um ein neues Massaker an Kurdinnen und Kurden zu verhindern, sollten wir uns die Hand reichen und zeigen, dass Frieden zwischen den Völkern möglich ist.


Mit freundlichen Grüßen

Kurdischer Frauenverein Amara
11. Februar 2003


Der Hungerstreik beginnt am Dienstag, dem 11. Februar,
im Kulturzentrum Mesopotamien, Dinghofer Str. 64, 4020 Linz, Tel 0732 65 64 98