INTERNATIONAL
INITIATIVE BRIEFINGS:
HADEP
Halkin Demokrasi Partisi
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ANKARA
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Pressemitteilung
der HADEP zu ihrem Verbot
Am 13. März 2003 hat das türkische Verfassungsgericht
in dem Verbotsverfahren gegen die HADEP sein Urteil gefällt.
Das Verfahren war am 29. Januar 1999 von der Oberstaatsanwaltschaft
des Revisionsgerichtshofes eingeleitet worden. In dem Urteil wurde
einstimmig das Verbot der HADEP beschlossen und gegen 46 Mitglieder
und Vorstandsmitglieder ein politisches Betätigungsverbot von
fünf Jahren ausgesprochen.
Damit ist die HADEP in der politischen Geschichte der Türkei
die 26. verbotene Partei. Hierbei muss vor allem festgehalten werden,
dass das Verfahren sowie das Urteil in Hinblick auf den Zeitpunkt
und die juristischen Grundlagen den politischen Status Quo widerspiegeln.
Politische Parteien sind unverzichtbare Elemente der Demokratie.
Zu den Rechten und Pflichten politischer Parteien gehören die
freie Meinungsäußerung, ohne dabei zu Gewalt aufzurufen;
eine ungehinderte Organisierung; die Präsentation von Lösungsvorschlägen;
die Diskussion darüber, sowie die Meinungsbildung und die dem
entsprechende Betätigung. Zu den Grundlagen politischer Parteien
zählen das Vertreten verschiedener Meinungen und das Entwickeln
und Formulieren von Lösungsvorschlägen für Probleme,
die den Staat und die Gesellschaft betreffen.
Seit der Gründung am 11. Mai 1994 gehören die Demokratisierung
des Staates und der Gesellschaft zu den Hauptzielen der HADEP. Ihre
Betätigung war darauf ausgerichtet, an Stelle der bestehenden
militärisch-politischen Institutionalisierung, die den Status
Quo stützt, den Interessen der Bevölkerung widerspricht
und sich gegen eine Veränderung sträubt, eine Politik
zu machen, die von den Bedürfnissen der Bevölkerung ausgeht.
Die HADEP hat es stets abgelehnt, dass die offizielle Ideologie
den Staat, die Gesellschaft und die Politik beherrscht. Sie hat
für eine pluralistische und partizipatorische Demokratie gekämpft,
die auf einer Akzeptanz der Verschiedenartigkeiten aufbaut. Die
kurdische Frage, mit deren Lösung die Türkei, der Mittlere
Osten und die gesamte Welt konfrontiert ist, hat sie als ein grundlegendes
Thema aufgegriffen. Gegen Assimilierungsversuche, sowie Verleugnungs-
und Vernichtungsbestrebungen, hat sie auf der Anerkennung der kurdischen
Existenz und Identität bestanden und auf eine verfassungsrechtliche
demokratische Lösung im Geiste von Einheit und Freiheit gesetzt.
Sie hat sich gegen Verbote, Krieg und Gewalt gestellt und stets
die Meinung vertreten, dass Dialog und Demokratie die einzige Lösung
darstellen.
Die HADEP ist gegen die wirtschaftliche Hegemonie einer kleinen
Minderheit für die Interessen der Ausgebeuteten, der Mittellosen,
Werktätigen und Arbeitslosen eingetreten. Die Frauenfrage wurde
als ein Hauptwiderspruch betrachtet und die größte Frauenorganisierung
in der Türkei geschaffen. HADEP hat sich für den Rechtsstaat,
eine demokratische Gesellschaft, das freie Individuum, sowie gesellschaftlichen
Frieden eingesetzt. In diesem Kampf ist sie vielfach aus den bestehenden
Herrschaftsstrukturen heraus auf legalem und illegalem Wege angegriffen
worden. Zehntausende ihrer Mitglieder waren unmenschlicher Behandlung
ausgesetzt, Hunderte wurden ermordet. Trotz allen Behinderungen,
Verboten und der undemokratischen Wahlprozedur, hat sie mindestens
zwei Millionen Stimmen erhalten und repräsentiert den politischen
Willen von Millionen von Menschen. Eben diese Manifestation politischen
Willens wurde von der herrschenden Mentalität nicht toleriert
und hat zur Schließung unserer Partei geführt.
Das Urteil des Verfassungsgerichtes ist rein politischer Natur und
basiert auf Artikel 68 und 69 der Verfassung, sowie den Paragraphen
101 und 103 des Parteiengesetzes. Im Gerichtsbeschluss wird darauf
verwiesen, dass die HADEP verboten wurde, weil sie „Aktivitäten
unternommen hat, die gegen die unteilbare Gesamtheit des Staates
ausgerichtet“ seien und diesbezüglich zu einem „Fokus“
geworden sei.
Es entspricht nicht den Tatsachen, dass unsere Partei zu einem „Fokus“
der in Artikel 68 der Verfassung festgelegten Aktivitäten geworden
ist. Schon aus der Bezeichnung „Fokus“ wird deutlich,
dass der Urteilssprechung eine Kommentierung zugrunde liegt, die
das Fundament des Rechtswesens erschüttert.
Was unter dem Begriff „Fokus“ zu verstehen ist, wird
in dem Satz erklärt, der Artikel 69 der Verfassung durch das
Gesetz 4709, Paragraph 25 zugefügt wurde. Dort heißt
es: “Eine politische Partei zählt als Fokus von Tätigkeiten,
wenn die Mitglieder dieser Partei dementsprechende Tätigkeiten
intensiv ausüben und diese Situation offen oder verdeckt durch
einen Parteikongress, den Parteivorsitzenden oder einen zentralen
Beschluss und die Organe der Parteiführung oder der betreffenden
parlamentarischen Gruppe vertreten wird.“
Während also in der Verfassung eine eng gefasste Begriffsdefinition
festgelegt ist, zeigt das Verfassungsgericht eine andere Haltung
und hat die gegen einige von unseren Mitgliedern eröffneten
Verfahren als ausreichend für eine Definition als „Fokus“
betrachtet und den Verbotsbeschluss auf dieser Betrachtungsweise
aufgebaut.
Die Verfahren gegen unsere Mitglieder, deren Namen in der Urteilsbegründung
des Verfassungsgerichtes erwähnt werden, haben zum großen
Teil mit Freisprüchen geendet oder sind vertagt worden. Die
verurteilten Aktivitäten einiger unserer Parteifreunde betreffen
den Bereich der „Gedankenschuld“. Beispielsweise wurden
unser ehemaliger Generalvorsitzender Murat Bozlak, sein ehemaliger
Stellvertreter Hamit Geylani, unser Generalsekretär Hayri Ates,
sowie eine Reihe weiterer Mitglieder zu Strafen verurteilt, weil
sie ihre Gedanken geäußert haben. Deutlich wird dabei,
dass das Gerichtsurteil aus politischen Gründen gefällt
wurde und nicht aus juristischen Erwägungen.
Es ist kein Zufall, dass der Verbotsbeschluss in dieser Zeit verkündet
wurde. Über die AKP wird versucht, die Türkei in den bevorstehenden
Irak-Krieg der USA einzubeziehen. Die gegen Abdullah Öcalan
angewandte Isolation soll zur Isolation des kurdischen Volkes und
zur Anspannung der Situation in der Türkei führen. In
der Zypern-Frage hat die türkische Haltung zu einer ausweglosen
Situation geführt. Mit dem Verbot unserer Partei zeigt der
Staat in deutlicher Form seine Haltung zu den Themen gesellschaftlicher
Frieden, Demokratisierung und EU. Damit isoliert er sich selbst
von zeitgenössischen demokratischen Entwicklungen, schlägt
die Gelegenheit zu einem inneren Frieden aus und drängt die
Bevölkerung der Türkei zu einem Leben in Chaos und Armut.
Gleichzeitig ist der Verbotsbeschluss keine Initiative gegen die
HADEP, die in der Sozialistischen Internationale Beobachterstatus
hat, und die Bevölkerungsgruppen, die sie repräsentiert,
sondern ein Angriff gegen eine Demokratisierung der Türkei.
Damit wird die Türkei nichts gewinnen, sondern im Gegenteil
verlieren. Die HADEP wurde verboten, weil sie versucht hat, dieser
Entwicklung Einhalt zu gebieten und an Statt schmutziger Politikformen
eine demokratische Politik zu machen. Sie ist verboten worden, weil
sie den Anspruch vertreten hat, die Reichtümer des Landes zum
Nutzen der Bevölkerung einzusetzen. Sie ist verboten worden,
weil sie für die Bevölkerung Stimme, Hoffnung und Gewissen
dargestellt hat.
Zur gleichen Zeit hat dieselbe Denkweise, die zu dem Verbot der
HADEP geführt hat, auch die Initiative für das Verbot
der DEHAP ergriffen. Es geht dabei im Grunde genommen nicht um die
Schließung politischer Parteien, sondern darum, die Lebensadern
der Gesellschaft zu durchtrennen und ihr die Atemluft zu nehmen.
Die Türkei soll für den Frieden, für die Demokratie,
eine freie Entwicklung und eine menschenwürdige Zukunft gesperrt
werden. Es geht um die weitere Entmündigung und Entrechtung
des Volkes.
Einen wichtigen Punkt stellt dabei die Tatsache dar, dass bis heute
noch nicht begriffen worden ist, dass mit Repression, Gewalt und
Verboten keine Lösung erreicht werden kann. Bereits in der
Vergangenheit sind viele Parteien verboten worden, aber dadurch
ist kein einziges Problem gelöst worden. Auch das Verbot der
HADEP wird kein Problem lösen und den gerechten Kampf der Bevölkerung
nicht beeinflussen können.
In diesem Kampf wurden aus wenigen Tausende und aus Tausenden Millionen.
Dieser Kampf für eine freie und demokratische Gesellschaft
wird weiter anwachsen und sein Ziel erreichen.
Die HADEP ist nicht zum Fokus der schmutzigen Politik und mafiösen
Strukturen geworden, sondern zum Fokus des Kampfes für Frieden,
Demokratie und eine freie Gesellschaft.
Mit ihrem Einsatz und dem hohen dafür gezahlten Preis hat die
HADEP die Vergangenheit erleuchtet. Auf diesem reichen und würdevollen
Erbe wird der organisierte und entschlossene Kampf von morgen aufbauen.
14.03.2003
Ahmet Turan DEMIR
(Vorsitzender der HADEP)