Redebeitrag von Ceni - Kurdisches Frauenbüro für Frieden auf dem Ostermarsch in Düsseldorf Im Namen des Kurdischen Frauenbüros für Frieden möchte ich Euch alle zum Ostermarsch herzlich begrüßen. Ich freue mich, dass so viele Menschen hier sind, und insbesondere so viele Frauen. Wir protestieren hier gegen Krieg und Besetzung. Krieg ist das konzentrierteste Gewaltmittel des patriarchalen Systems. Bei dem offiziell für beendet erklärtem Krieg gegen den Irak handelt es sich erst um den Beginn eines Feldzuges der USA und ihrer Verbündeten im Mittleren Osten. Als Kurdisches Frauenbüro für Frieden sind wir eindeutig gegen diese völkerrechtswidrige Militärinvasion. Die Bilder der Tausenden von Toten, die dieser Krieg bisher gekostet hat, machen uns traurig und wütend. Der Anblick der us-amerikanischen und britischen Militärs im historischen Mesopotamien ebenso. Auch wir kämpfen für eine Veränderung im Mittleren Osten. Wir sind gegen die verkrusteten Regime, mit denen die Völker in der Region unterdrückt werden. Das Saddam-Regime war diktatorisch und hat insbesondere auch gegen die kurdische Bevölkerung grausam gewütet. Wir weinen ihm keine Träne nach. Es ging aber nie darum, sich zwischen Bush und Saddam zu entscheiden, denn die Lösung liegt woanders. Die Lösung der Probleme im Mittleren Osten liegt in den Menschen der Region. Die Lösung lautet Demokratisierung. Eine Demokratisierung kann nicht mit militärischen Mitteln erzwungen werden. Demokratisierung bedeutet vor allem die Lösung der kurdischen Frage, als Schlüsselfrage des Mittleren Osten. Ebenso die Lösung der palästinensischen Problematik. Eine demokratsiche Lösung heißt: die Freiheit aller Völker, Kulturen, Ethnien, Religionen, die unter einem gemeinsamen Dach sich auf gleichberechtigter Ebene ausdrücken und organisieren können. Demokratie heißt vor allem aber auch Frauenbefreiung. Einerseits ist die Stellung der Frau in einer Gesellschaft Indikator für den Grad der Demokratie. Andererseits ist der Kampf von Frauen für Befreiung insbesondere in den Gesellschaften im Mittleren Osten die treibende Kraft in der Demokratisierung. Je mehr Frauen aus der ihnen zugesprochenen Rolle ausbrechen und sich für gesellschaftliche Veränderung einsetzen, desto mehr wird sich das Gesicht des Mittleren Ostens verändern. Die Völker im Mittleren Osten müssen unabhängig und selbstbestimmt über ihr Geschick bestimmen. Mesopotamien ist die Wiege der Menschheit, der Ausgangspunkt der Zivilisation. Insbesondere im letzten Jahrhundert haben hier die imperialistischen Mächte wirkungsvoll eine Teile- und Herrsche-Politik angewendet. Die kurdische Frage wurde dabei als immer als Trumpf ausgespielt. Das Anbändeln mit diesen Mächten hat früher oder später immer zur Niederlage geführt. Das jüngste Beispiel ist Saddam Hussein selbst, dessen Regime von den USA aufgebaut worden ist. Zur Zeit besteht ein vorübergehendes Bündnis zwischen den USA und Großbritannien und den südkurdischen Parteien. Weil die anderen Staaten in der Region eine Stärkung der kurdischen Position als Gefahr betrachten, haben jetzt die Türkei, Iran und Syrien einen Interessenblock dagegen gebildet. Angst besteht dabei nicht vor der Gründung eines unabhängigen Staates Kurdistan, sondern vor einer demokratischen Lösung. Denn eine Demokratisierung gefährdet den Status Quo und somit die Interessen der herrschenden Kräfte in der Region. Von kurdischer Seite wird eine Lösung innerhalb der bestehenden Staatsgrenzen angestrebt. Die kurdische Frage steht im Mittelpunkt einer möglichen Lösung für den Mittleren Osten. Frieden und Stabilität können in der Region nicht erreicht werden, solange dieser Widerspruch besteht. Gleichzeitig wird eine Lösung dieser Frage Signalwirkung auf die gesamte Region haben und eine Demokratisierung voran treiben. Wir halten das Lösungsmodell eines unabhängigen Staates Kurdistan für nicht zeitgemäß. Wenn das Problem darin besteht, dass die Völker nicht über das Selbstbestimmungsrecht verfügen, dann hilft ein neuer Staat nicht weiter. Vielmehr muss die Zivilgesellschaft sich organisieren und sich selbst regieren. Dem Staat fallen dabei nur noch koordinierende Aufgaben zu. Im Irak-Krieg hat sich gezeigt, dass alle bisher international gültigen Regeln außer Kraft gesetzt und die internationalen Institutionen ihre Bedeutung verloren haben. Die einzige Kraft, die dagegen gesetzt werden kann, ist die demokratische Zivilgesellschaft. Als
kurdische Frauen, als Frauen aus dem Mittleren Osten möchten
wir mitteilen, dass wir uns von keinen äußeren Mächten
funktionalisieren lassen und ausschließlich auf unsere eigene
Kraft vertrauen, auf unsere Organisiertheit und auf unsere Völker.
Dabei setzen wir auf die internationale Solidarität. Wir fühlen
uns solidarisch mit allen Menschen, die für Befreiung, für
ein würdevolles Leben kämpfen. Wir sind froh und stolz
darüber, heute mit Euch gemeinsam hier zu sein. Unsere Stärke
liegt in unserer Verschiedenheit und einer gemeinsamen Sehnsucht.
|