AZADI RECHTSHILFEFONDS
            für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.

Pressemitteilung

 

28. Mai 2003

Verfassungsschutz setzt Kurden unter Druck

Vor 10 Jahren wurde vom damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther das Betätigungsverbot für die PKK erlassen. Seitdem ist ein Teil der hier lebenden Bevölkerung einer gezielten Kriminalisierung und Diskriminierung ausgesetzt. Versuche der Verfassungsschutzbehörden, Kurdinnen und Kurden für Spitzeltätigkeiten anzuwerben, sind Bestandteil der staatlich praktizierten Repression. Weigern sich die Betroffenen, müssen sie mit massiven Bedrohungen rechnen, zumal, wenn sie Asylsuchende sind. Diese Erfahrung ist für Kurden äußerst beklemmend: Viele von ihnen mussten ihre Heimat verlassen, weil die Türkei sie zwingen wollte, im Dienste des Staates als sogenannte Dorfschützer gegen die eigenen Leute tätig zu werden.

Die türkischsprachige Tageszeitung Özgür Politika berichtet in ihrer Ausgabe vom 27. Mai über den aktuellen Fall des am Bodensee lebenden Kurden Mehmet Sirin Özgür. Dieser sei das erste Mal im September 2002 von zwei Männern namens Markus Brauniger und Nagat in seiner Wohnung aufgesucht worden. Beide hätten sich als Mitarbeiter des baden-württembergischen Verfassungsschutzes vorgestellt. Sie hätten ihn über Kurden aus der Region und aktuelle politische Themen ausfragen wollen und sich insbesondere für Personen und geplante Aktivitäten des Kurdisch-Deutschen Freundschaftsvereins in Friedrichshafen interessiert, dessen Vorsitzender Mehmet Sirin Özgür eine Zeit lang gewesen ist. Weitere Besuche seien von den Geheimdienstlern angekündigt worden.

Obwohl der Kurde eine Zusammenarbeit abgelehnt und sich weitere Kontakte verbeten habe, seien die Männer erneut erschienen und hätten erklärt, ihn außerhalb seiner Wohnung treffen zu wollen. Nachdem er sich diesem Ansinnen verweigert habe, habe er im vergangenen Monat verstärkte Observationen in der Nähe seiner Wohnung festgestellt. An einem Tag sei er z. B. während einer Fahrt mit seinem Auto von zwei anderen Fahrzeugen bedrängt worden. Der zunehmend auf ihn ausgeübte Druck habe ihn dazu veranlasst, sich durch Vermittlung eines Gewerkschaftsfreundes an ein Regionalbüro von Amnesty International zu wenden und Anzeige bei der Polizei Friedrichshafen zu erstatten. In einem Gespräch habe er jedoch den Eindruck gewonnen, dass ihm nicht geglaubt werde und man ihn vielmehr nach Auffassung eines Polizeibeamten für psychisch krank halte. „Natürlich zerstört ständige Verfolgung und die Angst davor das psychologische Gleichgewicht eines Menschen,“ äußert Mehmet Sirin Özgür. Der Verfassungsschutz wolle nicht nur über ihn an Informationen herankommen, sondern versuche auch, „meinen Willen zu zerstören“.

Ausgerechnet seit Beendigung des bewaffneten Kampfes, der Auflösung der PKK im April 2002 und der Gründung des Kongresses für Demokratie und Freiheit in Kurdistan (KADEK) mehren sich Anwerbeversuche wie der Fall von Mehmet Sirin Özgür.

AZADI protestiert schärfstens gegen diese Unterdrückungs- und Einschüchterungspraxis. Wenn sich staatliche Institutionen über politische Vorhaben des KADEK oder Aktivitäten kurdischer Vereine informieren wollen, steht ihnen hierfür eine ganze Reihe offizieller Adressen zur Verfügung.


 
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