Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.

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Düsseldorf, 12. Juni 2003

Pressemitteilung


- Demokratische Partizipation statt Reuegesetz
- Europaweite Demonstration in Brüssel
- Çiçek: Reuegesetz ist keine Amnestie
- Abdullah Öcalan: Gegen Nationalismus
- Militäroperationen an iranisch-türkischer Grenze

Demokratische Partizipation statt Reuegesetz

Seit Wochen ist die demokratische Öffentlichkeit in der Türkei in Bewegung, um den Friedens- und Demokratisierungsprozess im Land voranzutreiben. Der Forderung nach einer gegenseitigen Annäherung und einem gesetzlichen Rahmen, der eine politische Partizipation aller ermöglicht, steht der staatliche Entwurf eines Reuegesetzes frontal entgegen. Es mehren sich die Stimmen zivilgesellschaftlicher Organisationen, Gewerkschaften, Berufsverbände, politischer Parteien und Einzelpersonen gegen den Erlass eines solchen Gesetzes. Stattdessen wird betont, dass eine Überwindung der Krise in der Türkei nur über inneren Frieden machbar ist. In den Medien finden Diskussionen zur Lösung der kurdischen Frage statt, die noch vor fünf Jahren undenkbar gewesen wären.


Europaweite Demonstration in Brüssel

Natürlich lassen diese Entwicklungen auch die kurdische Bevölkerung in Europa nicht kalt. Mit einer Vielfalt von Aktionen wird versucht, die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit auf die Chancen, aber auch auf die Gefahren und ihre Auswirkungen auf den gesamten Mittleren Osten zu lenken. Einen vorläufigen Höhepunkt bildete gestern eine vom Kurdistan-Nationalkongress (KNK) organisierte Demonstration in Brüssel unter dem Motto „Für gesellschaftlichen Frieden und demokratische Partizipation“, an der sich knapp 10 000 Menschen beteiligten. In einem Redebeitrag betonte die italienische Europaparlamentsabgeordnete Luisa Morgantini, sie sei von der Notwendigkeit des demokratischen Kampfes des kurdischen Volkes überzeugt und werde ihre Unterstützung fortsetzen. Als stellvertretender KNK-Vorsitzende hielt Ali Yigit einen Redebeitrag, in der er auf die bisherigen sechs erfolglosen Versuche eines Reuegesetzes in der Türkei hinwies: „Das Reuegesetz kann keine Probleme lösen. Die Kurdinnen und Kurden bereuen nichts. Wir werden dieses Gesetz nicht akzeptieren und unseren Kampf fortsetzen, bis das Problem gelöst ist. Eine Veränderung muss in der Türkei von der Regierung und dem Parlament ausgehen. Es muss eine bedingungslose Generalamnestie erlassen werden. Ein Beharren auf der alten Politik bedeutet eine Vertiefung der Probleme.“


Çiçek: Reuegesetz ist keine Amnestie

Unterdessen hat der türkische Justizminister Cemil Çiçek angekündigt, der Entwurf für das Reuegesetz im Rahmen der EU-Anpassungsgesetze werde kommende Woche fertig sein. Dieser sei nicht von der Beschaffenheit einer Amnestie. Der Entwurf, der laut Çiçek in Koordination mit allen Institutionen des Staates ausgearbeitet wird, habe das Ziel, den “Terror in der Region” zu beenden.


Abdullah Öcalan: Gegen Nationalismus

Abdullah Öcalan hat hingegen von der Gefängnisinsel Imrali aus erneut zu Frieden und Demokratisierung aufgerufen. Er wies darauf hin, dass zur Zeit versucht werde, sowohl den kurdischen als auch den türkischen Nationalismus anzuheizen. Dadurch drohe die Gefahr eines erneuten Ausbruchs des blutigen Krieges. Weiterhin erklärte er: “Am 1. September 1998 haben wir einen Waffenstillstand erklärt, um eine Basis für eine demokratische Lösung der kurdischen Frage zu schaffen. Am 1. September 1999 wiederum haben wir alle bewaffneten Kräfte aus dem Inland abgezogen. Im Jahr 2002 haben wir die Deklaration für Frieden und freie Einheit veröffentlicht. Jetzt setzen wir den vierten historischen Schritt. Bis zum 1. September 2003 wird der Weg festgelegt werden: entweder es kommt über eine Diskussion zwischen Staat, KADEK und der gesamten Gesellschaft zu Frieden und einer demokratischen Lösung oder – falls es keine Einigung, keine Entwicklung in diesem Thema gibt – zu einer neuen Guerillaoffensive. Bis zum 1. September wird eine Antwort auf diese Frage gesucht werden. Wir ziehen den Weg des Friedens und einer demokratischen Lösung vor. Alle Beteiligten befinden sich in diesem Sinne vor einer Weggabelung. Wenn der Weg des Friedens und einer demokratischen Lösung gewählt wird, bedeutet das, eine zeitgenössische und demokratische Türkei vorzuziehen. Damit werden auch die Kopenhagener Kriterien erfült werden können. Statt eines Reuegesetzes muss ein Gesetz für gesellschaftlichen Frieden und demokratische Partizipation erlassen werden. Es muss ein Zeitplan bis zum Jahr 2005 aufgestellt werden und dafür eine Wegkarte. Daran müssen wir arbeiten. Das Gesetz ist ein erster Schritt dafür, der Rest wird sich Schritt für Schritt entwickeln. Wenn das nicht gelingt, wird eine neue Guerillaoffensive stattfinden. Wir hoffen, dass die Entwicklungen anders verlaufen werden.”


Militäroperationen an iranisch-türkischer Grenze

Seit einer Woche führt der Iran umfangreiche Militäroperationen in Kelares, Xakurke, Xinere, Kandil und Zele an der türkischen Grenze durch. Mörsergranaten fielen u.a. auf Hochweiden, die von den Bauern im Sommer bezogen werden. Unterstützung wird dabei von der türkischen Armee geleistet, die außerdem in Sirnak, Semdinli, Baskale, Uludere und Beytüsebap Operationen durchführt. Die Militäroperation des Iran soll sich gegen die Volksmudschahedin und den KADEK richten. Zu vermuten ist, dass das Vorgehen alle oppositionellen Kräfte einschüchtern soll.


Als Kurdisches Frauenbüro für Frieden setzen wir unsere Kampagne für gesellschaftlichen Frieden in der Türkei fort. Wir sind davon überzeugt, dass eine Generalamnestie und damit die Möglichkeit für eine demokratische Partizipation aller politischen gefangenen als ein juristisch notwendiger Schritt für eine Lösung der kurdischer Frage zur Demokratisierung des Mittleren Ostens beitragen wird. Seit der Gründung unseres Vereins Anfang 2000 arbeiten wir als Frauen daran, den Friedensprozess in der Türkei und in Kurdistan zu stärken. Wir rufen dazu auf, alle friedlichen und demokratischen Bemühungen zu unterstützen, bevor erneut Krieg ausbricht.


Für weitere Informationen stehen wir jederzeit zur Verfügung.

Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden