Internationale Initiative
Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan

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19.08.2003

Dokumentation der vom KADEK Exekutivrat am 2. August 2003 veröffentlichten Roadmap:

 

„Roadmap“ für eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage in der Türkei

Die Türkei und Kurdistan haben sehr unter dem Krieg gelitten. Während der letzten dreißig Jahre verloren Zehntausende ihr Leben. Die Türkei braucht dringend politische und soziale Stabilität. Alle Teile der Gesellschaft, die Rechte, die Linke, die Islamisten, die Säkularisten, die Alewiten, die Kurden, waren in diesen dreißig Jahren an dem Konflikt beteiligt. Die Türkei hat ihr kurdisches Problem nicht durch Demokratisierung gelöst und deshalb halten Krise und konfliktgeladene Atmosphäre an. Der Konflikt zwischen dem türkischen Staat und dem kurdischen Volk, der nun seit achtzig Jahren anhält, hat von beiden Seiten hohen Tribut verlangt. Weder Kurden noch Staat haben irgendein konkretes Ergebnis erreicht. Als klar wurde, dass Verleugnung, Unterdrückung und Rebellion die kurdische Frage nicht lösen konnten, entschlossen sich Abdullah Öcalan und unsere Bewegung dafür, einen neuen Prozess zu beginnen, um den Weg für eine friedliche und demokratische Lösung zu öffnen. Mit dem 1. September 1999 begannen wir, unsere Kräfte aus der Türkei abzuziehen und haben versucht, mit Hilfe der demokratischen Kräfte in der Türkei eine demokratische und freie Vereinigung zu schaffen.
Wir haben eine Reihe von Berichten veröffentlicht, in denen unsere Zielsetzungen erklärt und Vorschläge für eine friedliche und demokratische Lösung des Problems gemacht werden. In chronologischer Reihenfolge waren dies: das Friedensprojekt (20. Januar 2000); der „Urgent Action Plan“ für Frieden und Demokratie (4. Dezember 2000); unsere „Dringenden Forderungen“ zur Verhinderung des Krieges und zur Förderung des Friedensprozesses (19. Juni 2001); die „Urgent Peace Proclamation“ (22. Dezember 2002) ; „Proklamation zur Beendigung des Pattzustandes“ (15. April 2003). Zweimal, zu Beginn des Jahres 2000 und am Ende des Jahres 2002. haben wir den Präsidenten, den Ministerpräsidenten, den Parlamentspräsidenten, den Generalstabschef und die Vorsitzenden aller politischen Parteien in der Türkei angeschrieben und ihnen unsere Überlegungen zu einer Lösung des kurdischen Problems erläutert. Gleichzeitig haben wir über die Medien ständig deutlich gemacht, dass wir eine brüderliche Lösung des Problems innerhalb der türkischen Grenzen befürworten. Wir haben gezeigt, dass wir unsere Probleme auf dem Wege der Zusammenarbeit mit Staat und Gesellschaft in der Türkei lösen wollen und dass wir eine einigende und keine teilende Kraft sind.
Wir sind unserer Entscheidung seit dem 2. August 1999 treu geblieben und haben nicht nur unsere bewaffneten Aktionen gestoppt, sondern haben auch vernünftige Vorschläge und Denkansätze verlauten lassen, um einen echten Frieden herbeizuführen. Wir haben alles, was wir konnten, getan, um eine Atmosphäre zu schaffen, die dem Frieden förderlich ist. Wenn dies auch noch nicht ausgereicht hat, so hat sich doch das Klima in der Türkei (ein wenig) in Richtung auf eine Lösung verändert. Das Niveau der Diskussion über die Notwendigkeit, die kurdische Frage zu lösen, ist besser geworden und es hat sich hierzu eine Meinung in der Öffentlichkeit gebildet. Es wurde deutlich, dass jetzt die Regierung am Zug war. Obwohl 2002 einige begrenzte Maßnahmen ergriffen wurden, blieben diese ohne praktische Folgen. Entscheidungen wurden nicht umgesetzt. Die Repressionen nahmen im Gegenteil zu und es kam zu fortgesetzten Militäraktionen. Zu einer Zeit, in der die kurdische Gesellschaft mit einigen bescheidenen Vorschlägen ihre Bereitschaft für eine Lösung deutlich macht, in der es in der Türkei Bedingungen gibt, die es erlauben, geeignete Schritte zur Lösung des Problems zu unternehmen, in der die regionale Entwicklung eine Lösung des Problems von der Türkei verlangt, in der die Beziehungen zur EU und zu den USA gestärkt werden müssten, bedeutet das Festhalten an einer Politik der Nicht-Lösung, dass der Waffenstillstand, der nun vier Jahre gehalten hat, zu Ende gehen wird. Das Jüngste Reuegesetz, mit dem KADEK eliminiert werden soll, bezeichnet das Ende dieses Friedensprozesses. Dieses Gesetz ist im Wesentlichen kein Beitrag zur Problemlösung, sondern spricht für die Absicht, unsere Kräfte einzukreisen und zu eliminieren. Auch den jüngsten Beziehungen der Türkei zu Syrien und dem Iran liegt die klassische Verleugnung der Kurden zugrunde, auch sie haben die Unterdrückung der Freiheitsbewegung zum Ziel. Der Wunsch, die Stationierung türkischer Truppen im Irak dazu zu verwenden, die USA dazu zu bringen, KADEK und die Guerilla militärisch anzugreifen, ist ebenfalls ein Zeichen dafür, dass die Türkei einen Konflikt der Lösung der kurdischen Frage vorzieht. Zusammen mit den neuerlich vermehrten Repressionen gegen die Zivilbevölkerung wird deutlich, dass hier einer Politik des Drohens und Erpressens gegen unsere Bewegung verfolgt wird. Offensichtlich möchte die Türkei uns wissen lassen, dass es für uns nur die bedingungslose Kapitulation geben kann.

Die Öffentlichkeit weiß, dass wir vor diesem Vorgehen gewarnt haben. Unser Vorsitzender Abdullah Öcalan hat in seinen Botschaften aus Imrali und in seinem BrBrief an die Regierung daran erinnert, dass etwas unternommen werden muss, um die kurdische Frage zu lösen, wenn nicht die Friedensmission, die er bisher auf sich genommen hat, als Misserfolg betrachtet werden soll.
Um sicherzustellen, dass die Bemühungen unseres Vorsitzenden friedliche Früchte tragen, haben wir im April diesen Jahres die „Proklamation zur Beendigung des Pattzustandes“ veröffentlicht. Ebenfalls im April haben wir unsere Vorschläge für eine umfassende Lösung präsentiert. Wir haben in einer öffentlichen Stellungnahme deutlich gemacht, dass das Reuegesetz letztlich eine Provokation darstellt, und haben verlangt, dass stattdessen ein „Gesetz für sozialen Frieden und demokratische Partizipation“ verabschiedet wird. Während der Monate Juni und Juli haben wir uns bemüht mittels unserer Kampagne „Für sozialen Frieden und demokratische Partizipation“ negative Entwicklungen zu stoppen und um Versöhnung zu werben. Unsere Bemühungen werden geleitet von unserer Verantwortung gegenüber allen Menschen in der Türkei, Türken oder Kurden. Leider haben sie seitens der Regierung kein positives Echo gefunden.

Die Regierung hält an ihrer überlebten Denkart und Praxis fest und hat unsere sämtlichen Anstrengungen für den Frieden zunichte gemacht. Es gibt nicht das kleinste Signal, das uns ermutigen könnte, den Waffenstillstand fortzusetzen. Wir haben einseitig für den Frieden und eine Lösung des Problems gekämpft, haben uns bemüht, die Bedingungen für eine wechselseitig anerkannte Feuerpause herzustellen, obwohl wir nie eine offizielle Antwort auf unser Waffenstillstandsangebot bekommen haben. Obwohl die Standpunkte etwas aufgeweicht wurden und sich das Klima gebessert hat, ist es uns dennoch nicht gelungen, Spannungen und Zusammenstöße vollständig zu vermeiden. Offensichtlich müssen wir unsere Haltung der letzten vier Jahre überdenken, in einem Klima, in dem unser einseitiger Waffenstillstand bedeutungslos geworden ist. Es ist notwendig geworden, einen neuen Ansatz für den Frieden und die Lösung des Problems zu entwickeln. Unsere historische Rolle verlangt dies. Es steht außer Frage, dass wir die türkische Politik der Verleugnung und Repression nicht hinnehmen oder zu bloßen Zuschauern einer solchen Politik werden und die Menschen in der Türkei hilflos einer solchen Politik aussetzen können. Der einseitige Waffenstillstand, den wir seit 1999 eingehalten haben, hat zum Teil seine Rolle erfüllt. Wenn die Umstände seine Fortsetzung zuließen, hätten wir dies getan. Leider hat der türkische Staat diesen Waffenstillstand als Gelegenheit betrachtet, die demokratischen Kräfte zu zerschlagen, anstatt ihn als eine Möglichkeit zur Demokratisierung zu nutzen. Auf diese Weise hat er uns die Fortsetzung des einseitigen Waffenstillstandes unmöglich gemacht.
In den letzten Monaten konnte man sehen, dass gegen uns politische und militärische Offensiven gefahren wurden, die in tödlichen Kampfhandlungen endeten, gleichgültig, wie intensiv wir versucht haben, solche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Um weitere Angriffe gegen uns zu verhindern, in denen Kämpfer von uns das Leben lassen könnten, mussten wir im Rahmen legitimer Selbstverteidigung reagieren. Einzig wegen unserer Entschlossenheit im Kampf für den Frieden und eine demokratische Lösung und unserer fortdauernden Erwartung, dass etwas in dieser Richtung geschehen würde, ist es zu verdanken, dass diese Zusammenstösse nicht aufgeflammt sind. Hätten wir uns nicht derart geduldig und verantwortungsbewusst gezeigt, wären die Kämpfe inzwischen längst viel intensiver.

Die alles führt dazu, dass der einseitige Waffenstillstand für uns nun beendet ist. Der türkische Staat hat den Waffenstillstand bedeutungslos gemacht und ihn durch die Politik der Auslöschung, die er gegenüber uns verfolgt hat, beendet. Es steht wohl außer Frage, dass ein Waffenstillstand nur dann eingehalten werden kann, wenn er von beiden Seiten beachtet wird.

Die Erfahrung der letzten vier Jahr hat gezeigt, dass ein Waffenstillstand, der von beiden Seiten respektiert wird, nur in Kraft treten und eingehalten werden kann, wenn es gleichzeitig einen Stufenplan (Roadmap) für eine ausgehandelte Einigung gibt, die schrittweise umgesetzt und von beiden Seiten akzeptiert wird. Es wurde klar, dass es ohne eine solche Perspektive keinen praktischen oder politischen Wert hat, den Waffenstillstand beizubehalten. Er hat vier Jahre gedauert wegen der großen Opfer, die wir gebracht haben. Selbst wenn er offiziell nicht anerkannt wurde, war er für die Türkei von Nutzen angesichts des Waffenstillstands nach fünfzehn Jahren Krieg.

Dies zeigt, dass man für einen beiderseits respektierten Waffenstillstand einen Stufenplan (Roadmap) braucht, der von einer merklichen Veränderung in der Geisteshaltung und im politischen Denkansatz begleitet wird. Vor diesem Hintergrund und im Bewusstsein historischer Verantwortung zeichnen wir hier eine sinnvolle und machbare Roadmap und präsentieren sie, zuallererst dem türkischen Staat und allen interessierten Parteien. Angesichts der ernsten Probleme der Türkei und der Entwicklungen in der Region scheint es uns unumgänglich, einen Plan zu implementieren, der das Problem in drei Stufen vom 1. September 2003 bis zum 1. September 2004 löst. Wir halten ein Jahr in diesem Zusammenhang für realistisch. Da die Türkei möglicherweise noch Ende 2004 Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union beginnen könnte, wird die Entscheidung für eine Roadmap den Beitrittsprozess sicherlich erleichtern.

Die Bedingungen für eine solche Roadmap zur Lösung des Problems sind günstiger denn je. Da der Ansatz, das Problem bewusst nicht anzugehen, die Wahrscheinlichkeit für neuerliche Zusammenstöße mit jedem Tag erhöht, wenn man nichts dagegen tut, wird am Ende eins zum anderen führen und eine Lösung auf unbestimmte Zeit aufgeschoben. Wenn wir an dieser Stelle nicht dazwischengehen und eine solche Roadmap implementieren, werden die Kämpfe unvermeidlich eskalieren. Unser Vorschlag einer Roadmap mag als Mittel betrachtet werden, negative Entwicklungen zu verhindern.

Wir sind zuversichtlich, dass die Roadmap die Spannungen verhindern und einen Rahmen zur Lösung des Problems darstellen kann.

Erste Stufe

Hier sollte ein beiderseitiger Waffenstillstand erreicht werden. Dieser Prozess sollte ab dem
1. September 2003 beginnen und am 1. Dezember abgeschlossen sein.
Zuallererst jedoch sollte es einen Dialog zwischen den beiden Parteien über die Roadmap geben und man sollte ein Komitee für Frieden und Dialog einrichten, um die Modalitäten der Umsetzung zu diskutieren. Dieses Komitee sollte aus Vertretern ziviler Organisationen und politischer Parteien bestehen, aus Intellektuellen, Künstlern und demokratischen Persönlichkeiten. Es ist wichtig, dass dieses Komitee von der Regierung in seiner Tätigkeit ermutigt und unterstützt wird.
Das Komitee wird Sitzungen mit den beiden Parteien abhalten und, mit Blick auf den Aufbau gegenseitigen Verständnisses und die Spezifikation der einzelnen Stufen der Roadmap, einen fortgesetzten Dialog etablieren. Außerdem wird das Komitee die Umsetzung der Einzelpunkte überwachen, auf die man sich geeinigt hat und bei Mängel oder Zuwiderhandlungen einschreiten oder sie ansprechen. Zudem sollte das Komitee Beziehungen zu den Einrichtungen pflegen die die öffentliche Meinung machen, und diese auffordern zum Friedensprozess beizutragen. Es sollte die Presse unablässig an ihre soziale Verantwortung erinnern und Informationen mit dem Ziel zur Verfügung zu stellen, die Öffentlichkeit so gut wie möglich auf Versöhnung vorzubereiten. Auf diese Weise soll das Komitee als permanente Einrichtung arbeiten, bis die Roadmap vollständig umgesetzt und Frieden und eine Lösung der Frage erreicht sind. Seine dringendste Aufgabe wird darin bestehen, den gegenwärtigen, einseitigen, De-facto-Waffenstillstand in einen bilateralen Waffenstillstand zu verwandeln. Hierzu sollte jede der Parteien folgende Schritte unternehmen:

Maßnahmen seitens der Regierung

1. Militäraktionen sollten gestoppt werden, da sie unvermeidlich zu Zusammenstößen und Vergeltungsschlägen führen, die politischen Friedensbemühungen gefährden, es der Guerilla unmöglich machen, ihre Waffenstillstandspositionen beizubehalten und in der Bevölkerung und unseren Kräften zu Vertrauensverlust führen. Große Teile der Bevölkerung verlieren ihren Glauben an eine friedliche und demokratische Lösung und beschäftigen sich mit Propaganda gegen solche Versuche.
2. Das System der Dorfschützer, ein Produkt des Krieges, sollte aufgelöst werden. Es ist klar, dass selbst in Zeiten eines Waffenstillstandes die Dorfschützer als ein Mittel der Repression gegen die Bevölkerung verwendet werden, das den Waffenstillstand aushöhlt. Deshalb sind wir der Meinung, dass der fehlende Wille, das Dorfschützersystem abzuschaffen, Ausdruck fehlenden Willens ist, den Krieg, der gegen uns geführt wird, zu beenden. Die Unterdrückung durch die Dorfschützer schwächt das Vertrauen der Bevölkerung in den Waffenstillstand und die Perspektive einer friedlichen Lösung und gibt populären Forderungen Auftrieb, die danach verlangen, dass unsere Verbände dem repressiven Verhalten der Dorfschützer ein Ende machen. Wir denken, dass man wirtschaftliche und soziale Maßnahmen ergreifen sollte, die die Auflösung dieses Systems ermöglichen, das eine Klasse von Gangstern in Kurdistan hervorgebracht hat.
3. Eines der schwerwiegendsten Ergebnisse des bewaffneten Konfliktes ist die gewaltsame Vertreibung von Millionen von Zivilisten. Ein echter Waffenstillstand schließt Maßnahmen ein, die die fortdauernden Spannungen verringern und die Kriegskultur zurücklassen. In diesem Zusammenhang sollte die Regierung umfassende Anstrengungen unternehmen, um die angekündigte Rehabilitierung der Vertriebenen wahr zu machen und alle administrativen, gesetzlichen, wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen ergreifen, die es ihnen ermöglichen, in ihre Dörfer zurückzukehren. Hierbei wird die Regierung verpflichtet sein, dies aktiv zu erleichtern und zu fördern.
4. Operative Kräfte wie Spezialpolizeikräfte und spezielle Kommandoeinheiten sollen aus Kurdistan zurückgezogen werden, so dass dort außer den regulären Truppen, der Gendarmerie und Polizei keine weiteren Sicherheitskräfte bleiben. Bei den Ereignissen nach dem Erdbeben in Bingöl konnte man erkennen, dass solche Spezialkräfte die Bevölkerung mit Misstrauen beobachten und dazu neigen, Zivilisten beim kleinsten Anlass tätlich anzugreifen. Ihre Anwesenheit ist für den vorgesehenen Prozess nicht hilfreich, weil sie Ängste und fehlendes Vertrauen in der Bevölkerung aufrecht erhält. Sie stellt eine Verletzung des Geistes eines Waffenstillstands dar, da es sich hier um die Sturmtruppen aus Kriegszeiten handelt. Es fördert die Befürchtung, dass der Krieg jederzeit wieder aufflammen kann und hinterlässt den Eindruck, dass Anti-Guerilla-Operationen zum dauerhaften Bestandteil der Nachkriegszeit werden sollen. Es dürfte sich daher für beide Seiten als ausgesprochen schwierig erweisen, einen Waffenstillstand aufrechtzuerhalten, wenn diese Kräfte nicht zurückgezogen werden.
5. Die irregulären und extralegalen Banden, die zur Bekämpfung des Aufstands und zur psychologischen Kriegsführung eingesetzt wurden, müssen aufgelöst werden. Sie sind zudem verwickelt in undokumentierte wirtschaftliche Aktivitäten im Zusammenhang mit der Führung des Krieges, so dass es ein hohes Risiko gibt, dass sie sich an Provokationen beteiligen, die das Ziel verfolgen, eine Veränderung der Situation zu verhindern. Es ist nur natürlich, dass sowohl die Guerilla als auch die Zivilbevölkerung nicht an einen ernsthaften Friedenswillen glauben werden, solange diese Banden weiterexistieren, die während des Waffenstillstandes gezeigt haben, dass sie die treibende Kraft hinter alternativen, schmutzigen Methoden der Fortsetzung des Krieges sind. Ihre unverminderte Präsenz hat nicht unwesentlich zur Aushöhlung des gegenwärtigen Waffenstillstandes beigetragen. Obwohl es immer einmal wieder Unterbrechungen der Militäraktionen gab, kam es nie vor, dass diese Banden ihre Tätigkeit eingestellt hätten. Im Rahmen eines bilateralen Waffenstillstandes sollten sie zerstört und ihre Mitglieder aus Kurdistan verbannt werden. Letztlich untergraben sie auch die Autorität des Staates auf vielerlei Weise
6. Ein entscheidender Punkt in diesem Prozess ist es, die Öffentlichkeit auf eine Lösung vorzubereiten und eine Kultur des Friedens ins Leben zu rufen. Wir haben keinen Zweifel, dass das türkische Volk für eine Lösung der kurdischen Frage in Einheit unter den beiden Völkern ist, solange man nicht mit Propagandamitteln versucht, das Gegenteil zu erreichen. Auch die Kurden sind zu einer brüderlichen Einigung bereit. Wenn man auch den Menschen türkischer Volkszugehörigkeit klar macht, dass der Krieg für beide Völker ein großer Schaden war, dann kann ein Waffenstillstand ein Schritt zu einer echten Lösung sein. Die Regierung sollte daher sicherstellen, dass alle offiziellen Einrichtungen eine solche Verständigung fördern und Äußerungen unterlassen, die Feindseligkeit und Unruhe schüren.
7. Die Regierung sollte nicht länger legale Massenproteste behindern und demokratische Aktivitäten als Grundrecht der Bürger anerkennen.

Maßnahmen seitens des KADEK und der Guerilla

1. Die Guerilla sollte ihre militärischen Aktivitäten vollständig beenden. Ihre Einheiten sollten in ihren gegenwärtigen Positionen verbleiben. Es sollten keine neuen Gruppen der Guerilla in die Türkei einsickern. Sie sollten Waffen nur dann einsetzen, wenn sie angegriffen werden . Sie sollten in Positionen verbleiben, wo ihre Anwesenheit nicht auffällig ist, und ohne dabei Dörfer oder Städte zu betreten.
2. Der KADEK soll in seiner Propaganda und seinen Veröffentlichungen keine Haltung einnehmen, die sich gegen den Staat richten, oder zum Krieg aufhetzen. Er sollte sich in Buchstaben und Geist zu einem Zusammenleben der Menschen in der Türkei bekennen. Er sollte die politische Einheit der Türkei verteidigen und keinerlei gegen die Türkei gerichtete Aktivitäten unternehmen. Fernsehsendungen und Veröffentlichungen sollten nur dem Ziel der Demokratisierung der Türkei dienen und dem Engagement für die natürlichen Rechte der Kurden. Er sollte eine Politik verfolgen, die der Vertrauensbildung im Verhältnis zur türkischen Bevölkerung förderlich ist.
3. Die kurdische Bevölkerung sollte ihre Protestaktivitäten auf vollständig demokratische Weise organisieren, ohne dabei Unordnung zu schaffen.



Die zweite Stufe

Hier geht es um vertrauensbildende Maßnahmen als praktische Schritte auf dem Weg zu einer Lösung

Maßnahmen seitens der Regierung

1. Die kurdische Frage sollte als Schlüsselfrage der Demokratisierung behandelt werden.
2. Alle Beschränkungen der Redefreiheit und der Freiheit der Organisation sollten fallengelassen und Bedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen, sich frei politisch zu betätigen. Diese Freiheiten sollten auch für Probleme im Zusammenhang mit der kurdischen Frage uneingeschränkt gewährleistet sein. Die uneingeschränkte Meinungsäußerung, Organisationsfreiheit und Freiheit der politischen Betätigung sind entscheidend für die Entwicklung einer Lage, in der auf bewaffnete Kräfte verzichtet werden kann.
3. Nach Erfüllung der Forderungen aus Artikel (2) soll ein Gesetz für sozialen Frieden und demokratische Partizipation verabschiedet werden. Dieses Gesetz soll die uneingeschränkte Teilnahme aller Mitglieder der Guerilla und aller politischen Gefangenen und Exilanten am demokratischen politischen Leben sichern. Hierzu sollen ihre sämtlichen politischen, sozialen und bürgerlichen Rechte wiederhergestellt und politisch motivierte Einträge aus ihren Akten gelöscht werden.
4. Als wesentlicher Bestandteil des Gesetzes für sozialen Frieden und demokratische Partizipation sollen auf dieser Stufe die Beziehungen unseres Vorsitzenden Abdullah Öcalan mit der Außenwelt, seine Lebensbedingungen und Gesundheitsfürsorge neu geregelt werden.
Besuche von Rechtsvertretern und Familienmitgliedern sollen nicht länger eingeschränkt werden. Seine Versuche der Veröffentlichung von Gedanken zur Demokratisierung der Türkei und zur Lösung der kurdischen Frage sollten erleichtert werden.
5. Es sollten gemeinsame Anstrengungen zur wirtschaftlichen Entwicklung von Kurdistan gemacht und Investitionen getätigt werden, wo die Infrastruktur dies erlaubt. Steuererleichterungen für die Privatwirtschaft und billige Kredite sollten helfen, die wirtschaftliche Entwicklung anzukurbeln.
6. Um die tiefen Wunden aus den Jahren des Krieges zu heilen, müssen auch Verbrechen untersucht werden, die über reguläre Angriffe auf militärische, politische, administrative und wirtschaftliche Ziele hinausgegangen sind. Die Täter müssen vor Gericht gestellt werden. Es gibt keinen anderen Weg, Depressionen und Traumata des Krieges zu bewältigen. Diesem Problem nachzugehen ist wichtig im Zusammenhang mit echter Vertrauensbildung zwischen der türkischen und der kurdischen Bevölkerung, zwischen dem Staat und den Kurden. Das Auftreten von extralegalen Hinrichtungen, Entführungen und Verschwundenen, Tod im Polizeigewahrsam und Vergewaltigung müssen untersucht und die Täter bloßgestellt werden. Überall, wo auf Krieg Frieden gefolgt ist, wurden solche Vorfälle zum Gegenstand von Untersuchungen gemacht. Damit können sie zu Ecksteinen eines wirklichen Friedens werden. Es soll daher unverzüglich eine Kommission zur Untersuchung von Wahrheit, Gerechtigkeit und Vergebung eingesetzt werden. Die Kommission sollte von Vertretern von Menschenrechtsorganisationen und Rechtsverbänden gebildet werden, d.h. hauptsächlich aus Vertretern von NGO. Sie sollte nicht nur Verbrechen untersuchen, die im Auftrag des Staates begangen wurden, sondern ebenfalls solche, die der Guerilla zur Last gelegt werden. Regierung wie auch KADEK wären verpflichtet, die Arbeit der Kommission zu unterstützen und ihr wichtige Dokumente zugänglich zu machen. Auf diese Weise wäre es der Kommission möglich, die Ursachen dieser Vorfälle zu beleuchten, wie auch ihre Auswirkungen und Täter. Diese sollen dann vor unparteiische und faire Tribunale gestellt werden, die nach einem speziellen Gesetz ausschließlich für diese Verfahren eingerichtet werden. Mitglieder der Kommission zur Untersuchung von Wahrheit, Gerechtigkeit und Vergebung sollen die Mitglieder dieses Gerichts bilden.
7. Die Politik der Verleugnung und Repression hat bei der kurdischen Bevölkerung großes Leid verursacht. Zahllose Personen haben tiefe emotionale Narben davongetragen. Um ihnen dabei zu helfen, über diese Wunden und Narben hinwegzukommen, ist es bedeutsam, dass die Behörden sich entschuldigen und um Verzeihung für die Behandlung bitten, die sie den Kurden früher haben angedeihen lassen. Solche Entschuldigungen werden eine wichtige Rolle beim Aufbau von Frieden und Brüderlichkeit bilden.
8. Alle oben aufgeführten Maßnahmen sollen von der Regierung bis April 2004 eingeleitet sein und zügig umgesetzt werden.


Maßnahmen seitens des KADK und der Guerilla

1. Nachdem die Regierung die notwendigen Gesetze so verabschiedet hat, wie dies auf den jeweiligen Stufen des Prozesses vorgesehen ist, sollen Guerillakämpfer und Exilaktivisten in Gruppen von je 500 in die Türkei einreisen und am demokratischen politischen Leben teilnehmen können. Die Kämpfer werden sich mit den Waffen und ihrer Kampfausrüstung stellen.
2. Alle, die in Türkei zurückkehren, werden sich mit ihren Aktivitäten für die Stärkung des sozialen Friedens einsetzen. Sie werden ihre legalen demokratischen Rechte ausüben. Sie dürfen sich an nichts beteiligen, was die Unversehrtheit des Staates beschädigen könnte.
3. Auch der KADEK soll eine gesonderte Kommission einrichten, die die Verbrechen untersucht, die von seinen Mitgliedern gegen das Volk verübt wurden. Diese soll die Täter entsprechend internationaler Rechtsmaßstäbe vor Gericht stellen, sie unter Verzicht auf die Todesstrafe verurteilen und öffentlich machen.


Die dritte Stufe

Hier wird die volle Demokratisierung angestrebt, so dass die kurdische Frage mit demokratischen Mitteln gelöst und Frieden erreicht werden kann.

Maßnahmen, die von der Regierung zu ergreifen sind:

1. Die kurdische Identität soll unter den Schutz der Verfassung gestellt werden und die Kurden als verfassungsmäßige Bürger der demokratischen Republik anerkannt werden. Auf diese Weise, durch die Beteiligung der Kurden an einem säkularen, demokratischen Rechtsstaat, wird die Türkei zur gemeinsamen Heimat von Türken und Kurden. Die kurdische Bevölkerung wird dann die Pflicht haben, ihrer Verantwortung für dieses demokratische Land gerecht zu werden.
2. Sprach- und Kulturrechte sollten in gesetzlichen Bestimmungen verankert werden. Radio- und Fernsehsendungen und Printmedien sollten frei von allen Beschränkungen sein. Für Medien in kurdischer Sprache und jeder anderen Sprache sollte der gleiche Rechts- und Verfahrensrahmen gelten, der auch für türkischsprachige Medien gilt. Das Gleiche sollte für kulturelle Aktivitäten gelten.
3. Grundschulausbildung auf Kurdisch sollte für alle verfügbar sein, die ihre Kinder auf Kurdisch erziehen möchten. In der Sekundärstufe sollte Unterricht in kurdischer Kultur, Sprache und Literatur als Wahlfach in die Curricula aufgenommen werden. An Universitäten sollten Abteilungen für kurdische Sprache, Kultur, Literatur und Geschichte eingerichtet werden.
4. Unser Vorsitzender Abdullah Öcalan sollte freigelassen werden. Er sollte die vollständige Freiheit und Bedingungen erhalten, unter denen er seinen Beitrag zur Einheit der beiden Völker in Freiheit leisten und politische Funktionen ausüben kann.
5. Für die kommunale Ebene sollte demokratisches Recht gesetzlich so eingerichtet werden, dass eine Dezentralisierung der Macht erreicht wird, und die Demokratie in Reichweite und Qualität wachsen kann.
6. Die Gesetzgebung in Bezug auf demokratische Parteien und Wahlabläufe muss nach demokratischen Kriterien erneuert werden. Innerhalb von sechs Monaten nach der Verabschiedung dieser Gesetze sollten Neuwahlen abgehalten werden.
7. Diese Schritte sollten bis zum 1. September 2004 eingeleitet sein und unverzüglich umgesetzt werden.


Maßnahmen, die seitens des KADEK auf dieser Stufe zu ergreifen sind:

1. Die Gesamtheit der organisatorischen Strukturen einschließlich der Führung und der Kommandeure sollten in die Türkei zurückkehren mit ihren Waffen, die dabei von internationalen Institutionen und Vermittlern gesichert werden.
2. Alle Publikationen der Organisation außerhalb der Türkei sollten sich in ihrer Arbeit für den laufenden Friedensprozess einsetzen und der demokratischen Einheit der beiden Völker dienen. Diejenigen Publikationen, die nicht länger gezwungen sind, aus dem Exil heraus zu arbeiten, sollten in die Türkei zurückkehren und ihre Aktivitäten dort innerhalb des gesetzlichen Rahmens fortsetzen.
3. Alle Verbände und kurdischen Organisationen im Exil sollten sich unter einem gemeinsamen Dach mit Organisationen der türkischen Diaspora vereinigen. Es soll im Ausland keine Organisation eingerichtet werden, die sich nicht in Richtung Türkei orientiert. Kurdische Identität, Sprache und Kultur sollen in autonomen Gremien unter dem gemeinsamen Dach geschützt und gefördert werden. Keine mit unserer Bewegung verbundene Einrichtung sollte an diplomatischen oder politischen Aktivitäten zum Nachteil der Türkei teilnehmen.
4. In ihren Beziehungen zu Kurden in der Diaspora und in anderen Teilen von Kurdistan soll unsere Organisation in Übereinstimmung mit den Interessen einer demokratischen Türkei handeln.

Die Türkei steht an einem Scheideweg. Sie kann ihre Politik des „weder Krieg noch Frieden“ nicht länger fortsetzen und wird zeigen müssen, für was sie sich entscheidet bei ihrer Reaktion auf diese Roadmap, die der KADEK hier präsentiert. Wir haben die Erwartung, dass die Regierung sich für den Weg zum Frieden entscheidet, indem sie auf unseren Plan antwortet. Wir sind zuversichtlich, dass die Türkei, indem sie diesen Weg wählt, einen demokratischen Wandel erleben und zu einem Model für die gesamte Region werden wird. Die kurdische Frage wird dann keine Quelle des Leides für die Türkei mehr sein, sondern vielmehr ein Faktor der Stärke, mit dem die Türkei in ein attraktives Land verwandelt wird, nicht nur für die Kurden innerhalb ihrer Grenzen, sondern auch in den angrenzenden Ländern und letztlich für alle Völker der Region. In dieser Position wird die Türkei im politischen Diskurs der Region von großem Gewicht sein und zu einem wirtschaftlichen Schwerpunkt werden, der aufblüht und das ökonomische Potential der Region aktiviert. All dies könnte wahr werden, wenn die Türkei dieser Roadmap folgt, die wir hier präsentieren. Sollte sie sich aber gegenteilig entscheiden und an ihrer überkommenen Politik festhalten, dann wird sie dazu verurteilt sein, sich weiter im Teufelskreis ständiger Krisen zu drehen.
Die Umsetzung dieses Plans und der Antrieb zum Frieden werden für die Türkei und die Kurden von großem Nutzen sein. Aus diesem Grunde erwarten wir, dass dieses Projekt positiv gewürdigt und umgesetzt wird, so dass für die Türkei und den gesamten Mittleren Osten eine neue Ära anbricht, in der die Kurden sich als echte strategische Verbündete der Türkei erweisen können.


Beiträge zur Umsetzung dieser Roadmap durch andere Länder und Einrichtungen:

Die Europäische Union

Die Türkei ist seit fünfzig Jahren Mitglied des Europarates. Sie ist derzeit Beitrittskandidat der Europäischen Union. Sollte die Europäische Union die Türkei aufnehmen, dann hat sie gleichzeitig auch die Kurden in die EU integriert. Die Beitrittspartnerschaft und der Entwurf eines Zeitplans erwähnen die kurdische Identität nicht, sondern enthalten lediglich einige wenige allgemeine Hinweise auf Sprach- und Kulturrechte. Dies bedeutet letztlich eine implizite Hinnahme der türkischen Verleugnung der Kurden. Auf diese Weise wurde die Türkei ihrerseits ermutigt, Reformgesetze zu verabschieden, die die kurdische Identität nicht erwähnen. Die Umsetzung dieser Gesetze wird praktisch durch wichtige Vorschriften verhindert und ist damit wenig mehr als das, was man in der EU als Potemkinsche Dörfer bezeichnet. Alle Beschwerden bezüglich der Ausübung von Rechten nach diesen neuen Gesetzen sind bisher zurückgewiesen worden.
Es ist daher irrig seitens der EU anzunehmen, die kurdische Frage könne auf dem Wege einer Gesetzgebung gelöst werden, die die Entwicklung kurdischer Sprache und Kultur nicht erlaubt. Die kurdische Bevölkerung ist sicher nicht gegen einen Beitritt zur Europäischen Union auf der Grundlage einer demokratischen Einheit in Freiheit; es wäre allerdings inakzeptabel, die kurdische Frage als gelöst zu betrachten und eine Türkei aufzunehmen, die es den Kurden nicht erlaubt, ihre Sprach- und Kulturrechte auszuüben.
Wenn der Freiheitskampf der Kurden seine Rechtmäßigkeit behält, solange es keine Lösung der Probleme gibt, die ihm zugrunde liegen, dann könnte die Parteinahme Europas mit der Türkei angesichts dieses Kampfes zu einem Gegensatz zwischen Europäischer Union und den Kurden führen. Die Haltung der europäischen Politiker zu dieser Roadmap, die vom Zeitplan her in etwa mit dem Beitrittsplan übereinstimmt, ist daher ein wichtiger Indikator. Diese von uns vorgestellte Roadmap ist gleichzeitig ein Plan zur Vorbereitung der Türkei für den EU-Beitritt. Wir erwarten daher, dass die EU seine Umsetzung auf der Grundlage ihrer Prinzipien unterstützt.
Die kurdische Frage ist nicht nur ein Problem der Türkei, sondern auch eines der europäischen Union. Die EU ist daher prädestiniert, eine Vermittlerrolle im Prozess der Konfliktlösung zu spielen. Leider hatten europäische Akteure einen größeren Anteil daran, dass es dazu kam, dass die kurdische Frage durch das 20. Jahrhundert hindurch ungelöst geblieben ist. Wir sind der Meinung, dass die EU zwar der Türkei die Vollmitgliedschaft gewähren sollte, allerdings unter Einbeziehung der Kurden in diesen Prozess, indem sie auf eine demokratische Lösung der vorhandenen Probleme hinarbeitet. Unser Vorsitzender war nach Europa gekommen, um Wege für eine solche Lösung zu erkunden. Wegen der mangelnden Verantwortlichkeit europäischer Behörden wurde er Opfer einer internationalen Verschwörung, die mit seiner Entführung endete. Wir glauben, dass Europa sich nun von allen weiteren Versuchen der Verschwörung gegen die Kurden distanzieren sollte.
Wir fordern die Europäische Union auf – parallel zu ihrer Rolle auf Zypern – eine Vermittlerroller bei der Umsetzung dieser Roadmap zu spielen.


Die Vereinigten Staaten von Amerika

Die USA haben sich nach ihrer Intervention im Irak im Mittleren Osten positioniert. Mit dem Sturz des Baath-Regimes hat sich ein Fenster für einen demokratischen, föderalen Irak geöffnet. Wir glauben, dass solch ein System für die nationale und kulturelle Vielfalt des Irak hervorragend geeignet wäre. Es könnte als Modell dafür dienen, wie sich die kulturellen Belange von Arabern, Kurden, Assyrern und Turkmenen miteinander vereinbaren lassen.
Die Entwicklung der Demokratie im Mittleren Osten wird außerordentlich profitieren von der Anerkennung der Kurden als Gegenstand des politischen und sozialen Lebens in der Türkei, im Iran und in Syrien ohne eine Änderung der Grenzen der jeweiligen Staaten.
Die USA können in dieser Hinsicht eine positive Rolle spielen.
Gerade aufgrund ihrer engen Beziehungen mit der Türkei können die USA konstruktiv für die Verwirklichung politischer Freiheiten arbeiten, wie sie von der Roadmap in Nordkurdistan skizziert werden. Wenn die Türkei die kurdische Frage angeht wird sie zur treibenden Kraft der Demokratisierung im Mittleren Osten werden, einer der Motivationen hinter der Intervention der USA in der Region.
Eine Konfrontation zwischen USA und KADEK wäre nur dazu dienlich, die Demokratisierung des Mittleren Ostens zu gefährden und den Status Quo zu bewahren. Während der letzten Jahrzehnte wurde deutlich, dass eine solche Politik für die Türkei nicht von Nutzen ist, sondern sogar wie im Falle der Intervention zu Gegensätzen zwischen den USA und der Türkei führen kann.
Eine Lösung der kurdischen Frage in der Türkei lässt sich nicht dadurch erreichen, dass man eine Konfrontation zwischen den USA und dem KADEK herbeiführt, sondern nur durch die Kooperation der USA und der Türkei bei der Behandlung dieser Frage und der ihr zugrunde liegenden Probleme mit demodemokratischen Mitteln. Wir möchten die USA auffordern, sich sowohl mit dem KADEK, als auch mit der Türkei in Verbindung zu setzen und sich für die Umsetzung dieser Roadmap zum Frieden einzusetzen. Wir glauben, dass ein solcher zweiseitiger Dialog bei der Umsetzung helfen kann.

Iran, Syrien und andere Staaten der Region

Die ungelöste kurdische Frage hängt wie ein Fluch über dem Mittleren Osten. Die Kurden haben in ihrer Geschichte wertvolle Beiträge zum Leben in dieser Region geleistet; die repressive Politik der Gegenwart hat den Völkern der Region nicht nur diese genommen, sondern raubt ihnen auch viel von ihrer Energie. Eine Beilegung der kurdischen Frage in Iran und Syrien wird nicht nur keine Teilung dieser Länder bedeuten, sondern ihnen neue Kraft geben. Auch sie sollten deshalb von ganzem Herzen die Umsetzung der Roadmap für die Türkei unterstützen. Darüber hinaus könnte eine ähnliche Roadmap, angepasst an die besonderen Bedingungen der jeweiligen Länder, auch für deren Probleme eine Lösung sein. Auch die übrigen arabischen Länder und Israel sollten die Roadmap unterstützen und beitragen zur Demokratisierung des Mittleren Ostens im Geiste der Brüderlichkeit.

Die kurdischen politischen Kräfte in Südkurdistan (Nordirak)

Der Sturz des Baath-Regimes hat den Prozess der Demokratisierung des Irak mit einem freien föderalen Kurdistan als Bestandteil beschleunigt. Die beste Garantie für die Freiheit des kurdischen Volkes ist jedoch die Demokratisierung des gesamten Mittleren Ostens. Länder, die sich der Demokratisierung widersetzen und die kurdische Frage nicht aufnehmen wollen, stellen sich ihrer Lösung hinderlich in den Weg. Die Demokratisierung ist deshalb ein wichtiger Bestandteil der Lösung der kurdischen Frage.
Aus diesem Grunde ist unsere Roadmap für die Parteien und Organisationen in Südkurdistan von unmittelbarer Bedeutung. In dem Maße, in dem sie Beziehungen mit KADEK aufrecht erhalten und es unterlassen, eine negative Rolle bei der Lösung des Problems in der Türkei zu spielen, steigen auch die Chancen für die Umsetzung der Roadmap. In dem Wissen, dass die Anwesenheit des KADEK in Südkurdistan die anderen kurdischen Organisationen nur stärkt, sollten sie allen türkischen Versuchen gegenüber, sich ihrer beim Angriff auf KADEK-Kräfte zu bedienen, wachsam sein.
Die kurdischen Kräfte in Südkurdistan sind in der Lage, die Umsetzung der Roadmap auf jeder Stufe zu unterstützen, wenn sie nur erkennen, dass damit Bedingungen geschaffen werden, die ihre eigene Freiheit sichern. Die Roadmap sollte daher als Sammlung von Leitlinien betrachtet werden für gesunde langfristige Beziehungen dieser Organisationen mit der türkischen Regierung.


Die demokratischen Kräfte in der Türkei

Die wichtigste Rolle bei der Umsetzung dieser Roadmap spielen all diejenigen, die ein Interesse an der politischen und wirtschaftlichen Stabilität der Türkei haben. Sie sollten verstehen, dass man diese Frage nicht den politischen Eliten überlassen darf. Politische Kräfte werden dann handeln, wenn sie glauben, es gebe ein positives Klima in der Öffentlichkeit, dass es ihnen erlaubt, Stellung zu beziehen. Gewerkschaften, zivile Initiativen, NGO, Intellektuelle und Künstler sollten deshalb ihre Unterstützung für dieses Projekt erklären und offen zu seinem Erfolg beitragen.
Leider gibt es ein großes Maß an Vorurteilen und Desinformation in der türkischen Öffentlichkeit, das sich für eine Lösung des Problems nachteilig auswirken kann. Es ist Sache der demokratischen Kräfte und der Medien, dabei zu helfen, dass diese überwunden werden.
In der gegenwärtigen Welt spielen die Medien eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, ein Gemeinwesen auf Veränderung vorzubereiten. Sie könnten alle Teile der Gesellschaft ermutigen weiterzumachen, indem sie die positiven Schritte widerspiegeln, die von Regierung und KADEK bei der Umsetzung gemacht werden und ihrem Publikum erklären, weshalb eine demokratische Lösung für die Türkei von Nutzen ist. Solange die Medien in dieser Frage keine positive Haltung einnehmen, scheinen uns die Wünsche der Kurden nach einem Leben in Einheit und Demokratie einseitig bleiben zu müssen. Die Medien spielen also eine Schlüsselrolle bei der Frage, wohin die gegenwärtige Situation führt: Frieden oder eine Neuauflage des Konflikts?

2. August 2003, KADEK Exekutivrat

Übersetzung aus dem Englischen: Internationale Initiative