Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.

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Pressemitteilung

 

Düsseldorf, 04. November 2003

 

Frauendelegation zur Prozessbeobachtung in der Türkei

Seit Heute Dienstag, den 4. November, befindet sich eine vom Kurdischen Frauenbüro für Frieden Cenî - e.V. organisierte Frauen Prozessbeobachtungs-Delegation in der Türkei. Es geht um einen Prozess vor dem hohen Gericht in Bingöl, in dem 125 Frauen wegen Verstoßes gegen das Versammlungs- und Demonstrationsgesetzes angeklagt sind.

Die Anklage geht zurück auf den Versuch einer Demonstration von Frauen aus 39 unterschiedlichen Organisationen im Juni d.J. in Bingöl. Damit wollten die kurdischen und türkischen Frauen, die zum überwiegenden Teil aus dem Westen der Türkei dort hingefahren sind, auf ihre Forderung nach einer Generalamnestie aufmerksam machen und am Ankunftsort der Demonstration sogenannte Friedenstische errichten, um einen Dialog auf offener Straße mit der Bevölkerung führen zu können.

Hintergrund der Initiative Unter dem Motto „Die Gewaltkultur zum Schweigen bringen“ wurden während der letzten Monate durch ein Bündnis verschiedener Frauenorganisationen, darunter kurdische, türkische, Frauen-, Lesben- und Transsexuellen-Organisationen, in verschiedenen Städten der Türkei die Initiative „Friedenstisch“ durchgeführt. Mit dem Aufruf zum Dialog mit der Bevölkerung in der Öffentlichkeit wollen sie – im Gegensatz zur langen Tradition militärischer Gewalt, die in der Türkei vorherrschend ist – eine Kultur des Friedens etablieren.

Aus einer Erklärung des Bündnisses: „Für eine Welt ohne Gewalt, in der sich jede/r sicher fühlt. Kommt, lasst uns diskutieren, wie wir die militaristische Gewalt aus unserem Leben verbannen und Frieden schließen können! Obwohl wir diese Erklärung zuvor schon in Istanbul, Adana, Diyarbakir und Ankara gehalten hatten, sind wir in Bingöl daran gehindert und festgenommen worden mit den Worten: Hier sind die Euch bekannten Gesetze nicht gültig"

Aufgrund dieses undemokratisch- und unrechtlichen Vorgehens möchten die Delegationsteilnehmerinnen aller Öffentlichkeit aber allen voran dem türkischen Staat mitteilen das die Entwicklungen in der Türkei nicht allen egal ist. Noch einmal möchten sie mit ihrem dasein, den türkischen Staat dazu auffordern ein Rechtsstaat zu werden und internationale Menschenrechtsabkommen einzuhalten. Sie wollen den 125 Frauen ihre Solidarität zeigen. Sie wollen Ihnen zeigen das es nicht falsch ist Frieden zu fordern und sich dafür einzusetzen.

Die Delegationsgruppe wird zunächst in Istanbul Gelegenheit zu Gesprächen mit Friedens- und MenschenrechtsaktivistInnen haben, wonach sie am 6. November weiter nach Diyarbakir fliegen werden, um an einer Aktion der dortigen Frauenplattform teilzunehmen. Am 7. November 2003 werden sie dem Prozess in Bingöl beiwohnen und sich anschließend einen Eindruck über die derzeitige Situation in Bingöl verschaffen können. Die Abreise erfolgt am folgenden Tag über Diyarbakir.

Während ihres Aufenthaltes in Istanbul ist die Delegation über folgende Mobiltelefonnummer erreichbar:

+0090-537-661 6379

Für Interviews und Fragen sind bereit:

Britta Wente und Inge Von Alvensleben

Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an unser Büro. Wir sind gerne bereit Ihnen weitere Informationen zu vermitteln.

Es folgt eine Übersetzung des Untersuchungsprotokolls aus den Prozessakten:

„Vorbereitende Aktenuntersuchung

Die Angeklagten der zivilen Gesellschaftsorganisation mit dem Namen Initiative zur Entwicklung eines Frauenstandpunktes haben am 16.06.2003, um 11.00 Uhr unsere Provinz betreten und sich im Zentrum der Provinz auf der Genc Caddesi vor dem Gebäude der Türkischen Telekom für eine „Kampagne zur Generalamnestie“ versammelt. Als die Beamten der Provinz-Sicherheitsbehörde eingreifen wollten, da sowohl die Versammlung als auch eine Demonstration ungesetzlich war, stiegen die Angeklagten aus ihren Fahrzeugen aus, führten applaudierend einen Sitzstreik durch und wollten eine Pressekonferenz durchführen. Da sie trotz der Hinweise der Beamten, dass sie mit der Kundgebung und der Pressekonferenz gegen den § 2911 verstößen und wenn sie sich nicht auflösen würden, ein rechtliches Verfahren gegen sie eingeleitet würde, erklärten, ihre Aktion auf jeden Fall fortsetzen und einen Friedenstisch aufbauen, eine Pressekonferenz und demonstrieren zu wollen, wurde gegen die Angeklagten eine Untersuchung eingeleitet. Nach Aktenlage haben damit alle Angeklagten gegen § 2911 des Versammlungs- und Demonstrationsgesetztes verstoßen.

Im Namen der Öffentlichkeit sind die Angeklagten nach den o.a. §§ gerichtlich einzeln zu verurteilen und über die beschlagnahmten Gegenstände gemäß § 36 des Türkischen Strafgesetzbuches zu entscheiden. 12.08.2003