Internationale Initiative
Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan

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Köln, 19. Januar 2004

INTERNATIONAL INITIATIVE BRIEFINGS:
PRÜFSTEIN FÜR EUROPA

„Öcalans Haftbedingungen widersprechen der Europäischen Menschenrechtskonvention“: Die in London ansässigen Öcalananwälte Mark Müller und Tim Otty im Gespräch mit der Nachrichtenagentur DICLE:


Nach langer Zeit konnten Sie ihren Mandanten zum ersten Male wieder besuchen. Welchen Eindruck hatten Sie von Abdullah Öcalan? Haben Sie einen Unterschied zu Ihrem letzten Besuch festgestellt?

Mark Müller: Nach anderthalb Jahren konnten wir zum ersten Mal wieder mit unserem Mandanten zusammentreffen. Der jetzige Besuch kam zu einer Zeit, die sowohl für die Türkei und Herrn Öcalan als auch für Europa kritisch ist. Wir trafen einen Menschen an, der voller Leben ist, obwohl er seit langem auf der Gefängnisinsel Imrali gefangen gehalten wird. Während seine Verwandten sich um seinen Gesundheitszustand sorgen, kämpft er gegen die außerordentlich schweren Haftbedingungen an. Bei unserem Besuch haben wir über das weiterhin vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängige Verfahren und über die aktuelle politische Entwicklung gesprochen. Die Haftbedingungen und der schlechte Gesundheitszustand unseres Mandanten waren weitere Gesprächsthemen.

Welchen Unterschied sehen Sie zwischen den Haftbedingungen Öcalans und den europäischen Standards im allgemeinen Strafvollzug? Welche Anstrengungen haben Sie zu einer Verbesserung der Haftbedingungen unternommen? Was sind Ihre diesbezüglichen Forderungen?

Mark Müller: Vor allem gilt der Gleichheitsgrundsatz. Die gegen Öcalan angewandte Isolationshaft steht im eklatanten Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Auch bei den Haftbedingungen gibt es Mindeststandards, die von den Vereinten Nationen und von der Europäischen Menschenrechtskonvention definiert wurden. Öcalan fordert von der Türkei nur die Einhaltung dieser Standards. Die Menschenrechtskonvention gesteht einem Gefangenen das Recht auf Familienbesuch, Zugang zu den Medien, auf einen angemessenen Freigang und anwaltliche Betreuung zu. Deshalb fordern wir, dass Öcalan dieselben Grundrechte wahrnehmen kann, die auch anderen Gefangenen zugestanden werden.
Mittlerweile hat der Europäische Gerichtshof am 12. März 2003 ein Urteil gefällt. In dem Gerichtsbeschluss wird zu einigen Punkten der Haftbedingungen Stellung genommen. Darauf hin haben wir erneut eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof eingereicht, die eine Verbesserung der Haftbedingungen zum Ziel hat. Des Weiteren fordern wir von den Verantwortlichen der EU die politische Rolle Abdullah Öcalans zur Kenntnis zu nehmen und dies auch von der Türkei zu verlangen.

Tim Otty: Ich gehöre ebenfalls zu den Anwälten, die Öcalan vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vertreten. Wie Sie wissen, haben wir beim Gerichtshof Widerspruch gegen das am 12. März 2003 ergangene Urteil eingelegt. Mit aller Wahrscheinlichkeit werden wir gegen Ende dieses Jahres eine Antwort erhalten. Unsere Eingaben im Gerichtsverfahren konzentrieren sich auf die Umstände der Entführung Öcalans in Nairobi und seine Verbringung in die Türkei.

Hat Ihnen Öcalan eine spezielle Botschaft mitgegeben?

Mark Müller: In den letzten fünf Jahren gab Abdullah Öcalan ausschließlich ausgewogene Statements ab. Sie bezogen sich allesamt auf den Frieden, auf eine Einigung und auf eine demokratische Lösung. Mir sagte er, dass Europa die kulturellen Grundrechte der Kurden anerkennen muss. Abgesehen davon gab es im Verfahren des letzten Jahres einige Unstimmigkeiten, die so nicht hingenommen werden können. Deshalb fordert Abdullah eine gerechtere Vorgehensweise des Gerichtes und die Möglichkeit einer persönlichen Darlegung der an den Kurden begangenen systematischen Menschenrechtsverletzungen. Im Rahmen dieser Forderung hat die Türkei nichts von Öcalan zu befürchten.

Was erwartet Abdullah Öcalan von Ihrer Tätigkeit?

Mark Müller: Er erwartet, dass wir seine Rechte als Mensch ebenso wie die Menschenrechte im Allgemeinen innerhalb der vom Recht bestimmten Grenzen verteidigen. Dies tun wir bereits. Im europäischen Kontext muss man das Öcalanverfahren genauso wie das Verfahren von Leyla Zana betrachten. Für die europäischen Verantwortlichen gilt das Verfahren von Leyla Zana als ein Test für die Türkei in Fragen der Menschenrechte, Gefangenenrechte und bürgerlichen Freiheiten. Gleichzeitig ist dies auch ein Test für die Europäische Union. An diesem Verfahren lässt sich erkennen, ob die Türkei schon den Stand für eine Aufnahme in die EU erreicht hat. Wir unsererseits wollen aber auch, dass sich die Türkei an ihre eigenen Gesetze hält und die beschlossenen Reformen tatsächlich umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang fordern wir die Verlegung Abdullah Öcalans in ein anderes Gefängnis, wo er mit anderen Gefangenen kommunizieren kann. Ich glaube, dass dies innerhalb der nächsten zwei Jahre möglich sein wird. In dieser Frage bin ich optimistisch.

Können Sie etwas über die Schwierigkeiten sagen, die mit der Überfahrt auf die Insel verbunden waren?

Mark Müller: Wir waren mit ernsthaften Schwierigkeiten konfrontiert. So gab es immer wieder Probleme mit der zeitlichen Abstimmung unserer Anreise. Eine angemessene Betreuung unseres Mandanten wurde uns weitgehend erschwert. Nun sind wir jedoch erst ein mal froh, mit unserem Mandanten zusammengetroffen zu sein.

Tim Otty: Es wurden außerordentliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Die Überfahrt hat zwei bis drei Stunden gedauert. Wir konnten allerdings feststellen, dass die Insel zu jeder Zeit mit dem Helikopter erreicht werden kann.


Quelle: DIHA, 16. Januar 2004; Übersetzung: Internationale Initiative "Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan"