04.März 2004
OVG
Münster entschied gegen Verfassungsschutz NRW
Das
Revisionsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht (OLG) Münster
ist für Anja Flach erfolgreich zu Ende gegangen. Das Landesamt
für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen (VS NRW) hat die
Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Klägerin hatte sich
1995 der kurdischen Frauenarmee angeschlossen und in verschiedenen
Gebieten Kurdistans am Befreiungskampf der Kurdinnen und Kurden
teilgenommen. Ende 1997 ist sie mit anderen deutschen Internationalist(inn)en
nach Deutschland zurückgekehrt. Die Bundesanwaltschaft hatte
während dessen gegen alle ein Ermittlungsverfahren mit dem
Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
(§ 129a Strafgesetzbuch) eingeleitet. Im Zuge der Ermittlungen
wurde u. a. auch die Wohnung von Anja Flach von Beamten des Bundeskriminalamtes
(BKA) durchsucht und hierbei zahlreiche persönliche Aufzeichnungen
sowie zwei Tagebücher beschlagnahmt. Offensichtlich hat das
BKA diese Materialien an den Verfassungsschutz NRW weitergereicht.
Denn in der Zeit vom 11. Februar bis zum 8. März 2000 stellte
die Behörde eine Broschüre mit dem Titel „Von
den Bergen in die Metropole – Motive, Denkstrukturen und
Ziele deutscher Kurdistanbrigadisten“ auf ihre Internetseite.
Diese enthielt auch ein vollständiges persönliches Tagebuch
von Anja Flach. Weil sie sich hierdurch in ihren Persönlichkeitsrechten
schwerwiegend verletzt gesehen hatte, erstattete sie Strafanzeige
gegen das Land NRW. Auch die NRW-Datenschutzbeauftragte kam zu
dem Schluss, dass die nicht genehmigte Veröffentlichung unrechtmäßig
sei. Der VS hingegen erklärte, er wolle sich vorbehalten,
auch weiterhin die Aufzeichnungen zu veröffentlichen.
In
der Verhandlung am 9. Mai 2003 vor dem Verwaltungsgericht (VG)
Düsseldorf erklärte der VS seinen Verzicht auf eine
weitere Veröffentlichung wegen „des zeitlichen Ablaufs“:
sie habe ihren Zweck erfüllt. Die Klage wurde zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung hat Anja Flach Revision eingelegt.
Das
OVG Münster erklärte im Revisionsprozess vom 3. März
2004 die Veröffentlichung der persönlichen Aufzeichnungen
nun für rechtswidrig; die Nennung des Codenamens (Pelda)
sowie des Geburtsdatums der Klägerin seien nicht notwendig
gewesen. Der VS sagte auf Antrag des Verteidigers zu, die Vernichtung
des dort immer noch vorrätig gehaltenen Tagebuches „wohlwollend
zu prüfen“ und die Klägerin innerhalb von drei
Monaten über das Ergebnis zu informieren. Im übrigen:
Die Ermittlungen nach § 129a wurden am 26. März 2001
„mangels hinreichenden Tatverdachts“ eingestellt.
Anja
Flach hat ihre Erinnerungen in einem Buch veröffentlicht,
das im vergangenen Jahr unter dem Titel „Jiyanekê
din – ein anderes Leben“ erschienen und im Buchhandel
erhältlich ist.