Presseerklärung
Genf,
11.03.2004
Morde unbekannter Täter erneut auf der Tagesordnung der
Türkei
Imam Boztat wurde vor zwei Tagen (am 8. März) im Xozun Dorf
bei Mazgirt in Dersim von zwei maskierten Personen ermordet. „Ich
war draußen um Holz zu holen. Dort sah ich zwei maskierte
Personen, die Waffen hatten. Ich ging ins Haus. Einige Minuten später
klopfte es an der Tür. Als ich die Tür öffnete, standen
zwei Personen vor der Tür. „Wohnt Imam hier?“ fragten
sie. Als ich bejahrte, sagten sie „Wir sind seine Freunde
und müssen ihn sehen.“ Gerade als ich verneinte, kam
mein Sohn unwissend aus dem Zimmer. Sie sagten ihm, er solle mit
ihnen kommen, sie hätten etwas zu besprechen. Mein Sohn wollte
nicht mit ihnen gehen. Er sagte: „Was soll ich mit euch sprechen,
ich kenne euch gar nicht.“ Als mein Sohn gerade die Tür
schließen wollte, schossen sie 5 mal auf ihn. Er brach zusammen.
Ich wusste nicht, was ich machen sollte, war erschrocken und habe
nur geweint,“ meinte später seine Mutter Fidan Boztat.
In letzte Zeit haben Meldungen über Verschleppung, Folter,
Bedrohung, Scheinexekutionen, Vergewaltigung von oppositionellen
Menschen in der Türkei und speziell in den kurdischen Gebieten
zugenommen. Nach einem Bericht des Menschenrechtsvereins IHD verloren
allein im Osten und Südosten des Landes im Februar 4 Personen
ihr Leben durch Morde, die von unbekannten Tätern verübt
wurden.
Anfang der 90er Jahre lauerte der Tod in den kurdischen Städten.
Am hellen Tag wurden täglich Dutzende Menschen durch Axthiebe
auf den Kopf oder mit einem Schuss in den Hinterkopf hingerichtet.
Die Zahl der Opfer wird mit Tausenden beziffert. Im Krieg gegen
die kurdische Befreiungsbewegung PKK organisierte der türkische
Staat paramilitärische Kräfte wie die JITEM oder duldete
bzw. unterstützte Kräfte wie die Hizbullah. Diese operierten
in den kurdischen Gebieten mit dem Ziel der Vernichtung der PKK
und gingen später auch gegen Intellektuelle, Unternehmer, Politiker
und Geistliche vor, die eine positive Einstellung zur kurdischen
Frage hatten.
Ohne dass das Verbrechen der jüngsten Geschichte aufgeklärt
wurden, ohne dass der Staat ernsthaft und glaubhaft Abstand von
diesen Methoden genommen hätte, setzen in der Türkei bestimmte
Kräfte erneut auf die selben jahrelang angewandten Terrormethoden.
Und auch heute bleiben die Täter wie damals im Dunklen. Diese
Tatsache erschreckt - vor allem vor dem Hintergrund der angeblichen
Verbesserungen der Menschenrechte in der Türkei. Wie kann in
der Türkei von Fortschritt die Rede sein, wenn die Anpassungsgesetze
von solchen Taten überschattet und beschmutzt werden.
Die Türkei muss die Geschichte ihres schmutzigen Krieges aufarbeiten.
Es ist eine Verhöhnung dass Personen wie Tansu Ciller (ehem.
Ministerpräsidentin der Türkei) und Mehmet Agri (ehemaliger
Innenminister und heute Vorsitzender der DYP), die damals die politische
Verantwortung trugen, sich heute noch immer unbehelligt im Licht
der Öffentlichkeit bewegen können.
Das KURD-CHR fordert die Arbeit eine unabhängige Wahrheitskommission,
die die Verbrechen gegen die Zivilgesellschaft aufklärt und
die Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht.