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Hamburg, 10. Mai 2004

Freiheit für Nuriye Kesbir – keine Auslieferung in die Türkei

Kurdische yezidische Politikerin und Mitglied des Exekutivrates des KONGRA-GEL soll in die Türkei ausgeliefert werden

Nuriye Kesbir ist Mitglied des Exekutivrates des Volkskongresses Kurdistans – KONGRA-GEL und seit vielen Jahren aktiv in dem Bemühen um eine politische Lösung der kurdischen Frage und vor allem in der Organisierung der kurdischen Frauen.
Nuriye Kesbir kam im September 2001 in die Niederlande und beantragte politisches Asyl. Doch schon am Flughafen wurde sie festgenommen. Die Türkei forderte ihre Auslieferung, ihr Antrag in den Niederlanden auf Asyl wurde abgelehnt. Von September 2001 bis Dezember 2002 saß Nuriye Kesbir in Zwolle/Holland in Haft. Ihr wurden verschiedene militärische Aktionen im Rahmen der PKK zur Last gelegt, an denen sie in führender Position beteiligt gewesen sein soll. Nuriye Kesbir bestritt die Vorwürfe und erklärte im Rahmen der kurdischen Bewegung vor allem für die Organisierung der Frauen zuständig gewesen zu sein. Am 10. Dezember 2002 erklärte der zuständige Richter zunächst: „Das Gericht hat festgestellt, dass die Beschuldigungen gegen Kesbir durch den türkischen Staat haltlos sind. Die Mitgliedschaft Kesbirs in der PKK stellt in Holland keinen Strafbestand dar, weil die PKK in Holland keine verbotene politische Organisation ist. Die politischen Aktivitäten Kesbirs stellen in Holland ebenfalls keinen Strafbestand dar.“ Der Haftbefehl wurde am 17. Dezember 2002 aufgehoben.
Die Türkei erhob Einspruch und lieferte angebliche neue Belege für die Aktivitäten Kesbirs. Die Vorwürfe der Türkei beruhen in erster Linie auf den Aussagen Semdin Sakiks, eines ehemaligen PKK-Kommandanten, der sich in türkischer Haft befindet und sich als Kronzeuge zur Verfügung stellte. Sakik ist für eine Reihe von Vorfällen verantwortlich, die von der PKK selbst als Verbrechen eingestuft worden sind, darunter der Mord an 33 unbewaffneten türkischen Soldaten im Jahr 1993, womit gleichzeitig eigenmächtig der von der PKK einseitig ausgerufene Waffenstillstand gebrochen und ein Frieden in Kurdistan erneut in weite Ferne gerückt wurde.
Damit ihr Verfahren in ihrer Auslieferungsangelegenheit endlich ein Ende findet, ging Nuriye Kesbir trotz der Gefahr einer erneuten Festnahme zu der Gerichtsverhandlung am 5. März 2004, auf der über ihre Auslieferung entschieden werden sollte. Vor dem Gerichtsgebäude wurde sie erneut festgenommen und befindet sich seitdem in Haft in Breda.
Am 7. Mai wurde vor dem Kassationsgericht in Den Haag entschieden, dass dem Antrag der Türkei stattgegeben wird und Nuriye Kesbir in die Türkei ausgeliefert werden kann. Begründet wurde die Verurteilung mit der angeblichen Teilnahme Kesbirs an „25 PKK-Anschlägen zwischen 1993 und 1995 gegen militärische Ziele im Osten des Landes“. Mit der jetzigen Entscheidung verband der Oberste Gerichtshof die Empfehlung an Justizminister Donner, sich in Ankara um Garantien für ein faires Verfahren gegen Kesbir zu bemühen. Nuriye Kesbir trat aus Protest gegen die Entscheidung sofort in den Hungerstreik.
Zahlreiche kurdische Organisationen, darunter der KONGRA-GEL, die Föderation der Demokratischen Alewiten, das kurdische Frauenbüro für Frieden und das yezidische Kulturzentrum protestierten gegen die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Holland. Die Entscheidung wird im Zusammenhang mit der Entscheidung der Europäischen Union bewertet den KONGRA GEL auf die Liste der terroristischen Organisationen zu setzen. Die kurdischen Organisationen weisen auf die unzähligen Fälle von Folter und sexuellen Übergriffen gegen Gefangene hin, die auch in zahlreichen Urteilen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes dokumentiert sind. Auch wenn Nuriye Kesbir der Todesstrafe entgeht, so sind ihr Folter und lebenslange Haft sicher. Als einer Frau, die sich mit der Unterdrückung nicht abfindet und als Yezidin, die in der Türkei doppelt verfolgt werden, ist der Hass ihrer künftigen Verfolger voraussehbar. Es gibt keine Garantien für ein faires Verfahren in der Türkei.
Eine Auslieferung Nuriye Kesbirs in die Türkei bedeutet die Türkei in ihrer Logik der Vernichtung, Verleugnung und Vertreibung der Kurden zu bestärken statt den kurdischen Bemühungen um eine politische und demokratische Lösung Rechnung zu tragen. Wir fordern die sofortige Freilassung Nuriye Kesbirs und ihre Anerkennung als Asylberechtigte.


Wir rufen alle auf gegen diese Entscheidung beim holländischen Justizminister zu protestieren:

Jan Piet Hein Donner (Justizminister)
Justizministerium
Postbus 20301
2500 EH Den Haag
Tel: 0031 – 70 - 3 70 7911
Fax: 0031 - 70 - 370 79 37


Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kto.Nr.: 3968-506