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UA-Nr: UA-177/2004
AI-Index: EUR 44/019/2004
Datum: 19.05.2004

MISSHANDLUNG / MORDDROHUNGEN


Türkei:

B.P., zwölfjähriges Mädchen (zum Schutz des Opfers wird der Name nicht genannt)
und ihre Familie

Die zwölfjährige B.P., deren vollständiger Name zu ihrem Schutz nicht genannt wird, und Mitglieder ihrer Familie haben Berichten zufolge Drohungen erhalten, nachdem das Mädchen eine Beschwerde eingelegt hatte, weil sie nach ihren Angaben von Polizisten Diyarbakir brutal geschlagen worden ist. amnesty international ist daher in ernster Sorge um ihre Sicherheit.

B.P. ist am 19. Februar 2004 dem Vernehmen nach auf der Straße in Diyarbakir, im Südosten der Türkei, von Personen mit Funkgeräten verschleppt worden. Ihre Entführer verbanden ihr die Augen und fuhren mit ihr in einem Auto davon. Sie fragen sie nach dem Aufenthaltsort ihrer Schwester, und als das Mädchen nicht antwortete, schlugen sie ihr auf den Mund und die Knie, sodass ihr Mund heftig zu bluten anfing. Dann brachte man sie an einen Ort, vermutlich die Anti-Terror-Abteilung der Polizeizentrale von Diyarbakir, wo man zunächst ihre Mundverletzung versorgte, sie dann aber erneut geschlagen und bedroht wurde. Später am Tag ließ man sie wieder frei.

Als B.P das lokale Büro des „Türkischen Menschenrechtsvereins” (Insan Haklari Dernegi - IHD) aufsuchte, war sie nicht in der Lage zu sprechen und musste ihr Anliegen schriftlich vorbringen. In einer medizinischen Untersuchung wurden ihre Verletzungen bestätigt. Nachdem der IHD für das Mädchen eine Beschwerde beim Staatsanwalt eingereicht hatte, erhielten das Mädchen und ihre Familie, die außerhalb von Diyarbakir wohnt, fünf oder sechs Telefonanrufe von Personen, die sich fälschlicherweise als IHD-Mitarbeiter ausgaben und sie aufforderten, nach Diyarbakir zu kommen. Am 19. Mai 2004 suchte B. und ihre Mutter im IHD-Büro um Rat. Die türkische Menschenrechtsorganisation benachrichtigte daraufhin per Fax amnesty international. Kurz danach erhielt B.P. offenbar einen anonymen Anruf. Der Anrufer soll zu dem Mädchen gesagt haben: „Warum hast du dich an amnesty international gewandt? Das wird nun schlimme Folgen für dich haben“.

HINTERGRUNDIINFORMATIONEN

In jüngster Zeit sind in der Türkei mehrere Gesetzesreformen eingeleitet worden, welche im Falle ihrer ordentlichen Umsetzung wichtige Maßnahmen gegen Folter und Straffreiheit beinhalten. Zu den Gesetzesänderungen gehören Reformen bei den Bestimmungen bezüglich der Inhaftierung von Personen. Unter anderem beinhalten sie eine Verkürzung der Untersuchungshaft, und alle Gefangenen sollen sofort nach der Festnahme das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten.

Dennoch gehen amnesty international weiterhin zahlreiche Berichte über Misshandlungen und Folterungen im Gewahrsam der Polizei und der Gendarmerie zu. Zudem werden immer wieder Vorwürfe über die mangelnde Umsetzung der neuen Bestimmungen vorgebracht. Besonders besorgniserregend ist die gängige Praxis, die Inhaftierung von Personen nicht offiziell zu registrieren, so dass der Verbleib der inhaftierten Person nicht nachvollzogen werden kann. Diese Gefangenen werden dann gewöhnlich nicht auf eine Polizeiwache gebracht, sondern an andere Haftorte oder in Polizeiautos oder Fahrzeugen ohne Nummernschild herumgefahren. Auf diese Weise umgehen einige Beamte mit Polizeibefugnissen die neuen Bestimmungen, die Misshandlungen und Folter verhindern sollen. amnesty international liegen außerdem zahlreiche Berichte über Fälle vor, in denen Opfer oder deren Familienangehörige bedroht oder misshandelt worden sind, nachdem sie Anzeigen wegen Misshandlungen oder Folterungen gegen Polizisten erstattet hatten.

EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe oder Luftpostbriefe, in denen Sie
o sich angesichts der Berichte über die Entführung und Misshandlung der zwölfjährigen B.P. tief besorgt zeigen;
o fordern, dass in Abstimmung mit dem Mädchen und ihrer Familie umgehend Maßnahmen eingeleitet werden, um ihre Sicherheit zu gewährleisten;
o die Behörden auffordern, eine umfassende und unabhängige Untersuchung der Drohungen einzuleiten, die Ergebnisse der Ermittlungen zu veröffentlichen und die Verantwortlichen zu ermitteln und vor Gericht zu stellen;
o Ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen, dass die Drohungen offenbar mit der Beschwerde in Zusammenhang stehen, welche das Mädchen wegen Misshandlung durch die Polizei eingereicht hat;
o die Behörden daran erinnern, dass die Türkei das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe 1988 ratifiziert hat und somit verpflichtet ist, Folterer strafrechtlich zu verfolgen (Artikel 4 und 5) sowie Opfer, Beschwerdeführer und Zeugen in Verfahren gegen mutmaßliche Folterer zu schützen (Artikel 13).

APPELLE AN:

Herrn Abdulkadir Aksu, Ministry of Interior, Icisleri Bakanligi, 06644 Ankara, TÜRKEI
(Innenminister – korrekte Anrede: Dear Minister)
Telefax: (00 90) 312 418 1795

Herrn Orhan Okur, Diyarbakir Emniyet Müdürü, Diyarbakir Emniyet Müdürlügü, Diyarbakir, REPUBLIK TÜRKEI (Polizeichef von Diyarbakir – korrekte Anrede: Dear Chief of Police)
Telefax: (00 90) 412 232 3206

Herrn Nusret Miroglu, Diyarbakir Valisi, Valilikler, Diyarbakir, TÜRKEI (Gouverneur von Diyarbakir)
Telefax: (00 90) 412 222 2288

KOPIEN AN:

Herrn Abdullah Gül, Office of the Prime Minister, Basbakanlik, 06573 Ankara, TÜRKEI
(Minister und Beauftragter für Menschenrechtsfragen – korrekte Anrede: Dear Minister)
Telefax: (00 90) 312 417 0476

Botschaft der Republik Türkei, Rungestraße 9, 10179 Berlin
(S. E. Herrn Mehmet Ali Irtemcelik)
Telefax: 030-2759 0915
E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 30. Juni 2004 keine Appelle mehr zu verschicken.

RECOMMENDED ACTION: Please send appeals to arrive as quickly as possible, in English or your own language:

- expressing concern at the reported abduction and ill-treatment of B.P.;

- calling for immediate steps be taken to guarantee the safety of her and her family, in accordance with their wishes;

- urging the authorities to conduct a full and impartial investigation into the threats, for the results to be made public and for those responsible to be brought to justice;

- expressing concern that the threats appear to be related to a complaint made by B.P. about police ill-treatment;

- reminding the authorities that they ratified the UN Convention against Torture in 1988, and are obliged to bring alleged torturers to justice (Articles 4 and 5), and to protect victims, plaintiffs and witnesses in torture trials (Article 13).

 

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Spendenkonto: 80 90 100 - BfS Köln - BLZ 370 205 00