Urgent Action UA-Nr:
UA-195/2004 SORGE UM SICHERHEIT / FOLTER / MUTMASSLICHER STAATLICHER MORD
gefährdet:
getötet: amnesty international sieht Anlass zu großer Sorge um die Sicherheit der oben genannten vier Männer, nachdem ein fünfter Mann, Siyar Perinçek, staatlichem Mord zum Opfer gefallen sein soll. Die vier Männer werden Berichten zufolge seit dem 1. Juni 2004 in „Adana Kürkçüler“, einem Gefängnis des Typs F, im Süden der Türkei festgehalten. Seit ihrer Festnahme sind zwei der Männer Berichten zufolge gefoltert worden, ein dritter Gefangener soll sich in Einzelhaft befinden. Am 28. Mai 2004 waren Siyar Perinçek und Nurettin Basçi auf einem Motorrad in der Stadt Adana unterwegs, als Berichten zufolge ein Fahrzeug der Marke Volkswagen, in dem Sicherheitsbeamte in Zivil saßen, zu ihnen aufschloss. Die Insassen des Fahrzeugs sollen die Wagentür geöffnet und so das Motorrad zum Sturz gebracht haben. Nurettin Basçi konnte weglaufen, während Siyar Perinçek nicht in der Lage war, aufzustehen. Augenzeugenberichten zufolge stieg daraufhin ein Mann, der ein graues T-Shirt und eine Sonnenbrille trug, aus dem Fahrzeug aus, kniete sich auf Siyar Perinçek, der mit dem Kopf nach unten auf dem Boden lag, und schoss ihm in die rechte Rückenseite. Danach sammelte er die Patronenhülsen auf. Nurettin Basçi wurde unweit das Tatorts von Polizisten in Zivil festgenommen, die dem Volkswagen in einem Polizeifahrzeug ohne Kennzeichen gefolgt waren. Kurz darauf trafen uniformierte Polizisten ein, die das Gebiet absperrten. Der verletzte Siyar Perinçek wurde festgenommen, und die Polizisten riefen einen Krankenwagen, der ihn ins Krankenhaus von Adana bringen sollte. Der Krankenwagen traf nach über 20 Minuten ein. Trotz seiner schweren Verletzung wurde Siyar Perinçek nach vorliegenden Informationen von Polizisten aus dem Krankenhaus geholt, und zu mindestens zwei Orten gebracht, um sie zu den Häusern mutmaßlicher Komplizen zu führen. Danach brachte man ihn wieder ins Krankenhaus. Mehmet Kahvecioðlu und Veli Karadeniz, die zu den als vermeintliche Komplizen identifizierten Personen gehörten, wurden ebenfalls festgenommen. Gazi Aydin, der auch Verbindungen zu der Gruppe haben soll, wurde am selben Tag festgenommen. Menschenrechtsverteidigern, die ªiyar Perinçek besuchen wollten, wurde sowohl der Zugang zu dem Verletzten als auch zu Schwestern oder Ärzten verwehrt. Siyar Perinçek erlag am Nachmittag des 30. Mai 2004 seinen Verletzungen. Berichten zufolge hatte er nicht die erforderliche fachärztliche Betreuung erhalten. Nach ihrer Festnahme wurden Nurettin Basçi, Gazi Aydin, Mehmet Kahvecioglu und Veli Karadeniz zur Anti-Terrorabteilung der Polizeizentrale von Adana gebracht. Berichten zufolge hat man Nurettin Basçi and Gazi Aydin dort gefoltert. Bei Nurettin Basçi wurde die unter der Bezeichnung „palästinensisches Aufhängen“ bezeichnete Foltermethode angewandt, wobei das Opfer mit auf dem Rücken gefesselten Händen aufgehängt wird. Zudem wurde er mit einem Hochdruckwasserstrahl abgespritzt und mit Elektroschocks an Fingern, Zehen und Geschlechtsteilen gequält, und man drohte ihm mit Vergewaltigung. Nach vorliegenden Informationen brachte man ihn von der Polizeiwache an einen verlassenen Ort, wo man ihm drohte, ihn zu töten, und ihn Scheinhinrichtungen aussetzte, indem man mehrere Schüsse in der Nähe seines Kopfes abfeuerte. Aufgrund der Folterungen soll Nurettin Basçi schwere Prellungen und Blutergüssen an Schultern, Armen und Rücken erlitten haben. In jüngster Zeit sind in der Türkei mehrere Gesetzesreformen eingeleitet worden, welche wichtige Maßnahmen gegen Folter und Straffreiheit beinhalten. Zu den Gesetzesänderungen gehören Reformen bei den Bestimmungen bezüglich der Inhaftierung von Personen. Unter anderem beinhalten sie eine Verkürzung der Untersuchungshaft, und alle Gefangenen sollen sofort nach der Festnahme das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten. Dennoch wurde den Rechtsanwälten von Nurettin Basçi nur ein kurzer Besuch bei ihrem Mandanten in der Haft gewährt. Zudem sollen bei der medizinischen Untersuchung von Nurettin Basçi Polizisten anwesend gewesen sein, obwohl das türkische Recht vorschreibt, dass sie während der Untersuchung eines Gefangenen vor der Tür bleiben müssen. Am 1. Juni 2004 wurden Nurettin Basçi, Gazi Aydin, Mehmet Kahvecioglu und Veli Karadeniz sowie mehrere weitere Gefangene in die Untersuchungshaft im F-Ty-Gefängnis „Adana Kürkçüler“ überstellt. Die gegen sie erhobenen Anklagen lauten auf „Mitgliedschaft in einer verbotenen Vereinigung“ und „Unterstützung einer verbotenen Vereinigung“. Die Organisation, auf die sich die Anklage bezieht, ist die bewaffnete Organisation „Volkskongress Kurdistans“ (Kongra-Gel), die vormals den Namen „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) trug. Laut Angaben von Rechtsanwälten wird Gazi Aydin in Einzelhaft gehalten. Berichten zufolge hat man ihn während der Haft zwei Mal aus dem Hauptgefängnis abgeholt, um mit Angehörigen der Gendarmerie zu sprechen, was einen Verstoß gegen türkische Rechtsvorschriften darstellt. Die Angehörigen der Gendarmerie sollen Gazi Aydin unter Druck gesetzt haben, für sie als Informant tätig zu werden. HINTERGRUNDIINFORMATIONEN Der Konflikt zwischen den türkischen Behörden und der PKK führte in den 80er und 90er Jahren zu schweren Menschenrechtsverletzungen, darunter die systematische Misshandlungen und Folterung von Gefangenen, Fälle von „Verschwindenlassen“ und staatlichem Mord. Nach der Festnahme des PKK-Führers Abdullah Öcalan durch die türkischen Sicherheitskräfte im Jahr 1999 hat die PKK einen Waffenstillstand erklärt. Seitdem ist auch die Zahl der Verstöße immer weiter gesunken. EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe oder Luftpostbriefe, in denen Sie
APPELLE AN:
Mr Cemil Çiçek, Ministry of Justice, Adalet Bakanligi,
06659 Ankara, TÜRKEI
Herrn Abdulkadir Aksu, Ministry of Interior, Içisleri Bakanligi,
06644 Ankara, TÜRKEI
Mr Abdullah Gül, Foreign Minister and State Minister for Human
Rights, Office of the Prime Minister, Basbakanlik, 06573 Ankara, TÜRKEI
(Außenminister – korrekte englische Anrede: Dear Minister) KOPIEN AN:
Botschaft der Republik Türkei, Rungestraße 9, 10179 Berlin
(S. E. Herrn Mehmet Ali Irtemcelik) Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. Juli 2004 keine Appelle mehr zu verschicken.
RECOMMENDED ACTION: Please send appeals to arrive as quickly as possible,
in English or your own language: |
|||
amnesty
international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn Telefon: 0228/983 73-0 - Telefax: 0228/63 00 36 - E-mail: info@amnesty.de Spendenkonto: 80 90 100 - BfS Köln - BLZ 370 205 00 |