Antrag
auf Asyl für Nuriye Kesbir auch vom Kassationsgericht abgelehnt
Die
Entscheidung des Justizministers über die Auslieferung in die
Türkei wird in Kürze gefällt
Setzen
Sie sich verstärkt gegen die Auslieferung Nuriye Kesbirs an
die Türkei ein!
Nuriye Kesbir
ist gewähltes Mitglied des Exekutivrates des Volkskongresses
Kurdistans – KONGRA-GEL und seit vielen Jahren aktiv in dem
Bemühen um eine politische Lösung der kurdischen Frage
und vor allem in der Organisierung kurdischer Frauen.
Am 25. September 2001 reiste sie in die Niederlande und beantragte
dort politisches Asyl. Während ihres Antragsverfahrens beantragte
der türkische Staat seinerseits die Auslieferung Kesbirs wegen
angeblicher Beteiligung an verschiedenen militärischen Aktionen
der PKK. Anstatt Asyl zu bekommen war Nuriye Kesbir seit ihrer Einreise
September 2001 in der Justizvollzugsanstalt Zwolle inhaftiert, bis
ein Amsterdamer Gericht im Dezember 2002 die Auslieferungsbegründung
als unglaubwürdig zurückwies und Kesbir freisprach. Die
Staatsanwaltschaft legte gegen diese Entscheidung Revision ein.
Am 5. März erschien Kesbir zu einer Gerichtsverhandlung über
ihre Auslieferungsangelegenheit und wurde noch vor dem Gerichtsgebäude
festgenommen und in der Justizvollzugsanstalt Breda inhaftiert.
Am 7. Mai beschloss schließlich das Kassationsgericht in Den
Haag die Auslieferung von Kesbir an die Türkei unter der Bedingung,
dass die Türkei garantiere, sie nicht zu foltern oder zu misshandeln
und ihr einen fairen juristischen Prozess zu ermöglichen. Nun
liegt die letzte Entscheidung beim niederländischen Justizminister
Donner.
Nuriye Kesbir begann einen Hungerstreik gegen Ihre Auslieferung,
den sie nach 34 Tagen am 10. Juni unterbrach, um der holländischen
Regierung Spielraum für eine Entscheidung zu lassen.
Zehntausende Protestbriefe, Faxe etc. waren beim Justizministerium
eingetroffen, Tausende demonstrierten in Europa vor den holländischen
Konsulaten. Viele Frauen- und Menschenrechtsorganisationen intervenierten.
Die UN-Menschenrechtskommission, Amnesty International und Human
Rights Watch sprachen sich gegen eine Auslieferung Kesbirs aus.
Das Kassationsgericht in Holland lehnte am 23. Juli 2004 das Asylbegehren
endgültig mit der Begründung ab, Nuriye Kesbir sei als
Führungsmitglied der PKK für Kriegsverbrechen verantwortlich.
Entscheidend für die Ablehnung sind insbesondere Anschuldigungen
der türkischen Regierung gegen die kurdische Freiheitsbewegung,
gegenstandslose Behauptungen über angebliche Aktivitäten
von Frau Kesbir und absurde Interpretationen ihrer Prozesserklärungen.
Gerade die türkische Regierung aber ist einer Vielzahl von
Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen überführt
und z.B. durch den internationalen Gerichtshof für Menschenrechte
verurteilt worden.
Völlig außer Acht gelassen wird auch, dass die PKK im
Gegensatz zur türkischen Regierung schon im Januar 1995 die
4.Genfer Konvention mit dem Zusatzprotokoll von 1977 ratifiziert
hat und diese als Maßstab für die Bedingungen des Krieges
und der Behandlung von Kriegsgefangenen anerkennt. Ignoriert wird
ebenfalls, dass im Zuge der Friedensbemühungen der kurdischen
Seite ein Vorschlag zur Einrichtung einer Versöhnungskommission
zur Aufdeckung von Kriegsverbrechen beider Seiten existiert und
selbst Abdullah Öcalan sich bereit erklärt hat, sich in
diesem Sinne einem internationalen Strafgericht zur Verfügung
zu stellen.
Seit einigen Tagen steht der niederländische Regierungschef
Balkenende der Europäischen Union vor. Eine der wichtigsten
Fragen seiner Amtszeit wird die bis Ende des Jahres anstehende Entscheidung
der EU sein, ob mit der Türkei Verhandlungen über einen
Beitritt aufgenommen werden sollen.
Zudem sind die Niederlande ein Hauptumschlagplatz für Waffenexporte
und Importe in die EU. So wurden auch die berüchtigten Cluster-Bombs,
hergestellt im deutschen Liebenau, über die Niederlande an
die Türkei verkauft.
Es bleibt zu fragen, ob der Grund für die einseitige Schuldzuweisungen
und Ungleichbehandlung Nuriye Kesbirs und der anhaltenden Ignoranz
der Friedensbemühungen der kurdischen Freiheitsbewegung nicht
doch mehr durch die politischen und ökonomischen Interessen
der niederländischen Regierung bestimmt wird als von rechtlichen
Normen.
Nuriye Kesbir sagte in ihrer Erklärung nach dem Urteil im Auslieferungsverfahren
am 7 Mai:
„Versucht zu verstehen, was der türkische Staat dem kurdischen
Volk angetan hat und entscheidet selbst, ob ich als Individuum schuldig
bin oder nicht.
In der letzten Zeit habe ich viel darüber nachgedacht, was
mein Vergehen ist. Ich kann Ihnen meine Vergehen in ein paar Punkten
aufzählen:
1. Als Mensch geboren zu sein und für ein menschliches Leben
zu kämpfen.
2. Als Kurdin geboren zu sein und mich am Kampf dafür beteiligt
zu haben, dass das kurdische Volk sein Schicksal selbst bestimmen
kann. Wenn das ein Verbrechen ist, ja, dann bin ich schuldig!
3. Wenn es ein Verbrechen ist, als Frau dafür zu kämpfen,
dass Frauen frei und gleichberechtigt leben können, ja, dann
bin ich schuldig.
4. Wenn es ein Verbrechen ist, dass ich wegen meiner Religionszugehörigkeit
gegen jede Art von Diskriminierung eingetreten bin, dann bin ich
schuldig.
5. Wenn es ein Verbrechen ist, dass ich es nicht bereue, einen legitimen,
demokratischen Kampf dafür zu führen, dass mein Volk unter
anderen Menschen menschlich leben kann, dann bin ich eine Verbrecherin.
Es ist klar, das Urteil ist eines, das über die Frage, ob ich
schuldig bin oder nicht, hinausgeht. Dieses Urteil ist eine absolut
politische Entscheidung und stützt sich auf verschiedenen wirtschaftliche
Vorteile, die man von der Türkei erwartet.“
Eine Auslieferung Nuriye Kesbirs in die Türkei bedeutet, die
türkische Regierung in ihrer Logik der Vernichtung, Verleugnung
und Vertreibung der Kurden und Kurdinnen zu bestärken statt
den kurdischen Bemühungen um eine politische und demokratische
Lösung Rechnung zu tragen. Wir fordern die sofortige Freilassung
Nuriye Kesbirs und ihre Anerkennung als politisch Verfolgte.
Die letzte Entscheidung
über eine Übergabe an die türkischen Folterer liegt
in den Händen des niederländischen Justizministers Piet
Hein Donner. Dieser will in Kürze über die Auslieferung
entscheiden.
Ein Auslieferung an die Türkei bedeutet eine weitere Aushöhlung
des Rechts auf Asyl. Nuriye Kesbir erwartet in der Türkei Folter
und langjährige Haft.
Wir rufen alle
auf, sich verstärkt beim holländischen Justizminister
für Nuriye Kesbir einzusetzen.
Der nachfolgende
Text ist ein Vorschlag der gefaxt, geschickt und nach Wunsch gekürzt
oder erweitert werden kann. Jede Form der Reaktion auf diesen Angriff
auf das Recht und die Menschlichkeit ist ein Schritt zur Freiheit
Nuriye Kesbirs und einer politischen und friedlichen Lösung
der kurdischen Frage.
Weitere Informationen
zu Nuriye Kesbir finden sie unter: http://www.nadir.org/isku
Sehr geehrter Herr Minister
Wir sind entsetzt
über die Entscheidung des niederländischen Kassationsgerichts,
den Antrag Nuriye Kesbirs auf politisches Asyl endgültig abzulehnen
und damit der Entscheidung desselben Gerichtshofes zu ihrer Auslieferung
an die Türkei zu folgen. Die vielen Proteste und die an Sie
gerichteten Appelle haben Sie sicherlich hinreichend über die
wirklichen Umstände in der Türkei sowie über die
Folgen einer Auslieferung Frau Kesbirs aufgeklärt. Selbst die
UN Menschenrechtskommission, Amnesty International, Human Rights
Watch und viele andere Menschenrechtsorganisationen haben sich eindeutig
gegen eine Auslieferung Kesbirs ausgesprochen.
Daher gehen wir davon aus, dass die Entscheidung, die Ihr Ministerium
treffen wird, ein Schritt hin zur Freiheit von Nuriye Kesbir und
hin zu einer demokratischen Lösung der kurdischen Frage sein
wird. Nuriye Kesbirs Leben und Zukunft hängt an der Entscheidung
Ihres Ministeriums!
Wir wünschen uns, dass sie durch Ihre Entscheidung den Schatten,
der auf die Unabhängigkeit der niederländischen Justiz
gefallen ist, vertreiben werden.
Jan Piet Hein Donner (Justizminister)
Justizministerium
Postbus 20301
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Fax: 0031 - 70 - 370 79 37
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