21.
Oktober 2004
BGH
hebt Strafausspruch im Urteil gegen kurdischen Politiker auf
Verfahren
gegen Kurden an OLG Celle zurückverwiesen
Der
Bundesgerichtshof hat am 21. Oktober in dem Revisionsfall des
kurdischen Politikers Hasan A. das Urteil des OLC Celle gegen
ihn und einen zweiten Kurden, Ali K. zwar im wesentlichen bestätigt,
die Auslegung des OLG Celle jedoch in einem Punkt nicht gebilligt.
Aus diesem Grunde hat der BGH den Strafausspruch aufgehoben und
die Sache an einen anderen Senat des OLG Celle zurückverwiesen.
In seinem Urteil vom 20. Oktober 2003 hatte das OLG festgestellt,
die PKK würde sich die Möglichkeit einer Rückkehr
zu demonstrativen Gewaltstraftaten in Deutschland vorbehalten,
sollte sich eine Verschlechterung der Bedingungen ergeben. In
dem fraglichen Zeitraum hatte sich allerdings nichts dergleichen
ereignet - trotz einer Verschlechterung der Haftsituation von
Abdullah Öcalan und der zunehmender Bedrohung der kurdischen
Bevölkerung in den kurdischen Gebieten. Dieser spekulativen
Auslegung, die in jedem §129 -Verfahren gegen kurdische Aktivisten
vor allem von Seiten der Bundesanwaltschaft vertreten wird, ist
der BGH nicht gefolgt. Die Frage, ob der Friedenskurs der PKK
als ernst zu nehmende Neuorientierung zu werten ist oder lediglich
von behaupteter taktischer Natur, war von den Richtern des OLG
Celle nicht eindeutig und – wie der BGH feststellt –
nicht widerspruchsfrei beurteilt worden. Deshalb verweist er in
seiner Erklärung darauf, dass das Celler Gericht sich mit
dieser Thematik erneut auseinandersetzen kann.
Die
Missbilligung der Interpretation des OLG durch den BGH ist zwar
zu begrüßen. Die Entscheidung signalisiert, dass sich
Bundesanwälte und Richter künftig mehr an den realistischen
Gegebenheiten orientieren müssen. Die anstehenden Verfahren
gegen kurdische Politiker wegen des Vorwurfs der mutmaßlichen
Mitgliedschaft in einer „kriminellen Vereinigung“
(§129 StGB) werden zeigen, wie und ob sich die heutige Entscheidung
des BGH auf die Urteilsfindungen auswirken werden. Eine fundamentale
Wendung der deutschen Politik und Behörden im Verhältnis
zu bestimmten kurdischen Organisationen und ihren Angehörigen
ist nach Auffassung von AZADI damit nicht verbunden. Die jüngste
Entscheidung des Bundesgerichtshofes und die seit Jahren vonseiten
der kurdischen Bewegung praktizierten friedenspolitischen Bemühungen
sollten die politisch Verantwortlichen in Deutschland veranlassen,
nicht nur von der Türkei demokratische Veränderungen
zu fordern, sondern diese auch im eigenen Land vorzunehmen. Hierzu
gehört ein grundlegendes Nachdenken über die Sinnhaftigkeit
von Verboten als Ersatz für politische Auseinandersetzungen.
AZADI ruft alle demokratischen Kräfte auf, dazu beizutragen,
dass die Verfolgungspolitik gegenüber Angehörigen bestimmter
kurdischer Organisationen beendet wird. Die BGH-Entscheidung sollte
ein erster Schritt zur Anerkennung der kurdischen Bemühungen
sein.