2.
Mai 2005
Pressemitteilung:
Menschenrechts- und Friedensorganisationen bitten
den Bundeskanzler um friedenspolitische Intervention bei seiner Türkei-Reise
Hitlers "Mein Kampf" auf der Hit-Liste, während Pamuks
Bücher öffentlich verbrannt werden
Menschenrechts-
und Friedensorganisationen, die sich seit langer Zeit mit der Türkei
befassen, haben in einem gemeinsamen Schreiben den Bundeskanzler gebeten,
seinen Einfluß für eine Politik der inneren Aussöhnung
und Befriedung in der Türkei geltend zu machen und dazu auch
die guten Dienste Deutschlands anzubieten. Dieses könne nicht
nur dem Wohle der Türkei und ihrem Beitrittswunsche, sondern
auch in Deutschland der Förderung einer Kultur des Friedens dienlich
sein.
Die Organisationen sind über die derzeitige nationalistische
Hysterie in der Türkei tief beunruhigt. "Während Bücher
des international und auch in Deutschland geschätzten liberalen
türkischen Schriftstellers Orhan Pamuk öffentlich verbrannt
werden, steht Hitlers „Mein Kampf“ seit Wochen auf den
Hit-Listen des Buchhandels der Türkei.(...) Die Aufforderung
aus vielen Ländern der Welt, sich endlich mit dem Völkermord
an den Armeniern öffentlich auseinander zu setzen, führt
statt zu einer sensiblen Aufarbeitung der eigenen Geschichte zu chauvinistischen
und rassistischen Bekenntnissen der türkischen Diplomatie.“
Das weltweit mit großer Abscheu zur Kenntnis genommene Vorgehen
der Polizei gegen eine Frauendemonstration, bewirkte nicht etwa, daß
die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden: vielmehr sollen
die Opfer gerichtlich belangt werden. Die Menschenrechtsvereine melden
immer wieder schwerste Verletzungen der Menschenrechte und werden
selbst mit Anklagen überhäuft.
In dieser Situation nationalistischer Regression eröffne die
türkische Armee ihre größte militärische Offensive
seit Jahren gegen die kurdischen Widerstandskräfte, die über
5 Jahre lang eine friedliche Lösung des Kurdenproblems im Rahmen
der Türkei angeboten hatte, worauf Ankara niemals antwortete.
Die kurdische Bevölkerung des Landes von 15-20 Millionen gehört
zum relevanten Beitrittspublikum einer möglicherweise einst um
die Türkei erweiterten EU. Dies erfordere unabdingbar, der kurdischen
Bevölkerung in der Türkei endlich ihre Grund- und Menschenrechte
zu gewährleisten und sie nicht länger einem anachronistischen,
rassistischen türkischen Nationalismus zu unterwerfen.
„Wir halten es deshalb für unabdingbar, kurdischen Repräsentanten
im Prozess der Beitrittsverhandlungen, aber auch vor den Gremien der
einzelnen EU-Staaten angemessenes Gehör zu verschaffen. Eine
generelle Diffamierung der Kurden und ihrer Organisationen als terroristisch
wird die Gegensätze in der Gesellschaft der Türkei verschärfen
und ihre Überwindung verhindern. Wir gehen davon aus, dass die
Türkei die Kriterien für einen Beitritt zur EU nur erreichen
kann, wenn sie die nationalistischen Verfestigungen, die im Gegensatz
zum multikulturellen Charakter der EU stehen, überwindet.“
Der Brief ist von Repräsentanten der folgenden Organisationen
unterzeichnet:
• Azadi – Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden
in Deutschland
• Bundesarbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL
• Bundesverband Deutsche Friedensgesellschaft –Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen
• Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die
Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung,
IPPNW
• Dialog-Kreis „Die Zeit ist reif für eine politische
Lösung im Konflikt zwischen Türken und Kurden“
• Internationale Liga für Menschenrechte
• Komitee für Grundrechte und Demokratie
• Koordination „Gerechtigkeit und Frieden“ der Franziskaner
Mitteleuropas (COTAF)
• Pro Humanitate – Internationaler Verein für Frieden
und Gerechtigkeit
• Rüstungsinformationsbüro Baden Württemberg
• Tüday - Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland
• Yek-Kom Föderation kurdischer Vereine in Deutschland