27.
Juni 2005
Angriffe
auf die Bevölkerung dauern an
Der türkische Staat beantwortet Aufrufe der KurdInnen zum Frieden
mit Repression gegen die Zivilbevölkerung
Während die Militäroperation der türkischen Armee gegen
die kurdische Guerilla andauern, wurde gestern erneut die Zivilbevölkerung
brutal angegriffen. In der kurdischen Großstadt Diyarbakir ereignete
sich gestern ein ähnlicher Vorfall wie vor eine Wochen in Wan.
Bei einem Polizeiangriff auf DemonstrantInnen in Wan wurde am 22.06.
der 19-jährige kurdische Jungendliche Vahdettin Inanç
getötet, Dutzende weitere wurden verletzt und festgenommen. Bei
den gestrigen Angriffen der Polizei und des Militärs kamen erneut
staatliche Schusswaffen zum Einsatz. Die Bilanz: Vier Verletzte und
dutzende Festnahmen.
Zu dem Angriff kam es, nachdem sich eine Menschenmenge nach der Beisetzung
von Ahmet Okur spontan zu einer geschlossenen Demonstration zum Trauerhaus
formierte. Ahmet Okur war Provinzkommandant der kurdischen Guerilla
und kam am 24. Juni während einer Militäroperation der türkischen
Armee mit drei weiteren Kämpfern ums Leben.
Die Angehörigen von Ahmet Okur hatten den Leichnahm aus Bingöl
abgeholt, nachdem die Autopsie abgeschlossen war. Saliha Okur, die
Mutter des gefallenen Guerillas erklärte, dass sie tiefe Schnitte
im Körper ihres Sohnes gesehen habe. Der Leichnam wurde nach
Diyarbakir gebracht und gestern beigesetzt. Nach der Beisetzung versammelte
sich die Menschenmenge um Arm in Arm zum Trauerhaus im Stadtteil “5
Nisan” zu gehen. Die Polizei griff die Menge an, und setzte
auch Panzer, Pfeffergas und Schusswaffen ein, um die Demonstration
aufzulösen. Nach den vorliegenden Informationen wurden vier Personen
in Folge der Angriffe verletzt und Dutzende wurden festgenommen.
Schnitt am Hals von Tekin Saybak
Tekin Saybak kam ebenfalls während der Militäroperation
am 24. Juni ums Leben. Ein enger Verwandter des Gefallenen, der DEHAP-Vertreter
Ibrahim Sungur erklärte, dass sie Erschreckendes gesehen hätten,
als sie den Leichnam nach der Autopsie wuschen: „Ich bin sprachlos,
weiß nicht was ich sagen soll. Ich schäme mich dafür
zur Familie der Menschen zu gehören, nachdem ich gesehen habe,
zu welchen Taten Menschen fähig sind. Er wurde durch Kugeln getötet,
aber sein Kopf wurde zerstückelt.” Auch die Kehle von Saybak
war durchschnitten, so die Augenzeugen.
In der Logik der Politik der Verleugnung der kurdischen Frage legt
die türkische Regierung die kurdische Frage erneut ausschließlich
in die Hand des Militärs und unterstützt dessen Vorgehen
bedingungslos. Während Anfang der 90er Jahre Dörfer verbrannt
und die Menschen zur Flucht gezwungen wurden, werden diese Menschen,
die Zuflucht in den Großstädten gefunden haben, nun erneut
angegriffen. Man schießt auf sie und tötet sie. All das
passiert in einer Zeit, in der die Bilder solcher brutalen Angriffe
ohne Zeitverlust durch die gesamte Welt gehen. Die fehlende Reaktion
der internationalen Institutionen und der Öffentlichkeit ist
daher nicht durch fehlende Informationen zu erklären. Genau das
beunruhigt die KurdInnen sehr.