20.
Oktober 2005
Bundesverwaltungsgericht hebt Verbot der Zeitung „Özgür
Politika“ auf
Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 18.
Oktober 2005 das von Bundesinnenminister Otto Schily am 5.
September 2005 erlassene Verbot der prokurdischen, in der
E. Xani Presse- und Verlags GmbH erschienenen Tageszeitung
„Özgür Politika“, aufgehoben. Grundlage
dieser Entscheidung war der von den Anwälten des Verlages
eingereichte Eilantrag gegen die ministerielle Verbotsverfügung.
Auf
Veranlassung des Bundesinnenministers wurden am 5. September
2005 in einer groß angelegten Polizeiaktion die Räume
der in Neu-Isenburg ansässigen E. Xani Verlags GmbH,
der Zeitung „Özgür Politika“, der Nachrichtenagentur
Mezopotamia Haber Ajansi (MHA) bzw. der Welat-Verlags GmbH
durchsucht, aufgelöst und verboten. Ferner durchsuchte
die Polizei den Mezopotamien-Verlag in Köln und den MÎR-Musikverlag
in Düsseldorf sowie zahlreiche Wohnungen von Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern aller Institutionen. Hierbei beschlagnahmte
die Polizei massenhaft Arbeitsmaterialien, Bücher, Kassetten,
Zeitschriften und die Vermögen der betroffenen kurdischen
Verlage. Laut Verfügung sollten keine „Ersatzorganisationen“
gebildet oder „bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen“
fortgeführt werden dürfen. Untersagt wurde ferner
die weitere Verwendung von Kennzeichen, „insbesondere
für das Logo der Zeitung „Özgür Politika“.
Begründet wurden die Verbotsmaßnahmen damit, dass
diese kurdischen Einrichtungen „nachweislich in die
Organisationsstruktur der PKK (heute KONGRA GEL) eingebunden“
gewesen sein sollten; insbesondere sei die Zeitung „Özgür
Politika“ als „Sprachrohr der PKK“ einzustufen,
weil sie „Nachrichten und Propaganda“ verbreitet
und „die Anhängerschaft mobilisiert“ habe.
Diese Einschätzung des Bundesinnenministers haben die
Richter des Bundesverwaltungsgerichts offenbar nicht geteilt
und insbesondere die angeordnete „sofortige Vollziehung“
der Verbotsverfügung für nicht rechtens erachtet.
AZADÎ
begrüßt diese Entscheidung. Es zeigt sich nun,
dass die Vermutung richtig war, Schily habe mit dem organisierten
Angriff auf kurdische Einrichtungen kurz vor dem bevorstehenden
Wahltermin noch einmal als innenpolitischer hardliner in Erscheinung
treten wollen. Als einer, der ohne Skrupel bereit ist, für
derlei egoistische Machtinteressen das hohe Gut der Presse-
und Informationsfreiheit zu opfern und gleichzeitig den wochenlang
zuvor betriebenen antikurdischen Kampagnen türkischer
Zeitungen und Forderungen nach Verboten in Deutschland nachzukommen.
AZADÎ
fordert
• die sofortige Herausgabe sämtlicher beschlagnahmter
Gegenstände
• die Rückgabe der eingezogenen Vermögen
• die sofortige Einstellung der eingeleiteten Ermittlungen
• ein Ende der Kriminalisierungspolitik und die Legalisierung
der politischen Betätigung für
Kurdinnen und Kurden.