PRESSEERKLÄRUNG
MITARBEITER DER ÖZGÜR POLITIKA

 

 

Frankfurt am Main, den 07.09.2005

Die kurdische Tageszeitung Özgür Politika wurde am Morgen des 05.09.2005 durch einen Erlass des Bundesinnenministerium verboten. Das gesamte Inventar und Vermögen wurde eingezogen. Im Verfügungspunkt Nr. 1 heißt es: „Die Tätigkeit der E. Xani Presse- und Verlags GmbH läuft Strafgesetzen zuwider, die aus Gründen des Staatsschutzes erlassen wurden.“

In der Verbotsbegründung Nr. 1 wird die E. Xani Presse- und Verlags GmbH als ein „Verein“ bezeichnet und entsprechend dem Vereinsgesetz behandelt. Dies stellt die „formellen Vorraussetzungen“ dar.

In den materiellen Verbotsgründen heißt es, die Tageszeitung Özgür Politika werde nach den Vorgaben des Kongra Gel hergestellt. Die Özgür Politika sei „nachweislich in die Organisationsstruktur des Kongra Gel eingebunden“. Dies wird als Staatsschutzdelikt bezeichnet. In der Begründung werden mehrmals die Begriff „innere Sicherheit“, „Staatsschutz“ genutzt.

Das Verbot sei notwendig, „da kein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Verfügung steht“, um das von der Verbotsbehörde verfolgte Ziel zu erreichen. Weiter heißt es: „Auch strafrechtliche Sanktionen gegen die Leitung und/oder die Mitarbeiter des Vereins scheiden als milderes Mittel aus, da diese nur punktuelle Wirkung entfalten und nicht dem Verlag als Ganzes treffen werden.“

Das Ministerium gibt zu, dass das Verbot der E. Xani Presse- und Verlags GmbH einen „Eingriff in das Grundrecht auf Pressefreiheit“ darstellt. Doch sei der Eingriff verfassungsrechtlich begründet.

Zum Schluss heißt es dann: „Ein Verbot der des Kongra Gel-Presseorgans zum jetzigen Zeitpunkt auszusprechen ergibt sich aus der in den letzten Wochen und Monaten eskalierenden Sicherheitslage in der Türkei.“

Wir stellen eines klar: Weder die Tageszeitung Özgür Politika, noch der herausgebende Verlag stellten zu keiner Zeit einen Risikofaktor für die innere Sicherheit der Bundesrepublik dar. Das geht aus der 10jährigen (Gründung am 28.08.1995) erfolgreichen Arbeit hervor. In keinem der in der Zeitung veröffentlichten Artikel wird man zu einem anderen Schluss kommen. Zu diesem Schluss ist auch das Innenministerium nicht gekommen.

Für das Verbot gibt es auch keinen aktuellen Anlass, wie behauptet wird. Wir vermuten vielmehr sachfremde Gründe, die mit der kommenden Bundestagswahl in Verbindung stehen. Anscheinend will der Minister mit dem Verbot in letzter Minute die Gunst einer Wählerklientel gewinnen.

Das Verbot ist im Kern politisch motiviert. Denn tatsächlich gibt es keinerlei materielle Verbotsgründe, die die einzige in Europa erscheinende kurdische Tageszeitung zum Schweigen bringen sollten. Die Verbotsgründe werden vielmehr aus dem Archiv der des Generalbundesanwaltes zusammengeschustert.

Die Tätigkeit der E. Xani Presse- und Verlags GmbH läuft keinen Strafgesetzen zuwider, denn bisher hat es kein einziges Strafverfahren gegen den Verlag, deren Geschäftsleitung oder die Redaktion gegeben. Wenn diese den Strafgesetzen zuwider gehandelt hätten, wie es vom Ministerium behauptet wird, hätten die Staatsanwälte und Richter sich mit großer Sicherheit damit auseinandergesetzt. Presse- und Strafgesetze hätten problemlos angewendet werden können. Jedoch ist noch nicht einmal der Versuch unternommen worden. In diesem Punkt kommen wir zu der Schlussfolgerung, dass der Bundesinnenminister den deutschen Staatsanwälten und Richtern gegenüber misstrauisch eingestellt ist.

Unserer Meinung nach kann und darf ein demokratisch gewählter Minister in einem Rechtsstaat diese Einstellung nicht haben. Denn er hat mit seiner gegen den Willen der kurdischen Bevölkerung gerichteten willkürlichen Verfügung innenpolitisch agiert, konspirativ destruktiv gehandelt. Die Ernte besteht aus einer Mischung neuer Probleme, Misstrauen, mehr Arbeitslosigkeit, finanzielle Schädigung von Mitarbeitern und Geschäftspartnern des Verlages. Die schadet sehr wohl auch der deutschen Wirtschaft. Der politische Schaden für Deutschland ist jedoch sehr viel größer. Die BRD steht nun international als Verbieter einer Tageszeitung , als intolerantes Land da, welches die Presse- und Meinungsfreiheit hinter politische Interessen rückt und somit demokratische Rechte kategorisch abbaut. All das wird sich auch in der kommenden Bundestagswahl niederschreiben.

Mit dem Verbot ist nicht nur die Zeitung, sondern vor allem das Recht der Kurden auf Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit unterbunden worden. Für Millionen von in Europa lebenden Kurden gibt es nun kein nachhaltiges Ausdrucksmittel mehr.

Wir werden gegen dieses Verbot juristisch alle Wege ausschöpfen. Wenn dies uns nicht weiterbringen sollte, werden wir von unserem individuellen Recht auf Europaebene vorzugehen, Gebrauch machen.

Ahmet YÜCEDAG, Geschäftsführer
Cemal UCAR, Herausgeber
Canan KASAPOGLU, Herausgeber