OFFENER BRIEF UND APPELL An die Regierung der Bundesrepublik Deutschland & und Innenminister Otto Schily FREIHEIT DER MEINUNGSÄUSSERUNG FÜR KURDINNEN & KURDEN IN DEUTSCHLAND Sehr geehrter Herr Innenminister Otto Schily, Am 5. September 2005 wurden auf Ihre persönliche Weisung die Redaktion der kurdischen Tageszeitung Özgür Politika („Freie Politik“) in Frankfurt, kurdische Buch- und Musikverlage sowie die Mesopotamische Nachrichtenagentur von der Polizei gestürmt. Computer und Arbeitsunterlagen wurden beschlagnahmt. Die Herausgebergesellschaft der Özgür Politika wurde wegen vermeintlicher Einbindung in die PKK verboten, gegen die anderen Institutionen laufen Ermittlungsverfahren. Durch diesen Akt,
der einen massiven Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit bedeutet,
haben Sie für die Bundesrepublik einen mindestens tendenziellen
Gleichstand mit jener bisherigen repressiven Qualität hergestellt,
den die türkische Realität der kurdischen Meinungsfreiheit
andauernd bereitet hatte. Die Tageszeitung Özgür Politika berichtet seit 13 Jahren kritisch über die Ereignisse in der Türkei und im Mittleren Osten und gab der kurdischen Bevölkerung in Europa eine Stimme. Das bedeutendste
Medium der kurdischen Bevölkerung in Deutschland, dessen Erscheinen
Sie nun verhindern, berichtete über Menschenrechtsverletzungen,
proklamierte den friedlichen Dialog und die demokratische Auseinandersetzung,
warb um Verständigung zwischen den Menschen und setzte erklärtermaßen
auf Rechtsstaatlichkeit. In den 13 Jahren seiner Existenz ist von
diesem Organ nicht die geringste Gefahr für den Frieden und die
innere Sicherheit Deutschlands ausgegangen. Angesichts des
unsinnigen und nichtswürdigen Aktes, den Sie glauben verantworten
zu können, - obwohl dieser kein einziges triftiges Argument auf
seiner Seite weiß, - bleibt schließlich nur jene traurige
Interpretation übrig, dass ein Anschlag auf die freie Meinungsäußerung
von Kurden billigsten Wahlkampfgründen dient und in diesem Kontext
der spekulativen Erwartung geschuldet ist, einige türkische Stimmen
zu gewinnen. Sogar im Wahlkampf!
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