YEK-KOM
Föderation kurdischer Vereine in Deutschland

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Die Krise um ROJ-TV ist die Krise um die Pressefreiheit

Seit Mitte diesen Monats ist die politische Krise um den kurdischen Fernsehkanal ROJ-TV öffentlich geworden, als der türkische Ministerpräsident sich weigerte in Kopenhagen vor die Presse zu treten, weil eine ROJ-TV Korrespondenten ebenfalls unter den JournalistInnen war. Er soll verlangte haben sie aus dem Raum zu entfernen oder zumindest ihr ein Redeverbot zu erteilen. Als sein dänischer Amtskollege Rasmussen auf die Forderungen nicht einging, sagte Erdogan die Pressekonferenz ab. Rasmussen trat daraufhin alleine vor die Presse und erklärte: „Regierungen dürfen in keiner Weise versuchen, Einfluss auf die Medien zu nehmen. Pressefreiheit und –Unabhängigkeit gehören zu den grundlegenden Prinzipien der Demokratie Dänemarks".

Das sind natürlich Prinzipien mit der die Türkei noch immer nichts anfangen kann und eher als lästig empfindet. Die kritische Presse zum Schweigen zu bringen – notfalls mit Gewalt – (In den Büros der Tageszeitung Özgür Ülkem explodierten in Istanbul und Ankara am 3. Dezember 1994 Bomben, nachdem die damalige Ministerpräsidenten Tansu Ciller die Zeitung zur Zielscheibe erklärt hatte, Dutzende Journalisten wurden von “unbekannten Tätern” ermordet, Hunderte wurden ins Gefängnis gebracht) gehört zur Politik der Türkei ebenso die Presse zu beeinflussen bzw. der Presse vorzuschreiben über was sie wie zu berichten haben.

Parallel dazu betrieb sie über die staatstreuen Medienanstalten Desinformationspolitik. Deshalb war ihr alle oppositionellen Presseorgane und Journalistinnen und Journalisten, politische Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen immer ein Dorn im Auge die bekämpft werden mussten.

Obwohl türkische Politiker, zuletzt der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, die Existenz der kurdischen Frage anerkannte und erklärte das Problem mit demokratischen Mitteln lösen zu wollen, und obwohl die Türkei im Rahmen des EU-Prozesses erklärt die Kopenhagener Kriterien erfüllen zu wollen, nimmt der Druck gegen „die unliebsamen Presseorgane“ in der letzten Zeit zu. So wurde erst am 5. September in Deutschland eine prokurdische Tageszeitung und eine Nachrichtenagentur von Bundesinnenminister Otto Schily verboten, nachdem ein Ersuch des türkischen Außenministers Abdullah Gül an einen Amtskollegen eingegangen war. Nun versucht die Türkei mit politisch-diplomatischem Druck Dänemark dazu zu bewegen, den kurdischen Fernsehkanal ROJ-TV zu verbieten.

Die letzten Ereignisse in Semdinli und Hakkari beleuchten die Gründe für diese starre Haltung. Am 17. Juli hatte der stellvertretende Vorsitzende des Generalstabes in einem Instruktionsgespräch mit der Presse sein Konzept des totalen Krieges gegen die Kurdinnen und Kurden vorgestellt und die Presse dazu aufgerufen, sich geschlossen hinter dieses Vernichtungskonzept zu stellen. Sie sollten Entwicklungen bezüglich der kurdischen Frage ignorieren. Quasi wurde eine Informationssperre erlassen. Die staatstreuen Massenpresseorgane hielten sich an die Anweisungen und schwiegen die Ereignisse in Kurdistan tot oder betrieben eine bewusste Desinformation. So wurde der Bombenanschlag am 2. November in Semdinli der PKK angehängt und an dieser Manipulation hätten sie festgehalten, wenn im Folge einer Zivilcourage am 9. November die Täter eines Bombenattentates ebenfalls in Semdinli nicht von der Bevölkerung geschnappt und identifiziert worden wären. Bei den Tätern handelte es sich um Geheimdienstleute der paramilitärischen Gendarmerie - JITEM. Die Achtsamkeit der Menschen hatte also erneut den Staatsterror entlarvt. Vor diesem Hintergrund ist es nur natürlich, dass die Existenz der kritischen Medien für einen Staat, der seine Politik auf Gewalt und Lüge aufbaut eine Gefahr darstellt und zum Angriffsziel gemacht wird. Aus diesem Grunde soll der kritische Fernsehkanal ROJ-TV geschlossen werden, damit niemand mehr über die verübten Menschenrechtsverstöße sowie über den anhaltenden Krieg und ihren Folgen in Kurdistan berichten kann.

Leider haben sich in der Vergangenheit europäische Länder zuletzt Bundesinnenminister Otto Schily zur Mithelfer solcher Politik gemacht. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass die USA in einem Schreiben an Dänemark die Forderung erhoben hat ROJ-TV zu verbieten. Vor diesem Hintergrund ist die unbeugsame Haltung Dänemarks schätzenswert, weil Dänemark trotz all dem Druck an das Prinzip der demokratischen Freiheiten und Rechten festhält.

ROJ-TV ist ein kurdischer Fernsehkanal, dass in vier Sprachen kurdisch, türkisch, arabisch und assyrisch sowie in allen drei großen kurdischen Dialekten Programme ausstrahlt. Die Programme (Kultur, Dokumentationen, Kinderprogramme, Frauenprogramme, Soziales hin zu Programmen mit politischem Inhalt) garantieren eine Vielfalt und stellen eine Bereicherung der Presselandschaft dar. ROJ-TV ist inzwischen zu einem festen Bestandteil des Lebens von Kurdinnen und Kurden sowohl des Mittleren Ostens als auch Europas geworden.


? Wir verurteilen die Schließungsbemühungen der Türkei gegen die ROJ-TV
? Wir gratulieren die dänischen Verantwortlichen dafür, dass sie an dem Prinzip der Informationsfreiheit und Pressefreiheit trotzt all dem Druck festhalten
? Wir verurteilen die antidemokratische Vorgehensweise der USA gegenüber der dänischen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
? Wir rufen die EU dazu auf, an die universellen demokratischen und rechtlichen Werte festzuhalten und von der Türkei diese unmissverständlich einzufordern.

YEK-KOM
1. Dezember 2005