Sehr
geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,
wie Sie dem Newrozaufruf (siehe unten) entnehmen können, fahren seit 12
Jahren Delegationen aus ganz Europa nach Kurdistan.
Ihre Teilnahme an den Newroz-Delegationen 2006 ist aus zweierlei Gründen
wichtig:
Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei haben begonnen. Die Delegationen
beobachten auf ihrer Reise, in wieweit die von der EU formulierten Kopenhagener
Kriterien von der Türkei umgesetzt werden und wo ein Nachholbedarf besteht.
Somit wäre gewährleistet, dass der Prozess der EU-Mitgliedschaft der Türkei
nicht nur eine Sache von Staaten bleibt. Die äußerst wichtigen Themen
wie die Demokratisierung, die Menschenrechtsverletzung und die Anerkennung
der Minderheitenrechte in der Türkei sollten nicht nur über die offiziellen
EU-Berichte verfolgt werden, sondern müssen von Delegationen verschiedener
zivilgesellschaftlichen Organisationen und Persönlichkeiten als wichtiges
Thema angenommen und beobachtet werden.
Die Berichte solcher unabhängigen Delegationen sind in diesem Prozess
für die EU-Länder und auch für die Türkei sowie das kurdische Volk von
Bedeutung.
Zum anderen ist die aktuelle politische Entwicklung im Land von Bedeutung.
Die Ereignisse vom 9. November in Semdinli, der Provinz Hakkari, haben
uns erneut gezeigt, dass in der Türkei ein so genannter „Tiefer Staat“
existiert. Dieser wehrt sich mit allen Mitteln vor allem gemeinsam mit
der stärksten Organ des Landes, der Armee, gegen die Demokratisierung
der Türkei. Die Demokratisierung der Türkei stellt eine Gefahr für ihre
Interessen und Machtstellung dar, die sie durch den lang andauernden Krieg
erlangt haben. Es handelt sich um Kriegsgewinner, die mit aller Macht
ihre Stellung beizubehalten versuchen. Hierfür töten sie, wenn nötig,
auch eigene Soldaten, Polizisten und Beamten. Sie sprengen staatliche
Gebäude in die Luft und haben jahrelang Persönlichkeiten, Geschäftsleute
und Intellektuelle aus der kurdischen Gesellschaft getötet, deklariert
als „Morde unbekannter Täter“. Mit diesen Methoden versuchen sie ein Chaos
zu kreieren, dass folgende Aussagen und Handlungen legitimieren soll:
„Der Terror würde jeden angreifen und wenn sie nicht wären, werden die
Terroristen das Land zerstören“. Die Armee hat mit Hilfe dieser Methode
immer wieder ihre „Unverzichtbarkeit“ erklärt. In Semdinli wurden sie
aber von der Bevölkerung auf frischer Tat ertappt.
Wir laden Sie ein, an einer der Delegationen teilzunehmen, um sich vor
Ort ein Bild zu machen und das Newrozfest mit dem kurdischen Volk zu feiern.
Durch die Reise werden Sie mit Sicherheit eine andere Betrachtungsweise
erlangen. Bisherigen Delegationsreisen haben ebenfalls dazu beigetragen,
dass der „Tiefe Staat“ und seine Machenschaften entlarvt werden konnten,
um sie in gewisser Weise zurückgedrängt werden konnte. Auch haben die
zahlreichen Delegationen in den letzten 12 Jahren dem kurdischen Volk
gezeigt, dass sie nicht allein sind und dass es in Europa eine öffentliches
Interesse gibt.
Durch Ihre Teilnahme werden sie zum Demokratisierungsprozess der Türkei
beitragen und ihre Anwesenheit wird mögliche Menschenrechtsverletzungen
verhindern können.
Wir haben zwei Hintergrunddossiers vorbereitet. Das 1. Dossier behandelt
allgemeine Informationen über die Region und gibt Eindrücke vorheriger
Delegationen wider.
Das 2. Dossier beinhaltet Informationen über die letzten Ereignisse in
Semdinli.
Nach Wunsch können wir Ihnen diese per E-Mail oder Post zukommen lassen.
Mit freundlichen Grüssen
YEK-KOM
Aufruf zur Newrozdelegation 2006
Newroz
… ein „neuer Tag“
… ein Feiertag: Am 21. März feiert das kurdische Volk Newroz als Fest
des Frühlings und des Widerstandes gegen Unterdrückung und Verfolgung.
…ein Trauertag: Immer wieder werden Newrozfeierlichkeiten verboten, Teilnehmer
sowie Veranstalter verhaftet und verfolgt. Angriffe durch türkische Sicherheitskräfte
und Nationalisten mit manchmal Dutzenden Toten und Hunderten Verletzten
gehören ebenfalls zur traurigen Realität.
… eine Grundlage: Die Haltung des türkischen Staates anlässlich Newroz
ist ein Abbild seiner Herangehensweise an die kurdische Frage, das zentrale
Problem der Türkei, und damit ein Barometer für die erforderliche Demokratisierung
des Landes. Diese bildet somit auch die Basis des angestrebten EU- Beitritts
der Türkei.
… eine Realität: Von einer Lösung der kurdischen Frage ist die Türkei
jedoch noch weit entfernt. Trotz der wiederholten Deklarationen und Waffenstillstände
der kurdischen Seite für eine politische Lösung verweigern Regierung und
Militär den Dialog. Stattdessen: umfangreichste Militäroperationen seit
Jahren, Morde an Zivilisten auf offener Straße durch türkische Sicherheitskräfte,
starke Repressionen gegen zivilgesellschaftliche Organisationen, ein neues
Anti- Terror- Gesetz, das jedes Recht auf oppositionelle politische Meinungsäußerung
und Betätigung außer Kraft setzt…
Delegationsreisen
… eine Tradition: Seit 1993 fahren jedes Jahr um den 21. März Delegationen
aus Europa in die kurdischen Provinzen, um an den Newrozfeierlichkeiten
teilzunehmen und Eskalationen zu verhindern. Setzen Sie diese Tradition
fort!
… eine Notwendigkeit: Da all die oben genannten Umstände in den europäischen
Medien und der Öffentlichkeit weitgehend verschwiegen werden, ist es unerlässlich,
dass auch Sie an Newroz nach
Kurdistan reisen. Denn Frieden, Demokratie und ein Dialog sind dringend
notwendig!
… eine Möglichkeit: Neben einem Besuch historischer Stätten besteht die
Möglichkeit, Gespräche mit den Vertreterinnen und Vertretern der dortigen
Menschenrechtsvereine, Parteien und Organisationen zu führen. Nutzen Sie
die Chance!
… eine Stimme: Machen Sie sich ein Bild von der Realität und geben Sie
der Wahrheit eine Stimme!
… eine Erfahrung: Feiern Sie mit Millionen Menschen das Fest des Frühlings,
der Hoffnung und des Friedens, das Fest des Aufbegehrens gegen Rassismus
und Unterdrückung!
Lassen
Sie uns an Newroz 2006 einen „Neuen Tag“ begehen für
Frieden, Freiheit und Demokratie! |