Menschenrechtsverein (IHD) – Diyarbakir/Türkei Bericht und Analyse der Menschenrechtsverletzungen nach der Beerdingung in Diyarbakir am 28. März 2006 6. April 2006 Vorgang-Hintergrund Infolge einer militaerischen Operation in die Region zwischen den Provinzen Diyarbakir, Bingöl und Mus starben am 24.03.2006 14 bewaffnete Militante. Vier von Ihnen (Bülent Tanışık, geb. in Diyarbakir, Muzaffer Pehlivan, geb. in Diyarbakir-Lice, Fatih Çetin, geb. in Diyarbakir-Cinar, Mahmut Güler, geb. in Diyarbakir-Kulp) wurden nach einer Autopsie im Staatskrankenhaus von Malatya am 28. März 2006 nach Diyarbakir gebracht, wo sie im Friedhof Yeniköy beerdigt wurden. Im Anschluss an die Beerdigungsfeierlichkeit begannen die gesellschaftlichen Ereignisse im Stadtteil ‚Ofis’ beginnend, von wo sie sich auf viele Gegenden von Diyarbakir ausgebreitet haben. Gegen die vom Friedhof zurückkehrenden Menschenmenge wurde vor der sich auf dem Weg zum Friedhof befindende Polizeistation ‚10 Nisan’ eingegriffen. Während der Beerdigung flogen auffällig viele Kampfflugzeuge vom Typ F-16 tief über die Menschenmenge. Die Polizei griff mit Panzer ein und die Jugendlichen antworteten mit Steinen und Molotow-Cocktails. Die Polizei setzte Tränengas ein und schoss in die Luft. Mehmet Akbulut, 18 Jahre alt, wurde von Schüssen der Polizei schwer verletzt (er erlag am 31.03.2006 im Universitätskrankenhaus Dicle seinen Verletzungen). Durch die Molotow-Cocktails fingen einige Panzer Feuer. Durch den Einsatz wurde je ein Journalist von der Nachrichtenagentur Cihan und dem Lokalfernsehen TV 21 verletzt. Eine Gruppe, die nach Ofis vordringen konnte, zerschlug die Fensterscheiben von Parteizentralen, staatlichen Einrichtungen, Banken und Geschäften. Als die Ereignisse sich ausweiteten, schlossen die Geschäftsinhaber, vor allem Bezirk Baglar, die Läden.
28. März 2006 Die Ereignisse und Auseinandersetzungen spielten sich vor allem in den Stadtgebieten Kuruçeşme, Bağlar-Zentrum, Mardinkapı, Melikahmet, Oryıl, Medine Strasse, Sakarya Strasse und Emek Strasse ab. Insgesamt wurden 70 Menschen verletzt, einige davon mit Feuerwaffen, 100 Menschen, davon 29 Kinder, wurden festgenommen. Die beiden an diesem Tag verletzten Personen Mehmet Akbulut (18) und Halit Sögüt (78) starben in den folgenden Tagen an den Verletzungen. Durch die Bemühungen des Oberbürgermeisters und Gouverneurs endeten die Auseinandersetzungen um ca. 21.30 Uhr. 29. März 2006 Die Ereignisse steigerten sich am 29. März 2006. In aller früh begannen in den meisten Vierteln der Stadt Proteste gegen die Vorfälle des Vortags und die Geschäfte blieben geschlossen. Sogar an der Universität kam es zu Auseinandersetzungen. Die eingesetzten Spezialarmeeeinheiten und gewisse Polizeieinheiten gingen besonders hart gegen die Bevölkerung vor, sie zerschlugen die Fensterscheiben von Geschäften und Wohnungen, beleidigten die Menschen mit harten Schimpfwörtern und provozierten so die Menschen. Nach Ende des Unterrichts in einigen Schulen wurden Kinder willkürlich von diesen Einheiten geschlagen. In viele Strassen wurden maskierte Einheiten positioniert und an den wichtigen Verkehrsknotenpunkten wurden Panzer und Polizeieinheiten stationiert. Nachdem ab 14 Uhr die öffentlichen Gebäuden und die Eingänge zum Staatskrankenhaus von Armeeeinheiten kontrolliert wurden, entstand das Bild einer Stadt wie nach einem Militärputsch. Weiterhin wurde die Annahme von Notfällen im Staatskrankenhaus geschlossen, so dass keine Verletzte und Tote mehr eingeliefert werden konnten. Die Sicherheitskräfte setzten gegen die Demonstranten Tränengas, Wasserstrahl und Feuerwaffen (scharfe Munition) ein. Die Festgenommen wurden noch auf der Strasse geschlagen. Die Sicherheitskräfte schossen nicht in die Luft, sondern direkt in die Menschenmenge. An diesem Tag wurden 28 Menschen durch scharfe Munition verletzt. Am 29. März wurden durch Schusswaffeneinsatz Tarık Ataykaya (22), İsmail Erkek (8) und Mehmet Işıkçı (19) durch gezieltes Schlagen getötet. Die beiden Personen Mustafa Eryılmaz (26) ile Emrah Fidan (17) wurden an diesem Tag durch Schusswaffen verletzt, erlagen aber am 03.04.2006 im Krankenhaus der Universität ihren Verletzungen. Weiterhin wurde Abdullah Duran (9), der vom Balkon seiner Wohnung die Ereignisse beobachtete, durch Schusswaffen der Sicherheitskräfte getötet. Darüber hinaus gibt es viele Verletzte von diesem Tag, die in Behandlung sind und immer noch nicht die Lebensgefahr überwinden konnten. An diesem Tag kamen von den Provinzen Mardin, Batman, Elazig, Malatya und Sanliurfa zusätzliche Polizei- und Armeeeinheiten nach Diyarbakir. Weiterhin wurden vor allem von der Bezirksstadt Ergani Panzer und militärische Fahrzeuge nach Diyarbakir verlegt. Um die Ereignisse und Vorfälle einzudämmen und zu beenden, führte der Oberbürgermeister Osman Baydemir, die Bezirksbürgermeister, die Vorstandsmitglieder der DTP (Demokratische Gesellschaftspartei), Vertreter von NGO’s Gespräche mit dem Gouverneur. Als sie um 19 Uhr zu einem Gespräch mit offiziellen Wagen (Kennzeichen) fuhren, wurden sie tätlichen und psychologischen Angriffen von Sicherheitskräften ausgesetzt. Eine Begleit- und Schutzperson des Oberbürgermeisters wurde im Gesicht verletzt und die Scheiben des Begleitwagens wurden eingeschlagen. Zusammen mit Gouverneur Efkan Ala und seinen Stellvertreter Ahmet Aydin haben die Bürgermeister, DTP und NGO-Vertreter an verschiedenen Stellen mit Demonstranten gesprochen, so dass sich die Situation um 22 Uhr beruhigte. Nach einer um 23 Uhr vom Gouverneur abgegeben Erklärung starben an diesem Tag 3 Personen (Tarık Ataykaya (23), Mehmet Işıkçı (18) und Abdullah Duran (9)), 200 Menschen wurden festgenommen und 130 Sicherheitskräfte und 120 Zivilpersonen wurden verletzt. 30. März 2006 An diesem Tag wurde
für die drei Verstorbenen des Vortages eine Beerdigungsfeier im Friedhof
Yeniköy organisiert. Viele zehntausende Menschen nahmen daran teil. Auch
an diesem Tag gab es seitens der Sicherheitskräfte Provokationen. Während
es den DTP-Verantwortlichen gelang die angespannten und zornigen Menschen
zurückzuhalten, war das, im Anschluss an die Beerdigungsfeier als die
Sicherheitskräfte scharf schossen, nicht mehr möglich. So starben an diesem
Tag durch Feuerwaffen von Sicherheitskräften die beiden Kinder Enes Ata
(8) und Ismail Erkek (8). Als diese Nachricht in der Stadt umging, wurden
alle Geschäfte in der Stadt geschlossen. 31. März 2006 Die Leichen der beiden
getöteten Kinder vom Vortag mussten auf Druck der Sicherheitskräfte von
den Familien um 5 Uhr in der Früh in einem engen Kreis in ihren Dörfern
beigesetzt werden. Der am 28.3.06 verletzte und an diesem Tag verstorbene
Mehmet Akbulut (18) musste auch in seinem Dorf im Bezirk Dicle beigesetzt
werden. 1. April 2006 Die Repressionen der
Sicherheitskräfte gegen die Menschen setzten sich auch an diesem Tag fort.
Es gab sehr viele Festnahmen, viele Wohnungen wurden willkürlich durchsucht,
Menschen dabei geschlagen. Der am 30. März 2006 mit einem Kopfschuss schwer
verletzte Halit Sögut (78) verstarb an diesem Tag. Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte in Diyarbakir Ab 17 Uhr des 28.
März 2006 wurden seitens der Sicherheitskräfte scharf geschossen, infolge
dessen viel Menschen verletzt und getötet wurden. Es fällt auf, dass die
durch Feuerwaffen abgeschossenen Kugeln and andere Gegenstände die Menschen
am Kopf und Rumpf trafen. Verletzte Personen: 1. A. Cengiz Korkut Der Gouverneur gab bekannt, dass bei den Vorfällen vom 28. bis zum 31. März 166 Zivilisten und 199 Sicherheitskräfte verletzt wurden. 31 Personen würden noch in Behandlung sein.
Vom 28. März 2006 bis zum 5. April 2006: 1) Zahl der Festgenommenen:
563 2) Dem Staatsanwalt Vorgeführte: 554 3) Zahl der Verhafteten:
382 Am 4. April 2006 wurden die DTP-Vorstandsmitglieder Musa Farisoğulları, Necdet Atalay, Nusret Atlı und Muhlis Altun, weiterhin Ali Öncü, Sprecher der Demokratieplattform und Gewerkschaftler, und Edip Yasar, Vorsitzende der Gewerkschaft der Kommunenarbeiter festgenommen. Am 5. April wurden sie alle vom Staatsanwalt inhaftiert. Die Anwaltskammer von Diyarbakir gab bekannt, dass neben der Pflichtverteidiger von den betroffenen Familien private Rechtsanwälte beauftragt wurden, die feststellten, dass die Zahl der Festgenommen höher als die offiziellen Angaben betragen. Der Gouverneur teilte mit, dass die Zahl der in der Zeit zwischen dem 28. und 31. März 2006 Festgenommenen 566 und die Zahl der Inhaftierten 354 beträgt. Folter und die Menschenwürde verletzenden Behandlungen Sowohl die Anwaltskammer
von Diyarbakir (Presseerklärung am 4.4.2006) als auch der Menschenrechtsverein
IHD haben festgestellt, dass alle Festgenommenen der Folter und menschenunwürdigen
Behandlungen ausgesetzt wurden. Aus den Gesprächen mit Verletzten geht
hervor, dass nicht nur die Festgenommenen, sondern auch die Menschen bei
den Hausdurchsuchungen und auch Menschen auf der Strasse Misshandlungen
und Folterungen mit verschiedenen Gegenständen und Schlägen ausgesetzt
waren. Weil die Beschwerden beim IHD weitergehen, werden wir in kommender
Zeit einen weiteren Bericht zu den Folterungen und Misshandlungen herausgeben.
Ereignisse in Kiziltepe Bei zwei Tage andauernden
Protestdemonstrationen wurden gegen die Menschen scharf geschossen, die
Menschen hatten nach Versuchen, die Demonstration zu unterbieten, mit
Steinen geworfen. Es wurde unverhältnismäßig mit Gewalt geantwortet. In
Kiziltepe (Provinz Mardin) wurden am 1. April 2006 Ahmet Araç (27) und
am 2. April M.Sıddık Önder (22) durch scharfe Munition der Sicherheitskräfte
tödlich getroffen. Ereignisse in Siirt Im Anschluss an die Beerdigungsfeier eines getöteten Guerilleros wurde auf die Menschen auch scharf geschossen. Der Jugendliche Muhlis Ete (17) wurde schwer getroffen und 2 km lang auf dem Boden geschliffen. Dann wurde er in das Universitätskrankenhaus von Diyarbakir geliefert, wo er immer noch behandelt wird. Ereignisse in Batman Bei den am 29. März
beginnenden Protesten wurde das Kind Fatih Tekin (3 Jahre alt) tödlich
von einer Kugel der Polizei getroffen.
MENSCHENRECHTSVEREIN (IHD) IN DIYARBAKIR
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