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Hamburg, 14. August 2006


Pressemitteilung

Zur Verhaftung kurdischer Politiker in Deutschland

Am 8. August wurde der kurdische Politiker Muzaffer Ayata in Mannheim festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, PKK-Verantwortlicher für die Region Süddeutschland zu sein. Einen Tag später wurde Riza Erdogan in Duisburg verhaftet.

Beide sind seit vielen Jahren in der kurdischen Bewegung aktiv und in der Bundesrepublik als politische Flüchtlinge anerkannt.

Muzaffer Ayata verbrachte bereits zwanzig Jahre in türkischen Gefängnissen. Über seine Erfahrungen hat er ein in türkischer Sprache erschienendes Buch mit dem Titel „Diyarbakır Zindanı“ (Der Kerker von Diyarbakir) geschrieben. Vor drei Jahren kam er in die Bundesrepublik, wo er seine politische Arbeit fortsetzte. So betrieb er Lobbyarbeit für die in der Türkei tätige und inzwischen aufgelöste legale politische Partei DEHAP, schrieb Kolumnen und Analysen für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften und setzte sich nicht zuletzt unermüdlich mit den veränderten gesellschaftlichen und politischen Bedingungen und den Menschen auseinander.

Als ein in Deutschland lebender Kurde, dem aufgrund der immer noch ausstehenden Lösung der kurdischen Frage die Rückkehr in sein Herkunftsland verwehrt ist, beschäftigte er sich viel mit der europäischen Kurdenpolitik und bemängelte die unklare Haltung der EU zur kurdischen Frage. So machte er darauf aufmerksam, dass die EU während des heißen Krieges zwischen der kurdischen Guerilla und der türkischen Armee etliche Aufrufe für einen Waffenstillstand und den Beginn eines Dialoges gemacht hatte, nachdem die PKK jedoch den Waffenstillstand erklärt hatte, den Kongra Gel als Nachfolgeorganisation auf ihre Liste terroristischer Organisationen setzte.

Ein weiteres wichtiges Thema war für ihn stets der Wandel der kurdischen Bewegung vor dem Hintergrund veränderter weltweiter Rahmenbedingungen. Hierbei plädierte er für das Modell des demokratischen Konföderalismus, das auf Basisdemokratie unter Bewahrung der bestehenden Staatsgrenzen in Kurdistan setzt. Seine Vision formulierte er vergangenes Jahr, am 3. Juni 2006, in der in Deutschland erscheinenden Tageszeitung Özgür Politika:

„Das Volk soll keine Lösungen vom Staat erwarten, sondern selbst Lösungen entwickeln. Alle Teile der Gesellschaft sollen gemäß ihrer Überzeugungen und Bedürfnisse auf der Grundlage des Prinzips der Geschlechtergleichberechtigung in Frieden und auch mit der Natur in friedlicher Form leben. Anstelle von Feindschaft und Krieg mit Nachbarvölkern, anstelle neuer Grenzziehungen soll ein Leben in Freundschaft, Frieden und Geschwisterlichkeit umgesetzt werden. Das Wesen des demokratischen Konföderalismus ist neben der Selbstorganisierung der Völker in demokratischer Form das Zusammenleben der Völker in gegenseitiger Achtung. Anstelle von äußeren Eingriffen oder Provokationen geht es darum, Frieden und Demokratie von der Basis aus zu organisieren.“

Es mag diese Haltung Muzaffer Ayatas sein, die ihn ins Visier des deutschen Staates gebracht hat. Mit Sicherheit steckt hinter seiner Verhaftung aber auch der Druck der Türkei, die eine politische und friedliche Lösung der kurdischen Frage nach wie vor ablehnt und in jüngster Zeit vor allem in ihrem Bemühen aufgefallen ist, die USA und den Irak dazu zu bringen, in Südkurdistan gegen die PKK vorzugehen.

Als Freundinnen und Freunde Muzaffer Ayatas unterstützen wir seine politischen Gedanken und fordern die Bundesregierung und die EU auf, endlich eine konkrete Kurdistan-Politik zu entwickeln, die nicht auf konjunkturellen Interessen basiert, und ihren Beitrag zu einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage zu leisten. Muzaffer Ayata und Riza Erdogan müssen unverzüglich aus der Haft entlassen werden.

 
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