YEK- KOM Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V.
   
Zentrale:
Graf Adolf Str. 70a; 40 210 Düsseldorf; Tel:+(49) 0211-17 11 452; Fax: +(49) 0211-17 11 453; E-mail: yekkom@gmx.net
Büro für Außenpolitik und Öffentlichkeitsarbeit:
Chausseesstr. 15; 10 115 Berlin; Tel: + (49) 030-24 72 41 96; Fax: +(49) 030-24 72 49 02; E-mail: yekkom-berlin@gmx.net
   
 
Düsseldorf, den 18. August 2006

 

In mehr als 60 deutschen Städten schließen Kurdinnen und Kurden aus Protest gegen die Kriminalisierung und politische Verfolgung von Kurden in Deutschland ihre Vereine und treten in Hungerstreik

Sehr geehrte Damen und Herren,

am heutigen Tag führte die Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V, in Düsseldorf eine Pressekonferenz durch. Auf der Konferenz wurde auf die anhaltende Verbots- und Kriminalisierungspraxis aufmerksam gemacht und über die geplanten Aktivitäten und Formen des Protestes informiert. Dem zufolge werden die Mitgliedsvereine von YEK-KOM gegen die antidemokratische Kurdenpolitik der Bundesregierung ab Montag, dem 21. 08. 2006 die schließen (Es handelt sich über 60 kurdische Vereine in Deutschland). Dieser Protest wird mit Hungerstreiksaktionen in Köln (an der Domplatte), Stuttgart und Berlin (Pariser Platz – vor dem Brandenburger Tor) begleitet werden.

Im folgenden übersenden wir Ihnen eine Zusammenfassung der heutigen Pressekonferenz.

Eine Zusammenfassung der heutigen Pressekonferenz gegen die Kriminalisierung und politische Verfolgung von Kurden in Deutschland

Auf unserer heutigen Pressekonferenz (am 18. August 2006), an der sich Bernd Brack (Pro-Asyl Essen), Klemens Ross (Rechtsanwalt), Hüseyin Avgan (DIDF), Günther Böhm (Azadî e.V.) und das Mitglied des Europaparlaments Feleknas Uca beteiligten, wurde auf die sich mehrenden Verbote, die Einschüchterung und Ausgrenzung gegenüber der kurdischen Bevölkerung durch die deutschen Staatsorgane hingewiesen. Mit dem Instrumentarium des Straf- und Polizeirechts wird versucht, die politische Betätigung von Kurden unmöglich zu machen.

Der Vorsitzende unserer Dachorganisation YEK-KOM Mehmet Demir erklärte auf der Pressekonferenz: „Die europäischen Länder, in erster Linie die deutsche Regierung, gehen seit Jahren mit Repressalien gegen die Kurden vor. Durch Festnahmen, Durchsuchungen und Verbote werden die Kurden systematisch kriminalisiert. Zur Letzt wurden die kurdischen Politiker Muzaffer Ayata und Riza Erdogan von Beamten des Bundeskriminalamtes festgenommen, nach dem nur eine Woche zuvor Nedim Seven in Niederlanden festgenommen wurde war.

Mit jedem Tag wird deutlicher, dass die Politik der Kriminalisierung und Isolation der Kurden Resultat eines gemeinsamen Konzeptes der Türkei, der USA und der europäischen Länder ist und zur Zerschlagung einer unabhängigen emanzipierten Bewegung dienen soll. Deutschland scheint innerhalb dieses Konzeptes die Rolle des praktischen Umsetzers auszuüben. Sogar die fundamentalen demokratischen Rechte der Kurden wie Meinungs-, Versammlungs-, Demonstrations- und Organisationsfreiheit werden in diesem Zusammenhang beschnitten. (...)

Deutschland sollte eine auf Frieden ausgerichtete Politik betreiben und endlich dem kurdischen Volk nicht nur als ein Land in Erinnerung bleiben, das die Türkei mit Panzern ausgerüstet und die Kurden, die in Deutschland leben und sich für ihre Rechte einsetzen mit Repressionen überzieht. Es sollte eine friedliche Lösung der kurdischen Frage aktiv unterstützen.“ (siehe die gesamte Erklärung im Anhang)

Zu den Presseerklärungen der weiteren Teilnehmer:

Bernd Brack: Die Art und Weise, wie die Asylgesetze angewandt werden, entspricht nicht ihrer Bestimmung. Zum Beispiel wurden Aufenthaltserlaubnisse und Einbürgerungen einer libanesichen Flüchtlingssgruppe zurückgenommen mit der Begründung, sie wären erschlichen und die wahre Nationalität verheimlicht worden, die Flüchtlinge hätten nicht die libanesiche sondern die türkische Staatsbürgerschaft besessen. Dazu wurden die türkischen Konsulate eingeschaltet und den Menschen türkische Dokumente ausgestellt - allein in Essen sind 1700 Personen davon betroffen. In Berlin, Celle, Hamburg und anderen Orten ist die Zahl noch grösser.

Klemens Ross: Die juristische Auslegung ist derart, dass die Gesetzgebung in der Praxis so verdreht wird, wie es den Beamten gerade passt. Zum Beispiel sind Einbürgerungen und die Gewährung des Aufenthaltsrechts dem Ermessen der Beamten überlassen. Auf der anderen Seite wurden sie aber angewiesen, so zu handeln. Deshalb nehmen Rücknahmen der Aufenthaltserlaubnis und Verweigerungen der Einbürgerung zu.

Auch die Verhandlungsphase zur Aufnahme der Türkei in die EU wird dazu genutzt, die Menschen abzuschieben oder sie anderweitig zur Rückkehr zu bewegen. Dabei wird argumentiert, die Türkei habe Reformen in die Wege geleitet und es hätten demokratische Entwicklungen stattgefunden. Zum Beispiel wurde einer Kurdin der Aufenthalt entzogen, weil sie an einer Kundgebung teilgenommen hat. Allein die Teilnahme, die Mitgliedschaft in einem kurdischen Verein oder dessen Vorstand wird gegen sie angeführt. Dies zeigt, dass sich die politische Haltung der Bundesregierung seit Jahren nicht geändert hat.

Hüseyin Avgan: Die DIDF (Föderation der Demokratischen Arbeitervereine e.V.) solidarisiert sich mit den Kurdinnen und Kurden hier in Deutschland und ihren Organisationen. Die Verhaftung der kurdischen Politiker und Journalisten Muzafer Ayata und Riza Erdogan beweisen, dass die Bundesregierung hierbei einer Forderungen der Türkei nachkommt. Sie sollte sich ihre eigenen politischen Interessen widmen. Auch ist bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in Betracht zu ziehen, dass deren Erlass von Antiterrorgesetzen keinesfalls demokratischen Kriterien genügt. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Kriminalisierung der kurdischen Bevöklerung und ihrer Organisationen zu beenden und Ayata und Erdogan freizulassen. Die Regierung braucht Ansprechspartner und sollte ihr Angebot auch wahrnehmen statt sie zu verhaften.

Feleknas Uca: Die Situation in der Türkei weist nicht auf eine Anpassung an den für die EU-Beitrittsverahndlungen gesetzten Rahmen. die Ernennung des kemalistischen Hardliners General Yasar Büyükanit anstelle von Hilmi Özkök zum Generalstabschef und die Verabschiedung des Antiterrorgesetzes lässt im Gegenteil darauf schließen, dass die Verhandlungsbasis von der Türkei sukzessive verlassen wird. Auch die Interessen der Kurden werden immer häufiger missachtet. In den kurdischen Regionen werden immer häufiger Kontrollen durchgeführt (sie selbst ist bei einer Delegationsreise in die kurdischen Gebiete auf dem Weg nach Semdinli achtmal kontrolliert worden) und es kommt immer mehr zu Menschenrechtsverletzungen, von denen Politiker, Zivilorganisationen und Bürgermeister verschiedener kurdischer Städte betroffen sind.

Im folgenden die vollständige Presseerklärung von Mehmet Demir, dem Vorsitzenden von YEK-KOM:

Sehr geehrte Pressevertreterinnen und Pressevertreter,

die europäischen Länder, in erster Linie die deutsche Regierung, gehen seit Jahren mit Repressalien gegen die Kurden vor. Durch Festnahmen, Durchsuchungen und Verbote werden die Kurden systematisch kriminalisiert. Zur Letzt wurden die kurdischen Politiker Muzaffer Ayata und Riza Erdogan von Beamten des Bundeskriminalamtes festgenommen, nach dem nur eine Woche zuvor Nedim Seven in Niederlanden festgenommen wurde war.

Mit jedem Tag wird deutlicher, dass die Politik der Kriminalisierung und Isolation der Kurden Resultat eines gemeinsamen Konzeptes der Türkei, der USA und der europäischen Länder ist und zur Zerschlagung einer unabhängigen emanzipierten Bewegung dienen soll. Deutschland scheint innerhalb dieses Konzeptes die Rolle des praktischen Umsetzers auszuüben. Sogar die fundamentalen demokratischen Rechte der Kurden wie Meinungs-, Versammlungs-, Demonstrations- und Organisationsfreiheit werden in diesem Zusammenhang beschnitten.

Obwohl die Kurden in Deutschland gemäß den universellen Rechten und der deutschen Gesetzgebung sich für ihre nationalen, kulturellen und politischen Rechte einsetzen, werden sie mit einer Ignoranz der deutschen Politik konfrontiert, die zur Verschärfung der Probleme, statt zu einer Lösung führt.

Kurden, die in ihrer Heimat getötet, verhaftet und gefoltert werden und deren Kultur, Sprache und Existenz verboten und verleugnet wird, sind leider auch in Deutschland, wo sie eine sichere Zuflucht zu finden glaubten, antidemokratische Behandlung ausgesetzt. Um nur einige Formen dieser Politik zu verdeutlichen: Die Institutionen und Vereine von Kurdinnen und Kurden werden willkürlich polizeilich überfallen, und durchsucht. Vorstandsmitglieder und Mitglieder von Vereinen werden observiert, ihre Telefone abgehört, Verfahren gegen sie eingeleitet.

Wegen ihrer politischen oder kulturellen Betätigung im Rahmen der kurdischen Demokratiebewegung, sehen sich Kurdinnen und Kurden zunehmend mit der Tatsache konfrontiert, dass ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft oder der Asylstatus aberkannt wird oder sie der trotz immer noch drohender Gefahren für Leib und Leben in die Türkei abgeschoben werden . Dies geschieht zur generellen Abschreckung des kurdischen Bevölkerungsteiles in Deutschland vor einer unabhängigen politischen Betätigung im eigenen Interesse. All diese Repressionen werden mit dem Betätigungsverbot der Arbeiterpartei Kurdistans vom 26. November 1993 begründet.

Gegenwärtig ist objektiv gesehen die Verleugnung des kurdischen Volkes teilweise überwunden, das Problem jedoch noch nicht gelöst. Die Türkei hat einige Rechtsreformen verabschiedet, die sie im Rahmen der EU-Anpassungsphase zugesagt hatte. Wegen fehlender Aufrichtigkeit finden diese Reformen im Alltagsleben keine Resonanz. Im Gegenteil, die Türkei setzt erneut auf die militärische Lösung, als hätten diese Reformen nie stattgefunden. Die Armee verlegt Soldaten, Kommando-Einheiten und Konvois mit Hunderten von Panzern und Mannschaftswagen in das Dreiländereck zu Irak und Iran mit dem Ziel, gegen die kurdische Guerilla, die PKK und den KONGRA-GEL vorzugehen,

Dabei haben die bisherigen Erfahrung gezeigt, dass das Problem militärisch nicht zu lösen ist. Daher ist es wichtig, dass ein aktiveres und wirksames Lösungsprojekt entwickelt wird. Deutschland sollte bei der Ausarbeitung und Umsetzung eines solchen Projektes eine führende Rolle spielen. Es ist aus mehreren Gründen gut beraten, die Lösung der kurdischen Frage und die Demokratisierung der Türkei anzustreben, sowie seine bisherige traditionelle auf den Status quo gestützte Außenpolitik abzulegen.

Einer der Gründe hierfür ist die lang anhaltende und tief gehende historische Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei. Als moderne Projektion dieses Verhältnisses ist Deutschland der Hauptbefürworter und Unterstützer der EU-Mitgliedschaft der Türkei. Auf der anderen Seite befindet sich die größte kurdische Diaspora in Deutschland.

Des Weiteren stellen die Kurden im Mittleren Osten einen der Hauptbündniskandidaten dar. Deutschland hat die Möglichkeit, sich über die politische Beziehung mit den Kurden aktiv in die Demokratisierung des Mittleren Ostens einzubringen. Es könnte ohne weiteres diese Vorteile einsetzen und versuchen, eine Brücke des Dialogs und der Lösung zwischen den Kurden und der Türkei zu schlagen.

Deutschland sollte eine auf Frieden ausgerichtete Politik betreiben und endlich dem kurdischen Volk nicht nur als ein Land in Erinnerung bleiben, das die Türkei mit Panzern ausgerüstet und die Kurden, die in Deutschland leben und sich für ihre Rechte einsetzen mit Repressionen überzieht. Es sollte eine friedliche Lösung der kurdischen Frage aktiv unterstützen.

Wir erklären heute erneut, dass die Kurdinnen und Kurden sich von diesen antidemokratischen Repressionen nicht einschüchtern lassen werden. Wir werden auch in Zukunft unsere elementaren Rechte auf Meinungs- und Organisationsfreiheit konsequent verteidigen.

Wir fordern die sofortige Freilassung aller kurdischen Politiker, die Einstellung aller anti-demokratischen Vorgehensweisen gegen unsere Institutionen, die Einstellung aller ungerechten Verfahren gegen unsere Mitglieder.

Die politisch Verantwortlichen sind aufgefordert, sich einem Dialog nicht weiter zu verweigern und die veränderten Realitäten anzuerkennen.

Denn:

  • Das PKK-Verbot ist überholt, weil es weder die Demokratiebewegung noch die Integrationsbemühungen der Kurden zur Kenntnis nimmt.
  • Das PKK-Verbot ist ungerecht, weil mit ihm und den aus seiner Logik geschaffenen Straftatbeständen die Kurden als Menschengruppe zweiter Klasse behandelt werden.
  • Das PKK-Verbot ist gefährlich, weil es die demokratischen Menschenrechte allgemein relativiert und in Frage stellt und weil es dem staatlichen Terror der Türkei Vorschub leistet.

Wir, die Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V., rufen unsere Mitgliedsvereine dazu auf die jüngsten Festnahmen der kurdischen Politiker Muzaffer Ayata, Nedim Seven und Riza Erdogan zum Anlass nehmend, gegen die antidemokratische Kurdenpolitik der Bundesregierung ab Montag die Vereine zu schließen. Dieser Protest wird mit Hungerstreiksaktionen in Köln (an der Domplatte), Stuttgart und Berlin (Pariser Platz – vor dem Brandenburger Tor) begleitet werden.

Mehmet Demir

Vorsitzender von YEK KOM

(Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V.)
18.08.2006