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11.
Januar 2007
Gemeinsame
Erklärung von AZADÎ und YEK-KOM, Föderation
kurdischer Vereine in Deutschland
Razzien in kurdischen Vereinen und Wohnungen Festnahme
von Ahmet C.
Mit einem massiven Polizeiaufgebot wurden in den frühen
Morgenstunden des 10. Januar die Räumlichkeiten kurdischer
Vereine sowie Privatwohnungen u. a. in Esslingen, Stuttgart,
Freiburg, Ulm, Pforzheim, Friedrichshafen und Reutlingen durchsucht
und hierbei Computer, Telefone, Bustickets, Bargeld, Vereinsunterlagen
und Zeitungen beschlagnahmt.
Als Gründe für die Razzien dienten den Staatsanwaltschaften
und Gerichten laufende Ermittlungsverfahren gegen Kurden, denen
vorgeworfen wird, gegen das Vereinsrecht verstoßen zu
haben. Sie stünden – laut Durchsuchungsbeschluss
u.a. des Amtsgerichts Stuttgart - im Verdacht, Anhänger
der in Deutschland seit 1993 mit einem Betätigungsverbot
belegten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein und durch ihre
Aktivitäten dazu beigetragen zu haben, deren Strukturen
aufrecht zu erhalten. Hiervon betroffen sind u. a. die Kurden
Adil D. und Hüseyin Ö., der angeblich als Verantwortlicher
des „PKK-Raumes Esslingen“ tätig gewesen sei.
Ferner werde aufgrund von Telefonüberwachungsmaßnahmen
gegen Salman K. ermittelt, der nach Auffassung der Behörden
im Zeitraum von Juni 2005 bis Juni 2006 als „Gebietsverantwortlicher
des PKK-Gebiets Ulm“ gearbeitet haben soll. Die Durchsuchungen
– so der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart –
würden der Ermittlung seines bislang unbekannten Aufenthaltsortes
und der Sicherstellung entsprechenden Beweismaterials dienen.
Außerdem wurde im Zuge dieser Polizeiaktion in einer Stuttgarter
Privatwohnung das YEK-KOM-Vorstandsmitglied Ahmet C. festgenommen.
AZADÎ und YEK-KOM verurteilen die polizeilichen Durchsuchungsaktionen
aufs Schärfste. Die seit 13 Jahren anhaltende Verbots-
und Kriminalisierungspraxis bedeutet vor dem Hintergrund der
grundlegenden Veränderungen der kurdischen Bewegung und
ihrer Bemühungen um politisch-demokratische Konfliktlösungen
eine inakzeptable Provokation. Eine solch repressive Politik
hat bisher nicht ein einziges der kurdischen Frage zugrunde
liegendes Problem gelöst – weder in Deutschland noch
in der Türkei.
Die Versuche, die Menschen mit dem Instrument des Polizei- und
Strafrechts davon abzuhalten, sich in ihren Vereinen für
ihre legitimen politischen, sozialen und kulturellen Anliegen
und Rechte zu betätigen, waren und sind ein untaugliches
Mittel. Aktivitäten von kurdischer Seite als politischen
„Extremismus“ oder gar als „Terrorismus“
zu disqualifizieren und zu diskreditieren, ist nicht nur kurz
gedacht. Wir halten diese Art der Einschüchterung und Kriminalisierung
der politischen Arbeit für eine unzulässige und undemokratische
Herangehensweise gegenüber der kurdischen Bevölkerung,
die seit Jahrzehnten einem massiven Verfolgungsdruck ausgesetzt
ist.
Wir fordern eine Umkehr der herrschenden Politik und rufen alle
demokratischen Kräfte dazu auf, sich dafür einzusetzen,
dass die Kriminalisierung beendet wird und sich Kurdinnen und
Kurden frei und offen artikulieren können. Das PKK-Verbot
muss aufgehoben und ein ernsthafter Dialogprozess vonseiten
der politisch Verantwortlichen begonnen werden. Die Kurden sind
hierzu schon lange bereit.
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