Türkei:
Kriegsdienstverweigerer zu mehr als 15 Monaten Haft verurteilt
Solidaritätsdemonstration
für Halil Savda wurde angegriffen
Pressemitteilung vom
20. März 2007
Der Menschenrechtsverein
Istanbul berichtet, dass ihr Vorstandsmitglied Halil Savda am 15. März
2007 vom Militärgericht in dem westlich von Istanbul gelegenen Corlu zu
einem Jahr Haft wegen "Desertion" und zu dreieinhalb Monaten
wegen "fortgesetztem Ungehorsam" verurteilt wurde. Halil Savda
ist erklärter Kriegsdienstverweigerer und bereits seit dem 7. Dezember
2006 in der Einheit der 8. Panzerbrigade in Tekirdag inhaftiert.
Der Menschenrechtsverein
sieht die Verurteilung von Halil Savda als Versuch, andere Kriegsdienstverweigerer
einzuschüchtern: "Wir verurteilen schärfstens die staatlichen Repressionen
gegen all diejenigen, die sich für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung
einsetzen. Die Verurteilung von Halil Savda stellt den Versuch dar, sie
zu entmutigen. Wir sagen jedoch: Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht."
Die Gruppe der UnterstützerInnen
von Halil Savda wurde in Corlu von Rechtsextremen angegriffen. Aus Corlu
berichteten UnterstützerInnen: "Wir waren mit 30 Personen nach Corlu
gekommen. Aufgrund der begrenzten Besucherplätze konnten nur 15 in den
Gerichtssaal gehen, wir anderen warteten vor der Kaserne im Park. Dabei
waren wir umringt von der Polizei. Dennoch konnten 25-30 Personen eindringen
und uns angreifen. Die Polizei nahm niemanden von den Angreifenden fest,
sieben von uns erlitten Verletzungen durch Pfefferspray und Schläge der
Polizei."
Die Türkei verfolgt
Kriegsdienstverweigerer auf zweierlei Art und Weise. Zum einen wird das
Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht anerkannt. Verweigerer wie Osman
Murat Ülke oder Mehmet Tarhan wurden wegen Befehlsverweigerung bzw. Ungehorsam
bis zu sieben Mal verurteilt. Zum anderen werden öffentliche Äußerungen
gegen das Militär, wie die öffentliche Erklärung der Kriegsdienstverweigerung,
unter Strafe gestellt. Etwa 50 Wehrpflichtige haben bislang öffentlich
ihre Kriegsdienstverweigerung erklärt. Zudem entziehen sich in der Türkei
Zehntausende der Ableistung des Militärdienstes.
Connection e.V. bittet
um Unterstützung von Halil Savda:
- durch Protestschreiben an:
Generalstab des türkischen Militärs; Fax: 0090-312-4250813
Präsident der Türkischen Republik, Ahmet Necdet Sezer, Cankaya Kosku,
Sehit Ersan Caddesi, No. 14, Çankaya, Ankara, Turkey; Fax: 0090-312-4271330.
Ein E-Mail an den türkischen Präsidenten Ahmet Necdet Sezer kann über
folgenden Link versandt werden: http://wri-irg.org/co/alerts/20061207a.html.
- durch Solidaritätsbriefe
an:
Halil Savda, 5. Kolordu Komutanligi, Askeri Cezaevi, Corlu Tekirdag, Türkei
- durch Spenden auf
das Türkeisolikonto 7085701 bei der Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370
20 500.
gez. Rudi Friedrich
Weitere Informationen
unter http://www.Connection-eV.de/Tuerkei/savda.html oder 069-82375534.
Chronologie des Falles
Halil Savda
1974 wurde Halil Savda Sirna/Cizre geboren und besuchte dort die Hauptschule.
1993 wurde er festgenommen und für einen Monat in Sirnak/Cizre inhaftiert.
Während der Haft wurde er wiederholt gefoltert. Das Staatssicherheitsgericht
verurteilte ihn schließlich wegen "Unterstützung einer illegalen
Organisation (PKK)".
1996 wurde er zum Militärdienst einberufen, wo er seine Grundausbildung
ableistete. Nach der Grundausbildung kam er aber dem Marschbefehl zu einer
anderen Einheit nicht nach.
1997 wurde er erneut verhaftet, das Staatssicherheitsgericht in Adana
verurteilte ihn wegen "Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation
(PKK)" zu einer Haftstrafe von 15 Jahren.
18.11.2004: Er wurde aufgrund von Änderungen des türkischen Strafgesetzbuches
aus der Haft entlassen und wegen seiner Desertion der Gendarmerie in Antep
überstellt. Hier wurde er sechs Tage lang in eine Isolationszelle gesperrt.
25.11.2004: Halil Savda wurde „seiner Einheit“ in Corlu-Tekirdag überstellt.
Dort erklärte er, dass er aufgrund der von ihm 1993 erlittenen Folter
nicht als Soldat dienen könne. In einem Brief an den Kommandeur erklärte
er seine Kriegsdienstverweigerung.
16.12.2004: Das Militärgericht in Corlu verhört ihn und nahm ihn im Anschluss
wegen „Beharren auf Ungehorsam“ fest.
28.12.2004: Er wurde nach der Verhandlung freigelassen, zugleich aber
aufgefordert, sich zur Ableistung des Militärdienstes bei „seiner Einheit“
zu melden. Dieser Aufforderung kam er nicht nach. Er ging stattdessen
nach Hause.
4.1.2005: Halil Savda wurde vom Militärgericht in Corlu wegen „Beharren
auf Ungehorsam“ zu 3 Monaten und 15 Tagen Haft verurteilt. Er legte Berufung
gegen das Urteil ein.
13.8.2006: Das türkische Militärberufungsgericht hob die Entscheidung
im Verfahren vom 4.1.2005 wegen Verfahrensfehlern auf.
21.10.2006: In Istanbul wurde die Plattform zur Kriegsdienstverweigerung
gegründet, an der sich 15 türkische Organisationen und Parteien beteiligen.
Halil Savda wurde zum Sprecher der Plattform benannt.
7.12.2006: Das Militärgericht in Corlu nahm das Verfahren wegen „Beharren
auf Ungehorsam“ wieder auf.
25.1.2007: Das Militärgericht in Corlu entließ ihn aus der Haft, überstellte
ihn allerdings der Einheit der 8. Panzerbrigade in Tekirdag. Dort wurde
er aufgefordert, eine Uniform anzuziehen, was er erneut verweigerte. Daraufhin
wird er ein weiteres Mal angeklagt.
26.1.2007: Er wurde von vier Wachhabenden der Arrestanstalt in der Militäreinheit
in Tekirdag schwer misshandelt und drei Tage lang nur mit seiner Unterwäsche
bekleidet in eine Zelle ohne Sitz- und Schlafgelegenheit gesperrt.
15.3.2007: Vom Militärgericht in Corlu wurde Halil Savda zu einem Jahr
wegen Desertion und dreieinhalb Monaten wegen Ungehorsam verurteilt.
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