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Köln, 16. April 2007

Im Folgenden dokumentieren wir die Presseerklärung der Rechtsanwälte Abdullah Öcalans vom 10.04.2007

“Unser Mandant hat das Recht, in einer nicht gesundheitsschädlichen Umgebung
zu leben und medizinisch behandelt zu werden”

In unserer Presseerklärung vom 1 März 2007 haben wir erklärt, dass bei einer Laboruntersuchung durch ChemTox in Frankreich in Haarproben unseres Mandanten Abdullah Öcalan Konzentrationen der Elemente Strontium und Chrom festgestellt wurde, die deutlich über den Normalwerten liegen. Dazu haben wir die ernsten gesundheitlichen Problem dargelegt, die eine Schwermetallvergiftung in diesem Zusammenhang mit sich bringt. Vom Staat haben wir in dieser Situation erwartet, dass er es einer neutralen, unabhängigen Expertendelegation, deren Objektivität über jeden Zweifel erhaben ist, unverzüglich ermöglicht, auf die Insel Imrali zu fahren und alle Sorgen um das Leben unseres Mandanten zu zerstreuen. Durch diese einfache und vernünftige Maßnahme hätte sich der Staat sowohl über jeden Verdacht erheben können als auch die Sorgen über über die gesundheitliche Situation unseres Mandanten weitestgehend beseitigen können.

Diese Befürchtungen wurden jedoch nicht ausgeräumt, im Gegenteil wies das türkische Justizministerium noch am Tag unserer Presseerklärung ohne jegliche weitere wissenschaftliche Untersuchung alle Behauptungen vorschnell zurück und ordnete eine Ermittlung durch die Generalstaatsanwaltschaft Bursa an. Am 5. März wurde dann eine dreiköpfige Fachärztedelegation nach Imrali entsandt, um die notwendigen Gewebeproben zu entnehmen. Noch am selben Tag ließ das Justizministerium die Medien wissen, dass „die Behauptungen Lügen“ seien und „Öcalan bei guter Gesundheit“ sei. Dies allein stellt bereits die Unabhängigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Ermittlung ebenso wie der Untersuchung durch das gerichtsmedizinische Institut ernsthaft in Frage.

Nachdem wir aus der Presse über die Einleitung von Ermittlungen erfahren hatten, beantragten wir gemäß der Strafprozessordnung bei der Staatsanwaltschaft die Untersuchung der klimatischen Verhältnisse auf der Insel Imrali und der Örtlichkeiten, in denen unser Mandant gefangen gehalten wird, sowie die Entnahme von Materialproben der Zelle, der Lebensmittel, der Kleidung unseres Mandanten sowie anderer auf der Insel befindlicher Personen. Obwohl diese Forderung den internationalen Standards für eine toxikologsche Untersuchung (STA) entspricht, wurde sie ignoriert. Die Ärztedelegation entnahm entsprechende Blut-, Stuhl-, Urin- und Haarproben, ohne unseren Mandanten zu untersuchen und ohne entsprechende Fragen zu seiner Gesundheit zu stellen.

Darüber hinaus geht aus dem Bericht hervor, dass obwohl der eigentliche Zweck der Delegation die Entnahme einer Haarprobe und deren Untersuchung auf die Konzentration von Chrom und Strontium war, es der Delegation nicht gelungen sein soll, eine ausreichende Menge an Haar zu entnehmen. Es geht dagegen nicht klar aus dem Bericht hervor, wie das gerichtsmedizinische Institut an die Haare gelangt ist, mit denen später die Analyse durchgeführt wurde. Dies allein reicht aus, um bei der Delegation einen Mangel an Ernsthaftigkeit festzustellen und ihre Kompetenz und Unabhängigkeit ernsthaft anzuzweifeln.

Zum Zeitpunkt seiner Verschleppung in die Türkei am 15. Februar 1999 litt unser Mandant abgesehen von einer chronischen Sinusitis (Nebenhöhlenentzündung) an keinerlei ernsthaften gesundheitlichen Beschwerden. Aufgrund der Bedingungen des Hochsicherheitsgefängnisses Imrali leidet unser Mandat seit längerer Zeit unter Beschwerden der oberen Atemwege, einem brennenden Sekretfluss im Hals, Atemnot, massiven Schlafstörungen, Juckreiz und Brennen sowie einem ungewöhnlichen Abschälen der Haut, intensivem Pfeifen auf einem Ohr und anderen ähnlichen Beschwerden. Obwohl wir mehrfach eine umfangreiche medizinische Untersuchung beantragt haben, wurde nicht einmal ein Befund erstellt.

Trotz unseren Anträgen und den immer akuter werdenden gesundheitlichen Beschwerden unseres Mandanten hat das gerichtsmedizinische Institut ihre Untersuchungen lediglich auf die Entnahme von Haar-, Urin-, Stuhl und Blut Proben beschränkt. Die Untersuchung der entnommenen Proben habe ergeben, dass die Werte der festgestellten Schwermetalle im Normbereich lägen.

Die Ergebnisse des Labors ChemTox wurden Fachleuten vorgelegt. Sie bestätigten eine erhöhte Konzentration von Schwermetallen, die deutlich über den normalen Wert liegen. Dies könne mittel- und langfristig zu erheblichen Gesundheitsschäden führen. Aufgrund der bestehenden Lebensgefahr halten wir es für besonders wichtig, festzustellen, ob diese Metalle durch Ernährung, der Klimaverhältnisse oder anderen Wegen in den Körper gelangt sind und wann.

Nationale und internationale Experten, die wir um einen Vergleich der Berichte des Gerichtsmedizinischen Instituts der Türkei und dem Labor ChemTox gebeten haben, äußerten sich folgendermaßen:

- Bei einer Gegenüberstellung beider Berichte ergeben sich erhebliche Widersprüche bezüglich den im Körper festgestellten Konzentrationen an Schwermetallen
- Aus dem Bericht des gerichtsmedizinischen Institutes geht hervor, dass keine systematische toxikologische Analyse durchgeführt wurde. Um die Konzentration der besagten Elemente interpretieren zu können, ist eine Analyse nach toxikologischen Leitfäden notwendig.
- Das gerichtsmedizinische Institut hat sich mit der Analyse der Urin-, Blut- und Haarproben begnügt. Vielmehr wären jedoch zusätzlich Untersuchungen andrer Proben von Personen, die in der selben Umgebung leben, der Wandfarbe, der Nahrung und des Wassers und ihre Analyse auf die besagten Stoffe geboten gewesen. Eine klinische Untersuchung hätte den Vorgang komplettieren müssen.
- Obwohl ein Internist und eine Psychiaterin Teil der Delegation waren, die nach Imrali gefahren ist, enthält der Bericht keinerlei klinischen Befunde dieser Disziplinen. Auf Untersuchung, Diagnose und Therapievorschläge für die gesundheitlichen Beschwerden von Öcalan, der sich seit 1999 im Einpersonengefängnis Imrali unter verschärften Isolationsbedingungen befindet, wird nicht eingegangen.
- Aus dem Bericht des gerichtsmedizinischen Institutes ist nicht zu ersehen, ob es sich bei dem im Körper nachgewiesenen Strontium um radioaktives Strontium handelt oder nicht. Ebenso ist aus dem Bericht nicht zu ersehen, aus welchem Grund sich Strontium im Körper befindet.

Außerdem erklärten Experten in ihren Stellungnahmen: “Im Urin jedes Menschen ist Blei nachzuweisen. Im Blut und Urin jedes Menschen sind Blei und Arsen nachzuweisen. Laut dem Bericht des gerichtsmedizinischen Instituts der Türkei sollen jedoch weder Blut noch Urin Blei oder Arsen enthalten. [...] Weder die Art der Haarentnahme noch das Datum der Entnahme sind beschrieben. [...] Im Gegensatz zu internationalen Richtlinien sind die Haarlänge, die Haarfarbe und andere visuelle Parameter nicht angegeben worden. [...] Das menschliche Haar ist das einzige Element, mithilfe dessen man nachweisen kann, ob eine längerfristige Vergiftung vorliegt. Es ist also sehr erstaunlich, dass keine ausreichenden Haarproben entnommen worden sein sollen und deshalb ein zweites mal Haare entnommen werden mussten. Außerdem wurden einige Schwermetalle im Haar nicht in der normalen Konzentration gefunden. All diese genannten Punkte geben Grund und Anlass, die Zuverlässigkeit der Untersuchungsmethode infrage zu stellen.”

Im Lichte dieser Expertenmeinungen und -kommentare fehlt zu einem wissenschaftlichen und befriedigenden Resultat Folgendes:

1- Eine unabhängige und unparteiische Delegation, die in Bezug auf Objektivität in der Öffentlichkeit über jeden Zweifel erhaben ist, sollte wie es die StPO vorschreibt, im Beisein von Öcalans Anwälten, auf die Insel fahren, um die Haftbedingungen sowie die gesundheitlichen Beschwerden unseres Mandanten vor Ort zu untersuchen. Durch eine umfangreiche Untersuchung des Gesundheitszustandes Abdullah Öcalans sowie durch Untersuchungen der Haftbedingungen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit unseres Mandanten sollten Diagnosen erstellt und Therapievorschläge erarbeitet werden.

2- Diese Delegation sollte neben den oben genannten Untersuchungen die Zelle in der unser Mandant gefangen gehalten wird, die Wandfarbe der Zelle, Lebensmittel sowie Getränke und Proben von anderen auf der Insel befindlichen Personen analysieren. Diese Proben sollten in internationalen Laboratorien, die wie das gerichtsmedizinische Institut über eine Akkreditierung im Rahmen der Toxikologischen Protokolle verfügen, gemäß der toxikologischen Leitlinien untersucht werden. Diese Untersuchungen sollten die im Körper machgewiesene hohe Konzentration an Schwermetallen aufklären.

Unser Mandant hat das Recht, in einer nicht gesundheitsschädlichen Umgebung zu leben und medizinische behandelt zu werden. Außerdem hat er das Recht, eine zweite Meinung von einer unabhängigen Delegation von Ärzten zu beantragen. Es ist eine der grundlegenden Aufgaben des Staates, die volle Ausübung dieser Rechte zu gewährleisten. Wir appellieren an die Sensibilität aller Menschen und rufen die Zuständigen auf, verantwortungsbewusst zu handeln.

10.04.2007
Asrin Rechtsbüro