Hilfsorganistion
WADI Österreich |
15.08.2007 |
Beim
schwersten Anschlag dieses Jahres wurden gestern Abend mindestens 200
- Yeziden-Vertreter sprechen von bis zu 600 - Angehörige der religiösen
Minderheit der Yezidi im Irak ermordet. Mirza
Dinnayi, ehemaliger Minderheitenberater des irakischen Staatspräsidenten
Talabani und Koordinator der „Yezidi Democratic Community“ in Deutschland,
vermutet noch weit mehr Tote als die bisher gemeldeten 200 Toten: „Ich
telefoniere seit gestern ständig mit unseren Freunden im Irak. Alle Informationen,
die ich direkt von dort habe deuten darauf hin, daß es zwischen 300 und
600 Tote sind.“ Etwa ein Prozent der irakischen Gesamtbevölkerung gehört den Yezidi an. Die Religionsgemeinschaft, die im Gegensatz zu Christen- und Judentum von Muslimen nicht als Buchreligion betrachtet wird (und damit nicht dem islamischen Schutzgebot untersteht) wurde in den letzten Jahren immer wieder zum Angriffsziel radikaler Islamisten, die sie als „Teufelsanbeter“ denunzierten. Die meisten Yezidi leben in der zentralirakischen Provinz Ninive sowie in der kurdisch verwalteten Provinz Dohuk. Das Gebiet um Sinjar, nahe der syrischen Grenze, zählt traditionell zu einem der wichtigsten Siedlungsgebiete der Yezidi. Eine Arabisierungkampagne des Bath-Regimes unter Saddam Hussein, zwang jedoch die Mehrheit der dort lebenden Yezidi, ihre traditionellen Bergdörfer zu verlassen und sich in staatlich kontrollierten „Kollektivstädten“ anzusiedeln. Auch die beiden nun angegriffenen Gemeinden gingen aus solchen Zwangsansiedlungen hervor. Ethnische und religiöse Minderheiten, die über kein von ihnen kontrolliertes Territorium verfügen, wurden in den letzten zwei Jahren generell vermehrt zum Ziel von Anschlägen und Angriffen. Die in London ansässigen Menschenrechtsgruppe "Minority Rights Group International" hatte bereits im Februar erklärt, daß einige Gemeinschaften, die seit 2000 Jahren im Irak lebten, jetzt vor der Vernichtung stünden. Auch Mirza Dinnayi, als ehemaliger Minderheitenberater Talabanis ein ausgezeichneter Kenner der Lage vor Ort, kritisiert den mangelnden Schutz der Minderheiten: „Es gibt keinen Schutz für die kleinen Minderheiten. Wir haben seit Monaten an die kurdischen und irakischen Behörden appelliert jetzt vor dem Kirkuk-Referendum den Schutz für die Minderheiten zu erhöhen. Leider ist bislang nichts in diese Richtung geschehen.“ Entsetzt ist Dinnayi auch über die Kommentare, die er auf manchen arabischen Websites zum gestrigen Anschlag lesen kann. „Auf der Website der Fernsehstation al-Arabiya bejubeln ein Viertel der Kommentare im Online-Forum den gestrigen Anschlag. Hier wird offen gesagt, daß die ‚Teufelsanbeter’ weg sollen und niemand von der Redaktion löscht diese Einträge.“ Der Haß auf Yezidi sei unter militanten Islamisten im Irak so weit verbreitet, daß es ständig zu Morden komme. Erst vor fünf Tagen wurden in al-Rashad, in der Nähe von Kirkuk, zwei junge Yezidi auf offener Straße zu Tode gesteinigt. Die irakischen Sicherheitskräfte hatten es nicht gewagt dagegen einzugreifen. Selbst die Leichen der Ermordeten wurden bis vorgestern nicht zur Bestattung abtransportiert. Die Kritik
yezidischer Vertreter am mangelnden Schutz ihrer Angehörigen im Irak wird
auch von Christen, Mandäern und Shabak, die ebenfalls ständig Opfer ethnisierter
Gewalt werden, geteilt. Dabei hält Mirza Dinnayi den Schutz der Yezidi nicht für ein Ding der Unmöglichkeit: „Insbesondere in der Sinjar-Region wäre das kein Problem. Hier sind 90% der Bevölkerung Yezidi. Wäre der politische Wille vorhanden, könnten sie militärisch geschützt werden.“ Der Koordinator der „Yezidi Democratic Community“ in Deutschland fordert deshalb explizit einen UNO-Einsatz zum Schutze der Minderheiten im Irak. Europäische Truppen unter UNO-Mandat sollten, so Mirza Dinnayi, die Minderheiten in ihren Gebieten schützen. Mary Kreutzer, Projektkoordinatorin der im Irak tätigen Hilfsorganisation WADI, schließt sich diesen Forderungen an: „Ein effektiver Schutz der Minderheiten ist derzeit nur durch solch einen internationalen militärischen Schutz möglich. Wichtig ist dabei aber auch, dass Europa endlich die Tore für irakische Flüchtlinge, die zu Hunderttausenden in Syrien und Jordanien ausharren öffnet. Diese beiden Länder sind mit den Flüchtlingen überfordert. Europa hat deshalb seine historische Verantwortung für den Irak wahrzunehmen.“ Link:
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