Cenî - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V. | |
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Düsseldorf, Oktober 2007 |
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Presseerklärung über das türkischen parlamentarischen Mandat für einen grenzüberschreitenden Militärangriff auf den Irak Am gestrigen Tag hat das türkische Parlament mehrheitlich einem Militärangriff auf das Territorium des Iraks zugestimmt. Ziel eines solchen Angriffes soll die Zerschlagung der kurdischen Freiheitsbewegung und damit eine Fortsetzung der Verleugnungs- und Vernichtungspolitik gegenüber den Kurden sein. Um oppositionelle Stimmen innerhalb der eigenen Reihen unter Druck zu setzten, wurde die Abstimmung auf Antrag von Ministerpräsident Erdogan offen durchgeführt. Denn im Vorfeld hatten einige AKP-Abgeordnete aus den kurdischen Gebieten sich gegen den Antrag ausgesprochen. Alle, die gegen eine grenzüberschreitende Operation sind, wurden im Vorfeld der Abstimmung als „Vaterlandsverräter“ und „Separatisten“ diffamiert. Letztendlich stimmten nur die DTP-Fraktion und weitere 3 Abgeordnete gegen den Antrag. Nun wird heftig darüber debattiert, ob und wann die Türkei dieses parlamentarisch abgesegnete Mandat für einen Militäreinsatz nutzen wird. Um diese Frage objektiver bewerten zu können, ist es wichtig, sich einige Fakten ins Gedächtnis zu rufen: Im Zeitraum zwischen 1983 und 2000 führte die Türkei insgesamt 24 grenzüberschreitende Militäroperationen in den Irak durch, ohne das Problem gelöst zu haben. Seit Jahren befinden sich mehrere Tausende türkische Soldaten im Irak (es gibt keine offiziellen Angaben über die Zahl der Soldaten aber die Rede ist von ungefähr 10.000). Schon seit Monaten bombardieren die türkische und iranische Armee kurdische Gebiete im Nordirak. Die alleinigen Ergebnisse dieser Bombardierungen waren die Vertreibung der Zivilbevölkerung und Zerstörung ihrer Lebensressourcen. Alle 24 grenzüberschreitenden Militärangriffe der Türkei in den Irak wurden bislang vollzogen, ohne dass es ernste Reaktionen seitens des Iraks oder der westlichen Bündnispartner wie der USA und EU gegeben hätte. Jedoch haben sich die Kräfteverhältnisse und politischen Konstellationen in der Region verändert. Erste Reaktionen seitens US- und EU-PolitikerInnen deuten an, dass sie heute einen Angriff auf das Staatsgebiet des Iraks nicht mehr so wie früher tolerieren werden. Jedoch würde ein Angriff des türkischen Militärs ohne die Zustimmung der USA und der südkurdischen Parteien verheerende Folgen für die ohnehin schon von Krieg, Besatzung und Instabilität gezeichnete Region haben. Es ist daher davon auszugehen, dass dieser Beschluss viel mehr eine politische Bedeutung hat als eine militärische. Selbst türkische Regierungsvertreter erklärten, dass sie ihr Anliegen – die Vernichtung der kurdischen Freiheitsbewegung - vorrangig ohne militärische Aktionen erreichen wollen. Mit diesem Beschluss könnte die Türkei beabsichtigen, politische Kräfte wie die USA, den Irak und die EU unter Druck zu setzten, um noch stärker gegen die PKK vorzugehen, wie z. B. durch Festnahmen in Europa, grünes Licht für punktuelle Militärangriffe auf den Irak durch den USA oder durch Auslieferungen von oppositionellen kurdischen Politiker durch den Irak. Im Inneren wird die Türkei diese Stimmung nutzen um für die staatlichen Repressionen gegen die Kurden in der Türkei in Form von außergerichtlichen Hinrichtungen, Folter, Festnahmen, Verboten, staatlichen Provokationen und der Verschärfung der Isolationshaftbedingungen gegen Abdullah Öcalan freie Hand zu haben. Schon heute wird die politische Arbeit für kurdische Interessen unmöglich gemacht. Abgeordnete, Bürgermeister und Mitglieder der DTP werden tagtäglich mit neuen Gerichtsverfahren und Androhung von Gefängnisstrafen konfrontiert. Mehrere Büros der DTP in verschiedenen Provinzen der Türkei wurden in den letzten Tagen durch „unbekannte Täter“ beschossen oder anderweitig angegriffen. Mit diesem Beschluss hat die AKP Regierung erneut bewiesen, dass sie nicht an der Demokratisierung der Türkei und an einer politischen Lösung der kurdischen Frage interessiert ist. Wie ihre Vorgänger hat sie die langjährigen Friedensbemühungen der Kurden durch Kriegshetze und Repression untergraben. Die einzige Lösung, die die Türkei, Iran und Syrien für die kurdische Frage vorsehen, besteht aus Knechtschaft, Entrechtung und Verleugnung. Als „Kurdisches Frauenbüro für Frieden – CENI“ setzen wir uns seit Jahren für eine politische Lösung der kurdischen Frage, einen gerechten Frieden, Frauenbefreiung und Demokratisierung des Mittleren Ostens ein. Jedoch führt der politische Weg, den die Türkei eingeschlagen hat, zu weiterer Instabilität für die Region, zu Leid und Armut, einer Stärkung antidemokratischer, militaristischer und patriarchaler Strukturen und vor allem zu Krieg statt Frieden. Diese Kriegstreiberei darf nicht mehr geduldet und unterstützt werden.
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