An die Presse und an die Öffentlichkeit

Die Existenz der kurdischen Frage im Mittleren Osten ist ein Fakt. Ebenso ist bekannt, dass heutzutage in der Türkei, im Iran und in Syrien verschiedene gesellschaftliche Probleme aus der kurdischen Frage resultieren. Als kurdische Seite wollen wir diese – eines der Hauptprobleme der Region – nicht mit Gewalt lösen, sondern, ohne die bestehenden Grenzen anzurühren, über einen Dialog und mit friedlichen Methoden.

Was das kurdische Volk will, sind lediglich Rechte, wie sie einem Volk zustehen: die Freiheit der politischen Betätigung, Rechte in Bezug auf Identität und Kultur. Das sind in der universellen Menschenrechtsdeklaration verankerte und allgemein akzeptierte Grundrechte. Eine Lösung für die kurdische Frage ist möglich, wenn die betreffenden Staaten auf diese humanen Forderungen des kurdischen Volkes eingehen. Eine auf dieser Grundlage entstehende Lösung würde auch eine bedeutende Funktion bei der Demokratisierung und Stabilisierung der gesamten Region haben.

Unser Vorsitzender Abdullah Öcalan legte etliche Male Projekte für eine friedlich-demokratische Lösung der kurdischen Frage in der Türkei vor und rief mehrmals zu Waffenstillständen auf. Zuletzt hat unsere Bewegung am 1. Oktober 2006 nach Aufrufen aus dem In- und Ausland einen einseitigen und zeitlich unbegrenzten Waffenstillstand erklärt und damit eine Voraussetzung für eine demokratische Lösung geschaffen. Die türkische Regierung hat diese Möglichkeit nicht genutzt und die türkische Armee steigerte ihre operativen Angriffe, um eine gefechtsfreie Atmosphäre vollkommen unmöglich zu machen.

Sie führte in der jüngsten Zeit gemeinsam mit dem Iran 485 militärische Operationen mit der Absicht der Vernichtung gegen uns durch, mit hohen Verlusten sowohl bei der Armee als auch bei der Guerilla. Die türkische Armee verleugnete diese Militäroperationen nicht. Der Befehlshaber der Landstreitkräfte, Ilker Basbug, erklärte auf einer Pressekonferenz am 5. Oktober 2007 in Diyarbakir, sie hätten mit ganzjährigen Operationen die PKK in Bedrängnis gebracht. Dieser Druck werde auch den Herbst und Winter über anhalten, solange die PKK bewaffnete Kräfte habe. Wie auch dieser Erklärung zu entnehmen ist, haben die türkischen Staatsvertreter unseren einseitigen Waffenstillstand nicht anerkannt und mit aller Kraft versucht, ihn ins Leere laufen zu lassen. Die anhaltenden Gefechte sind das Resultat dieser Verleugnungsmentalität und -politik.

Offiziell haben wir den Waffenstillstand nicht beendet, allerdings ließen die einseitigen Angriffe des türkischen Staates nicht die Spur einer Chance für eine Waffenstillstandsatmosphäre. Anstatt auf unsere Bemühungen, das Problem mit friedlichen Methoden zu lösen, einzugehen, beharrte der türkische Staat darauf, jegliche Dynamik der kurdischen Befreiungsbewegung mit Gewalt auszuschalten. Auf der einen Seite wurden Gegenden wie Sirnak, Siirt und Hakkari zu Militärgebiet erklärt und die Operationen intensiviert, auf der anderen Seite wurden Zivilisten ermordet und legale demokratische Einrichtungen des kurdischen Volkes mit Repression, Verhaftungen und Erpressung zu beseitigen versucht. Gleichzeitig wurde die Isolation Abdullah Öcalans auf der Gefängnisinsel Imrali verstärkt. Er erfährt eine unmenschliche Behandlung und erhält trotz einer Vergiftung und äußerst ernster gesundheitlicher Probleme keine ärztliche Versorgung. Somit wurde auf die Forderungen des kurdischen Volkes nicht eingegangen und jede Methode probiert, um seinen Willen zu brechen.

Zu den Wahlen im Juli 2007 wurden neue Gesetze erlassen und alles Mögliche getan, um einen Einzug kurdischer Repräsentanten ins Parlament zu verhindern. Dass dies dennoch gelang, stellt eine beachtliche Gelegenheit für einen Dialog und eine demokratische Lösung dar. Anstatt die Möglichkeit positiv zu nutzen, üben die AKP-Regierung und der türkische Staat Druck auf diese Abgeordneten aus und versuchen, sie zur Kapitulation zu zwingen. Trotz parlamentarischer Immunität werden wie nie zuvor in der Geschichte der Türkei Gerichtsverfahren gegen kurdische Abgeordnete eingeleitet oder fortgesetzt. Die Repression und Bedrohung hat an Intensität gewonnen. In gleicher Weise werden die kurdischen Bürgermeister unter Druck gesetzt, aus dem Amt entfernt oder verhaftet. Auf unseren Waffenstillstand hat der türkische Staat mit totalen Angriffen reagiert und setzt auf die vollständige Vernichtung der kurdischen Befreiungsbewegung. Dagegen befindet sich unsere Guerilla in der Verteidigungsposition. Die dabei ausbrechenden Gefechte und entstehenden Verluste werden zum Anlass genommen, Rassismus und Militarismus in der türkischen Gesellschaft anzuheizen. Mit der gleichen Begründung wurde im Parlament ein Angriff auf Irak-Kurdistan genehmigt.

Bezweckt wird damit die Auslöschung unserer Bewegung und der kurdischen föderalen Strukturen in Irak-Kurdistan. Außerdem sollen die Kurden gegeneinander gehetzt werden, um die Region zu destabilisieren. Dabei könnten sowohl die offizielle föderale Regierung Irak-Kurdistans als auch die kurdischen Abgeordneten im Parlament der Türkei eine Rolle spielen bei der Vorbereitung einer friedlichen Lösung und eines Dialogs. Aber beide werden isoliert und zum Angriffsziel erklärt.

Somit ist ersichtlich, dass der türkische Staat weder im Norden noch im Süden Kurdistans eine Willensbildung des kurdischen Volkes akzeptiert und deshalb seine Angriffe steigert. Weiter zielt der türkische Parlamentsbeschluss auf eine Vergeltung für die Gesetzesvorlage im US-Kongress zum Armeniergenozid und auf eine Destabilisierung Irak-Kurdistans und des Irak ab. Hauptsächlich soll das anti-kurdische bzw. Anti-PKK-Bündnis zwischen Türkei, Iran und Syrien den Status quo in der Region stärken und die USA unter Druck setzen. Obwohl es der türkische Staat selbst ist, der angreift, übertreibt er die eigenen Verluste, hält sie tagelang in den Medien und versucht gleichzeitig, der Weltöffentlichkeit weiszumachen, er werde selbst angegriffen. Dies entspricht nicht der Wahrheit. Der türkische Staat ist nicht Opfer, sondern Aggressor. Die kurdischen Freiheitskräfte haben sich an ihren Waffenstillstand gehalten, wurden aber aufgrund der Angriffe zur Verteidigung gezwungen.

Wir erklären hiermit, dass statt der entstandenen Spannungen eine gefechtsfreie Atmosphäre entstehen wird, wenn der türkische Staat seine Angriffe einstellt. Unsere Bewegung und unser Volk verfügen über die notwendige Stärke und Organisiertheit, um sich unter allen Bedingungen zu verteidigen. Wir erklären erneut, dass wir bereit sind, über ein von der Türkei zu präsentierendes politisches Lösungsprojekt zu sprechen und die Verantwortung für das zu übernehmen, was uns bei der Entwicklung einer friedlichen Atmosphäre zufällt. Angesichts der momentanen Operationen, die gewaltsam den Freiheitswillen des kurdischen Volkes brechen und die demokratischen Errungenschaften zerstören sollen, wird unser Volk sich im Norden und im Süden selbst verteidigen. Wenn es um den Widerstand gegen die Vernichtungsoperationen des türkischen Staates geht, wird es kein Zögern geben.

Wir rufen den türkischen Staat dazu auf, von dem gefährlichen Abenteuer, das er mit dem Parlamentsbeschluss und mit der Kriegserklärung an das kurdische Volk eingeleitet hat, Abstand zu nehmen. In dem Bewusstsein, dass es zum Nachteil der Region, des türkischen und kurdischen Volkes sein wird, rufen wir ihn dazu auf, die Schritte unserer Bewegung, das Problem mit friedlichen demokratischen Methoden zu lösen, positiv zu beantworten.
Die Mobilmachung des türkischen Staates gegen das kurdische Volk im Süden und im Norden wird die tausendjährige kurdisch-türkische Freundschaft beenden und verheerende Folgen haben. Wir appellieren an alle demokratischen Kräfte der Türkei, die für Frieden und Geschwisterlichkeit sind, gegen diese Intervention des türkischen Staates einzutreten. Wir laden sie dazu ein, sich für das Lösungsprojekt unseres Vorsitzenden für einen dauerhaften Frieden und für die Stabilität in der Region einzusetzen.

Alle internationalen Kräfte, allen voran USA und EU, rufen wir dazu auf, sich um eine friedlich-demokratische anstelle einer militärischen Lösung zu bemühen, sich gegen die ungerechten Angriffe und den Staatsterror der Türkei gegen das kurdische Volk zu stellen und sich für die Entwicklung einer friedlichen Phase zu engagieren.

Wir möchten noch einmal unterstreichen, dass das kurdische Volk alle Bestrebungen, die kurdische Frage gemäß universellen Rechtsnormen zu lösen, entsprechend beantworten und der ihm zufallenden Verantwortung bei der Demokratisierung der Region und bei der Entwicklung von Frieden und Stabilität nachkommen wird.


22.10.2007
Präsidium des Exekutivrats der KCK (Vereinigte Gemeinschaften Kurdistan)