An
unser Volk und die Öffentlichkeit
Wir wollen das Problem mit friedlichen Mitteln lösen
Die Staaten der Region betreiben gegenüber Kurdistan noch immer eine starre
Politik der Verleugnung. Am weitestgehenden wird diese Politik der Verleugnung
und Vernichtung in Nordkurdistan betrieben, das unter türkischer Herrschaft
steht. Dort erkennt der türkische Kolonialismus die Existenz und die Identität
des kurdischen Volkes nicht an. Der türkische Staat will in Nordkurdistan
durch Massaker und eine forcierte Assimilationspolitik das kurdische Volk
zwangstürkisieren und seine Existenz aus der Geschichte tilgen. Im Kampf
gegen diese Politik hat unsere Bewegung in dreißig Jahren eine bedeutende
nationale und gesellschaftliche Entwicklung hervorgebracht, dem Willen
des kurdischen Volkes zum Durchbruch verholfen und so die Sinnlosigkeit
und Erfolglosigkeit dieser Politik bewiesen.
Unser Kampf hat große Anstrengungen und Opfer gekostet, darunter mehr
als zehntausend Märtyrer, Tausende Kriegsversehrte, Massenverhaftungen
und die verbreitete Anwendung der Folter, die Vernichtung von mehr als
viertausend Dörfern, mehrere Tausend von „unbekannten Tätern“ Ermordete.
Dies war der äußerst hohe Preis dafür, dass die kurdische Frage heute
auf die internationale Tagesordnung gelangt ist und auf eine Lösung drängt.
Obwohl unsere Führung durch eine internationale Geheimdienstkooperation
gefangen genommen wurde, ist es nicht gelungen, unsere Bewegung zu liquidieren
und daran zu hindern, auf ein Lösung hinzuarbeiten. Seit des Amtsantritts
der AKP-Regierung hat der türkische Staat erneut auf verschiedene Weise
versucht, unsere Bewegung zu liquidieren. Die Regierung der Republik Türkei
behauptet uns und internationalen Kräften gegenüber stets, dass sie mittels
verschiedener offizieller Institutionen das Problem lösen wolle, aber
die Gefechte ein Hindernis darstellten. Für eine Lösung sei es nötig,
dass wir die Waffen niederlegen oder unsere Kräfte aus dem Territorium
der Türkei zurückziehen. Der türkische Staat greift zu einem solchen Manöver,
weil er verstanden hat, dass er die Verleugnungspolitik mit den alten
Methoden nicht länger fortsetzen kann und dass die kurdische Frage mittlerweile
auf eine Lösung drängt.
Doch es ist deutlich, dass diese Politik nicht bezweckt, das Problem zu
lösen, sondern die kurdische Befreiungsbewegung zu liquidieren um die
Vernichtungspolitik auf eine bleibende Grundlage zu stellen. Die aktuellen
Entwicklungen zeigen, dass dieses Manöver nicht auf eine Lösung, sondern
auf Hinhalten und Liquidierung abzielt und unaufrichtig ist. Die Strategie,
die der türkische Staat zu entwickeln versucht, beinhaltet für Nordkurdistan
eine nachhaltige Verleugnung und Vernichtung und in einem zweiten Schritt
die Liquidierung der Errungenschaften in Südkurdistan. Die Eingliederung
von Kirkuk in das kurdische Föderationsgebiet zu verhindern, bildet den
Grundstein dieser Politik gegenüber Südkurdistan. Offensichtlich wird
diese Politik von Repressionen des kolonialistischen türkischen Staates
gegen die Bevölkerung und intensiven Militäroperationen begleitet.
Angesichts dieser Politik und dieser Angriffe des türkischen Staates hat
eine Reihe von nationalen und internationalen Kräften unsere Bewegung
aufgerufen, einen Waffenstillstand zu erklären oder die Waffen niederzulegen.
Wir als Bewegung haben eine Strategie akzeptiert, die eine Lösung nicht
mit gewalttätigen, sondern mit friedlichen Methoden vorsieht. Nach dem
Aufruf Abdullah Öcalans vom 2. August 1999, den bewaffneten Kampf zu beenden,
hat der 7. Kongress der PKK im Januar 2000 dies in einem Beschluss bestätigt.
Unsere Bewegung begann dann einen Prozess der friedlichen, demokratischen
Lösung, durch den die vorhandenen Guerillakräfte auf eine Lösung hin ausgerichtet
wurden. Entsprechend unserem Strategieverständnis sollten die Guerillakräfte
in einer Position der legitimen Selbstverteidigung verbleiben. Jedoch
unternahm die türkische Armee ab 2003 Angriffe auf die sich in der Position
der legitimen Selbstverteidigung befindenden Guerillakräfte. Daher begann
nach einem Zeitraum von vier Jahren ohne militärische Auseinandersetzungen
erneut eine Phase mit Gefechten. Dem Aufruf einer Reihe nationaler und
internationaler Kräfte folgend, erklärte unsere Bewegung dann mit Geltung
ab dem 1. Oktober 2006 einen unbefristeten Waffenstillstand. Dieser erklärte
Waffenstillstand wurde von unserer Seite noch nicht aufgehoben. Doch wegen
der immer intensiveren Angriffe der türkischen Armee besteht keine Waffenstillstandssituation
mehr. Natürlich tritt dieser Waffenstillstand sofort wieder in Kraft,
sobald die Angriffe des türkischen Staates aufhören.
Wir als kurdische Seite wollen das Problem mit friedlichen Mitteln lösen.
Aber der türkische Staat akzeptiert das nicht und intensiviert ständig
seine Angriffe, um alle national-demokratischen Dynamiken unseres Volkes
zu liquidieren und dessen Willen zu brechen. Zur Stunde führt eine Militärmacht
von 200.000 Soldaten in Nordkurdistan in Gebieten wie Dersim, Bingöl,
Amed, Sirnak, Siirt, Van und Hakkari intensive Militäroperationen durch.
Unsere Kräfte bemühen sich, Gefechten so gut es geht auszuweichen. Trotzdem
kommt es zu Verlusten an Menschenleben. Im Zusammenhang mit diesen Verlusten
entstehen durch die Hetze gewisser rassistischer Kreise Spannungen zwischen
der kurdischen und der türkischen Gesellschaft.
Offensichtlich reichen einseitige friedliche Bemühungen und Waffenstillstände
nicht aus, um die gewünschte gefechtsfreie Atmosphäre herbeizuführen.
Um eine solche Atmosphäre zu schaffen, muss vor allem die türkische Armee
ihre Angriffe stoppen. Daher müssen alle Kräfte, die unsere Bewegung zum
Niederlegen der Waffen auffordern, sich zuerst um die Schaffung eines
nötigen Rahmens dafür bemühen. Es trägt nicht zur Lösung eines so gravierenden
Problems wie der kurdischen Frage bei, wenn man von einem einseitigen
Niederlegen der Waffen redet, ohne irgendeine Anstrengung dafür zu unternehmen
und ohne die Grundlagen dafür zu schaffen. Vor allem in einer Situation,
in der der türkische Staat gegen die kurdische Freiheitsbewegung einen
Vernichtungsfeldzug erklärt hat, bedeutet der Aufruf zum Niederlegen der
Waffen einen Aufruf zum Selbstmord, zur Selbstvernichtung. Ein solches
Ersuchen an die kurdischen Befreiungskräfte heranzutragen, während diese
Angriffe stattfinden, bedeutet die Liquidierung der kurdischen Dynamiken
für Befreiung. Außerdem ist es eine Verdrehung der Tatsachen, zu behaupten,
der Widerstand der kurdischen Freiheitskämpfer und Freiheitskämpferinnen
gegen die brutalen Angriffe der türkischen Armee sei zum Schaden des kurdischen
Volkes. Die Rolle dieses Widerstands für die demokratischen Errungenschaften
unseres Volkes im Norden und in Süden ist nicht zu leugnen.
Alle Kräfte, die sich mit der kurdischen Frage befassen, ob national oder
international, können ganz offensichtlich keine Rolle für eine Lösung
spielen, wenn sie keine Position gegen den Ausspruch des türkischen Generalstabschefs
Yasar Büyükanit „wir werden ihnen unvorstellbare Schmerzen zufügen“ beziehen.
Denn die türkische Armee akzeptiert weder den Waffenstillstandes noch
den Frieden des kurdischen Volkes. Sie sagt ganz offen, dass sie nichts
akzeptieren wird als den nationalen Selbstmord des kurdischen Volkes.
Alle Kräfte Kurdistans müssen diese Tatsache ganz deutlich sehen. Wer
diese Realität der türkischen Armee nicht erkennt, wird große Verluste
erleiden. Auf Druck der USA erklärt Tayyip Erdogan vielleicht heute, dass
er nur die PKK im Visier habe, aber in der Strategie, die die türkische
Armee verfolgt, kann dies nur der erste Schritt sein. Im zweiten Schritt
werden mit Sicherheit die Errungenschaften in Südkurdistan ins Visier
geraten. Insofern ist es absolut notwendig, dass alle Kräfte Kurdistans
sich keinen Irrtümern über diese Tatsachen hingeben.
Der Präsident der USA, George W. Bush, hat erklärt, dass die PKK der Feind
der USA, des Irak und der Türkei sei. Zunächst einmal ist die PKK nicht
der Feind irgendeines Landes. Sie will ein geschwisterliches Zusammenleben
aller Völker der Türkei. Die PKK ist eine Freiheitsbewegung, die lediglich
Widerstand gegen die barbarischen Angriffe des kolonialistischen türkischen
Staates auf unser Volk leistet. Die PKK ist auch nicht der Feind des irakischen
Volkes und Staates, sondern hat als Bewegung seit dem Sturz Saddam Husseins
einen Beitrag zum Aufbau eines föderalen, demokratischen Irak geleistet
und bemüht sich immer weiter darum. Die USA soll der Öffentlichkeit erklären,
weshalb sie die PKK zum Feind erklärt hat. Die PKK ist eine Bewegung,
welche die Rechte des kurdischen Volkes verteidigt, soweit sie sich aus
ihrer Existenz als Volk ergeben. Sie ist eine Bewegung mit Prinzipien
und einer Linie. Sie kämpft entsprechend dieser Linie einen gerechten,
würdevollen Kampf. Daher geben derartige Aussagen nicht die Realität wieder.
Wir erwarten von den USA und dem irakischen Staat, dass sie zur Lösung
der kurdischen Frage als einer der grundlegenden Fragen der Region einen
Beitrag leisten. Derartige Bewertungen sind für eine Lösung nicht hilfreich.
Wir erklären einmal mehr, dass wir als Gemeinschaft der Kommunen Kurdistan
(KCK) bereit und entschlossen sind, für eine friedliche, demokratische
Lösung der kurdischen Frage in allen Teilen Kurdistans jede Art von Opfer
zu bringen und jede Art von Anstrengung zu unternehmen. Wir sind offen
für einen Dialog mit dem Ziel einen Prozess zu beginnnen, in dessen Verlauf
auf der Basis eines politischen Projektes, die Waffen völlig aus dem Verkehr
gezogen werden. Sobald die Angriffe auf unsere Bewegung aufhören und der
von uns ausgerufene einseitige Waffenstillstand Erwiderung findet, werden
wir als kurdische Seite ohne jegliches Zögern entschlossen und beharrlich
das für die Schaffung einer konfliktfreien Atmosphäre Nötige unternehmen.
Doch es muss auch allen klar sein, dass wir uns den Kräften gegenüber,
die trotz allem das Problem mit gewalttätigen Methoden lösen wollen, nicht
beugen, sondern mit voller Entschlossenheit und ohne Zögern Widerstand
leisten werden. Wer die Dynamik und die Reserven unseres Widerstands ignoriert,
wird in der Praxis seinen Irrtum einsehen. Die Rolle unserer Kräfte für
die Stabilität in Südkurdistan darf man nicht gering schätzen. Insofern
wird der Versuch des türkischen Staates und der Verteidiger des Status
quo, die Stabilität in Südkurdistan zu zerstören, nicht glücken. Da sollten
sie sich keine Illusionen hingeben.
Alle kurdischen politischen Kreise, vor allem die Parteien Südkurdistans,
durchschauen den hinterhältigen Plan des türkischen Staates, durch grundlose
Behauptungen und Repressionen die Kurden einmal mehr gegeneinander aufzubringen.
Es ist von großer Bedeutung, dass sie sich in dieser kritischen Phase
bemüht haben, die nationale Einheit weiter voran zu bringen. Wir registrieren
den Druck, den der türkische Staat auf die südkurdische Regionalregierungs
ausübt. Dies sollte jedoch nicht zu Handlungen führen, die den nationalen
Interessen der Kurden entgegen stehen. Insofern rufen wir alle Kräfte
Kurdistans und unser Volk zu besonders besonnenem Handeln auf.
Unsere Bevölkerung überall auf der Welt, in allen Teilen Kurdistans und
besonders in Nordkurdistan rufen wir dazu auf, in dem jetzt auf internationaler
Ebene beginnenden Prozess verantwortungsbewusst zu handeln und sich im
Rahmen der von unserer Bewegung begonnenen Kampagne „Êdî bes e“ (Es reicht!)
aktiv und entschlossen am Kampf für Freiheit und Demokratie zu beteiligen.
Unser Volk sollte sich die nationale und demokratische Linie unserer Bewegung
zu eigen machen, überall auf der Welt deutlich hörbar sein gutes Recht
einfordern und Abdullah Öcalan und alles andere, was uns wertvoll ist,
verteidigen.
Die kurdische Frage, spielt eine bedeutende Rolle für die Herausbildung
von Frieden, Stabilität und Demokratisierung im Mittleren Osten. Wir rufen
alle internationalen Kräfte auf, sich darum zu bemühen, dass sie nicht
mit Gewalt, sondern mit friedlichen Mitteln gelöst wird.
9. November 2007
Präsidium des Exekutivrats der KCK
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