Die Gegner der DTP
Reimar Heider


Dienstag, November 20, 2007

Die Gegner der DTP

In der Debatte um das diese Woche eröffnete Verbotsverfahren gegen die pro-kurdische DTP in der Türkei zeichnen sich eine neue Linie der Gegner der DTP ab. Wie verschiedene Presseorganen, darunter die kurdische "Azadiya Welat" und "Hürriyet", erfahren haben wollen, plant die AKP die Gründung einer kurdisch-islamischen Partei, die entweder der DTP Stimmen abjagen oder gar an ihre Stelle treten soll. Helfen sollen dabei die südkurdischen Parteiführer Barsani und Talabani, die der regierenden AKP in der Zugehörigkeit zur sufistischen Bruderschaft der Nakschibendi verbunden sind.

Plausibel wird dieser Plan durch mehrere Entwicklungen dieses Jahres. Zunächst einmal hatten Barsani und Talabani die Kurden in der Türkei bei der Parlamentswahl offen zur Wahl der AKP aufgerufen und nicht etwa geschwiegen oder die unabhängigen DTP-KandidatInnen empfohlen. Zum anderen brachte die Wahl den totalen Zusammenbruch der kemalistischen Systemparteien, die in Nordkurdistan nicht nur kein Mandat, sondern praktisch auch keine Stimmen erringen konnten.

Ergebnis der Wahl war in Nordkurdistan also nicht so sehr ein herbeigeredeter Stimmenverlust der DTP, die ja gar nicht als Partei antreten konnte, sondern vielmehr eine Wählerwanderung von den kemalistischen Parteien zur AKP. Damit gibt es dort praktisch nur noch zwei politische Parteien: AKP und DTP. Da offensichtlich die alten Systemparteien komplett diskreditiert sind, erscheint eine "kurdische Version" der AKP dieser als interessante Option für die kurdischen Gebiete. Doch warum?

Viele Kurden haben der AKP ihre Stimme gegeben, vielleicht in der Hoffnung, dass sie etwas für sie tut, vielleicht das Militär in Schach hält und die Wirtschaft im kurdischen Armenhaus der Türkei voranbringt. Diese bereuen zum Teil schon ihre Entscheidung und werden ihre Unterstützung für die AKP zurückziehen, wenn diese ein Verbot der DTP unterstützt und so den politischen Prozess wieder um Jahre zurückwirft.

Eine mit kurdischen Nationalismus versetzte Version der AKP, die unter massivem Einfluss der gerade in Kurdistan starken Nakschibendi-Bruderschaft steht, könnte diesen Effekt abmildern und für diese Kurden eine Alternative darstellen. Nicht ohne Grund lautete die Empfehlung der CIA für die Türkeipolitik die USA vor einigen Wochen, die USA sollten die AKP und "gemäßigte Islamisten" wie die Fetullah-Gülen-Bewegung aktiv unterstützen. Dass diese immer "gemäßigt" sind und bleiben, kann natürlich niemand garantieren. Eher würde Kurdistan zum Tummelplatz für Al-Qaida und die türkisch/kurdische Hisbollah werden, die schon wieder im Erstarken sein soll. Zu den feudalen Kollaborateuren der USA in irakisch-Kurdistan sollen also islamische Kollaborateure in Nordkurdistan kommen. Auf palästinensische Verhältnisse übertragen hieße das etwa "Fatah und HAMAS aus einer Hand".

Für den Erfolg dieser Strategie ist allerdings die Ausschaltung nicht nur der PKK, sondern auch der DTP essentiell. Denn solange innerhalb der kurdischen Nationalbewegung eine starke antifeudale, linke Tendenz vorherrscht, wird Kurdistan nicht an die Bruderschaften fallen.

Insofern müssen alle aufwachen, die für eine Lösung der kurdischen Frage auf Erdogan und die AKP vertrauen und dabei von Demokratie träumen. Die Lösung, die Erdogan für die kurdische Frage vorsieht, ist keine demokratische, sondern eine islamische. Er möchte Kurdistan in die Hände der Scheichs und Bruderschaften zurücklegen, aus der sie die moderne kurdische Nationalbewegung seit dreißig Jahren zu reißen versucht. Und von einer Lösung der kurdischen Frage durch die Scheichs kann ohnehin nicht die Rede sein - die Wunde würde weiter faulen.

posted by Reimar Heider at Dienstag, November 20, 2007 0 comments