10. April 2008
Oberlandesgericht
verurteilt Muzaffer Ayata zu Freiheitsstrafe
Kurdischem
Politiker droht Auslieferung an die Türkei
Das vor elf Monaten
eröffnete Verfahren gegen Muzaffer Ayata vor dem Staatsschutzsenat
des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt/M. endete heute mit dessen
Verurteilung nach § 129 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe
von drei Jahren und sechs Monaten, womit das Gericht dem Antrag
und der Begründung der Bundesanwaltschaft gefolgt ist.
Danach sahen es die Richter als erwiesen an, dass der kurdische
Politiker in der Funktion als Sektorleiter Süd führendes
Mitglied und Rädelsführer einer „kriminellen
Vereinigung“ (§ 129 Strafgesetzbuch) - PKK bzw. des
KONGRA-GEL - gewesen sei. Die Verteidigung hat angekündigt,
Revision gegen das Urteil einzulegen.
Wie in allen vorangegangenen
Prozessen gegen Kurden, die sich exilpolitisch für ihre
Rechte einsetzen, griff die anklagende Bundesanwaltschaft auch
in diesem Verfahren auf ihre alten Konstrukte hinsichtlich der
Beurteilung der PKK und den aus ihr hervorgegangenen Organisationen
zurück. Die Behauptung, Muzaffer Ayata sei von Juli 2005
bis zu seiner Verhaftung im August 2006 Sektorleiter Süd
für die „Demokratische Vereinigung der Kurden in
Europa“ (CDK) gewesen, fußt hauptsächlich auf
ihm zugeordnete Telefongespräche, e-mails und Kurzmiteilungen,
die nach Auffassung der Verteidigung zu einem großen Teil
unüberprüft und nicht belegt seien. Scharf kritisiert
wurde von der Verteidigung auch die Ignoranz der Strafverfolgungsbehörden
hinsichtlich der grundlegenden politischen und strukturellen
Änderungen, die die kurdische Bewegung in den vergangenen
Jahren vorgenommen hat.
Während die
Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer eine Freiheitsstrafe
von dreieinhalb Jahren gefordert hatte, plädierten Ayatas
Verteidiger für Freispruch, weil ihrem Mandanten keine
Straftat hätte nachgewiesen werden können. Für
sie ist die strafrechtliche Verfolgung von Angehörigen
des KONGRA-GEL in Deutschland kaum nachzuvollziehen.
Muzaffer Ayata setzte
sich in einem über 70-seitigen „letzten Wort“
ausführlich mit den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft
auseinander, schildert den langen Kampf der Kurden um Freiheit
und Gerechtigkeit und deren Suche nach friedlichen Wegen zur
Konfliktlösung. Hierfür hat sich der Politiker als
Ansprechpartner der kurdischen Parteien HADEP/DEHAP und DTP
in Deutschland bis zu seiner Verhaftung unermüdlich eingesetzt.
Der 52-Jährige
wird weiterhin in Untersuchungshaft bleiben und sieht sich nunmehr
damit konfrontiert, dass die türkische Justiz im Zuge eines
Rechtshilfeersuchens seine Auslieferung in die Türkei beantragt
hat. Hierüber wird der Zweite Senat des Oberlandesgerichts
Frankfurt/M. entscheiden; in das Verfahren involviert ist auch
das Bundesjustizministerium.
Vor diesem Hintergrund
und im Hinblick darauf, dass Muzaffer Ayata wegen seines politischen
Einsatzes für die Rechte der Kurden bereits eine 20-jährige
Haftzeit in der Türkei hinter sich hat, muss unter allen
Umständen verhindert werden, dass er in die Hände
seiner Verfolger ausgeliefert wird. Fragwürdige Behauptungen
der türkischen Justiz, die sich teilweise auf die Haftzeit
von Ayata in der Türkei beziehen und den Behörden
längst bekannt sind, aber nie zu einem Einschreiten während
der Haft oder nach seiner Entlassung geführt haben, der
Verweis auf Zeugenaussagen, die – das zeigt die Erfahrung
- häufig unter Drohungen oder Misshandlung zustande kommen
oder von Abtrünnigen stammen, und letztlich die nach wie
vor praktizierte Anwendung von Folter in der Türkei, muss
eine Auslieferung von Muzaffer Ayata unmöglich machen.
Eine Entscheidung, den kurdischen Politiker auszuliefern, würde
bedeuten, dass sich Deutschland in dem Freiheitskampf der Kurden
auf die Seite der Unterdrücker stellt und die Vernichtungsstrategie
des türkischen Staates unterstützt. Sie wäre
ein Teil der psychologischen Kriegsführung, mit der all
jene Kurdinnen und Kurden bedroht werden, die sich exilpolitisch
betätigt haben oder dies auch heute noch tun.
Der deutsche Staat
sollte seine eigenen rechtsstaatlichen Prinzipien anwenden und
jedes Ansinnen der Türkei nach Auslieferung ihr unliebsamer
Personen eine Absage erteilen. Bislang haben die meisten Oberlandesgerichte
derartige Ersuchen negativ beschieden.
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