amnesty
international
Urgent
Action
Bevorstehende
Hinrichtung Iran
UA-271/2009-3
Index:
MDE 13/009/2010
21.
Januar 2010
Herr
HABIBOLLAH LATIFI
Herr SHERKO MOAREFI
Habibollah
Latifi, der zur kurdischen Minderheit im Iran gehört, befindet sich im
Sanandaj-Gefängnis in der Provinz Kurdistan im Nordwesten des Iran seit
kurzem in Einzelhaft. Die Verlegung in eine Einzelzelle ist häufig ein
Anzeichen dafür, dass eine Exekution unmittelbar bevorsteht. Sherko Moarefi,
ebenfalls ein iranischer Kurde, befindet sich noch immer im Todestrakt
des Saqqez-Gefängnisses in Kurdistan.
Habibollah Latifi, ein Jurastudent an der Azad-Universität in der im Südwesten
des Landes gelegenen Provinz Ilam, ist am 16. Januar 2010 in eine Einzelzelle
verlegt worden. Sein Anwalt hat Angaben zufolge keine Informationen über
einen bevorstehenden Hinrichtungstermin erhalten, obwohl es das iranische
Recht so vorsieht. Dennoch ist es in einigen Fällen bereits vorgekommen,
dass eine Hinrichtung vollzogen wurde ohne den zuständigen Anwalt im Vorfeld
darüber in Kenntnis zu setzen. Seine Familie hat auch keine Benachrichtigung
über eine bevorstehende Hinrichtung erhalten, sie befürchten dennoch,
dass Habibollah Latifi in akuter Gefahr ist hingerichtet zu werden.
Habibollah Latifi wurde am 23. Oktober 2007 in Sanandaj festgenommen und
vom dortigen Revolutionsgericht am 3. Juli 2008 wegen "Feindschaft
mit Gott" (moharebeh) zum Tode verurteilt worden. Aufgrund seiner
aktiven Mitgliedschaft in der verbotenen bewaffneten "Partei für
ein Freies Leben in Kurdistan" (PJAK). Sein Gerichtsverfahren fand
unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt; weder seine Familie noch sein
Anwalt durften der Verhandlung beisitzen. Sein Todesurteil wurde am 18.
Februar 2009 vom Berufungsgericht in Sanandaj bestätigt. Gemeinsam mit
ihm wurde ein weiterer Mann, Sherko Marefi, im Oktober 2008 festgenommen
und ebenso zum Tode verurteilt. Er befindet sich seitdem im Todestrakt
des Saqqez-Gefängnisses.
Im Oktober 2009 kamen Befürchtungen auf, dass Habibollah Latifi, Sherko
Marefi und Ehsan Fattahian die baldige Hinrichtung droht. Ein Richter
der Hauptstadt der Provinz hatte die Anordnung erhalten, die Hinrichtungen
vollstrecken zu lassen. Ehsan Fattahian wurde daraufhin bereits am 11.
November 2009 hingerichtet.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Die Kurden sind eine der zahlreichen ethnischen Minderheiten im Iran und
leben vor allem im Westen und Nordwesten des Landes, in der Provinz Kurdistan
und in Nachbarprovinzen, die an kurdische Gebiete in der Türkei und im
Irak grenzen. Sie sind religiöser, wirtschaftlicher und kultureller Diskriminierung
ausgesetzt. Daher stehen kurdische Organisationen wie die Demokratische
Partei Kurdistan-Iran (KDPI) und die marxistische Gruppe Komala seit Jahren
in bewaffneter Opposition zur Islamischen Republik Iran. Auch die 2004
gegründete "Partei für ein Freies Leben in Kurdistan" (PJAK)
verübt Anschläge gegen iranische Sicherheitskräfte.
Keine Gruppierung hat sich bisher zu der Welle von Attentaten und Attentatsversuchen
in Kurdistan bekannt, die sich zwischen dem 9. und 19. September 2009
ereignete und vor allem Richter und Persönlichkeiten des religiösen Lebens
zum Ziel hatte. Im Zuge dieser Ereignisse kamen der Vorsitzende des Stadtrats
von Sanadaj, ein sunnitischer Geistlicher, der die Kampagne zur Wiederwahl
von Präsident Ahmadinejad unterstützt hatte, sowie der kurdische Repräsentant
im Expertenrat (der den Religionsführer ernennt) ums Leben. Zwei Richter
wurden bei den Angriffen verletzt. Die Behörden machen die PJAK und "radikale
sunnitische Fundamentalisten", die zu ausländischen Geheimdiensten
in Verbindung stehen sollen, für die Attentate verantwortlich. Verschiedene
iranische Medien berichteten am 28. September 2009, dass mehrere der mutmaßlichen
Drahtzieher der Angriffe am Schauplatz eines weiteren Attentats verhaftet
und zwei andere getötet wurden.
Amnesty International verurteilt ohne Einschränkung Angriffe auf Zivilpersonen,
zu denen auch Richter, Geistliche und lokal oder national gewählte Behördenvertreter
gehören, denn Angriffe auf Zivilpersonen verstoßen gegen grundlegende
Prinzipien des humanitären Völkerrechts. Diese Grundsätze verbieten Angriffe
auf Zivilpersonen sowie willkürliche und unverhältnismäßige Angriffe.
Solche Gewalttaten sind durch nichts zu rechtfertigen.
Im Iran gelten viele Vergehen als Kapitalverbrechen, unter anderem auch
"Feindschaft mit Gott". Dieses Urteil wird oft bei bewaffnetem
Widerstand gegen den Staat gefällt, aber auch bei anderen Verstößen gegen
die nationale Sicherheit, z. B. Spionage. Mindestens zehn weitere kurdische
Männer und eine Frau sollen wegen Mitgliedschaft und Mitwirkung in verbotenen
kurdischen Organisationen im Todestrakt sitzen. Zu ihnen gehören Farzad
Kamangar, Farhad Vakili, Ali Haydarian, Farhad Chalesh (türkischer Staatsbürger),
Rostam Arkia, Ramazan Ahmad (syrischer Staatsbürger), Fasih (Fateh) Yasmini,
Hossein Khezri, Anvar Rostami, Shaker Baghi und Zeynab Jalalian. Nähere
Informationen zu einigen der KurdInnen, die wegen politischer Vergehen
zum Tode verurteilt wurden, auch die in dieser UA genannten, finden Sie
auf Englisch unter http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE13/012/2009/en.
Im Mai 2009 wurden drei Angehörige der belutschischen Minderheit in Zahedan
öffentlich hingerichtet, weniger als 48 Stunden nach einem Anschlag auf
eine Moschee, bei dem 25 Menschen ums Leben kamen. Zu dem Angriff bekannte
sich die Volkswiderstandsbewegung des Iran (PRMI, früher bekannt als Jondollah).
Die drei Männer waren bereits zum Tode verurteilt worden, aber ihre Hinrichtungen
standen in direkter Verbindung zum Anschlag auf die Moschee. Behördenvertreter
behaupteten, dass die Verurteilten bei einer erneuten Befragung nach dem
Angriff "gestanden" hätten, dazu beigetragen zu haben, den Sprengstoff
ins Land zu bringen. Die PRMI bekannte sich auch zu einem Selbstmordanschlag
am 18. Oktober 2009, bei dem mindestens 43 Personen, darunter 15 Mitglieder
der Revolutionsgarde, ums Leben kamen. Daraufhin wurde ein PRMI-Mitglied
wegen Entführung mit Waffengewalt, "Feindschaft mit Gott" und
"Korruption" verurteilt und am 2. November in Zahedan hingerichtet.
Wann der Mann festgenommen wurde, ist nicht bekannt.
1988 wurden tausende politische Gefangene im so genannten "Gefängnismassaker"
hingerichtet, vor allem Angehörige der Oppositionsgruppe der Volksmudschaheddin
(PMOI) oder linker Organisationen. Vorausgegangen war diesen Hinrichtungen
ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Iran und Irak. Wenige Tage später
hatten PMOI-Mitglieder vom Irak aus bewaffnete Übergriffe auf iranisches
Territorium verübt, die jedoch von der iranischen Armee zurückgeschlagen
wurden. Die meisten der Hingerichteten waren bereits inhaftiert, als der
Überfall stattfand. Sie konnten also nicht, wie die Regierung behauptete,
in Spionage oder Terrorismus verwickelt gewesen sein. Niemand wurde je
für diese Massentötung zur Rechenschaft gezogen.
EMPFOHLENE AKTIONEN
SCHREIBEN SIE BITTE LUFTPOSTBRIEFE UND E-MAILS
Fordern Sie die Behörden auf, für den Fall, dass ein Hinrichtungstermin
festgesetzt wurde, die Vollstreckung des Todesurteils von Habibollah Latifi
auszusetzen.
Drängen Sie die Behörden, die Todesurteile von Habibollah Latifi und Sherko
Moarefi umzuwandeln, sowie alle anderen wegen politischer Vergehen verhängten
Todesurteile.
Machen Sie deutlich, dass Amnesty International das Recht und die Pflicht
eines Staates anerkennt, Personen, die Strafftaten begangen haben, entsprechend
der internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren, vor Gericht
zu stellen. Die Todesstrafe als schlimmste Form der grausamen, unmenschlichen
und erniedrigenden Bestrafung lehnt die Organisation jedoch ausnahmslos
ab.
APPELLE AN
RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid Keshvar Doust Street, Tehran,
IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: info_leader@leader.ir oder über die Website http://www.leader.ir/langs/en/index.php?
p=letter (auf Englisch)
OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadeqh Larijani
Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhouri
Tehran 1316814737, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
KOPIEN AN
GOUVERNEUR DER PROVINZ KURDISTAN
Esmail Najjar
(korrekte Anrede: Dear Governor)
E-Mail: auf Englisch, Französisch oder Deutsch über die Website http://en.ostan-kd.ir/Default.aspx?TabID=59
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar, Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem
Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell
an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 4. März 2010
keine Appelle mehr zu verschicken.
PLEASE WRITE IMMEDIATELY
Urging the authorities to halt Habibollah Latifi's execution if it has
been scheduled;
Calling on the authorities to commute the death sentences of Habibollah
Latifi and Sherko Moarefi and any others imposed for political offences;
Stating that Amnesty International recognizes the right and responsibility
of governments to bring to justice, in conformity with international standards
of fair trial, those suspected of criminal offences, but opposes the death
penalty as the ultimate cruel, inhuman and degrading punishment.
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