Öcalan benennt drei praktische Vorschläge für Friedensprozess

„Wenn Verhandlungen nicht beginnen, dann wird sich die kurdische Revolution vertiefen. Die PKK kann nicht mit Mitteln der Armee oder Technologie vernichtet werden. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass sich die Auseinandersetzungen auf die Städte ausweiten. In diesem Falle stehen alle auf der Verliererseite, allerdings wird der Staat am meisten verlieren,“ sagte der Repräsentant der kurdischen Bevölkerung Abdullah Öcalan.
Bei einem Anwaltsbesuch in dem Hochsicherheitsgefängnis auf Imrali erinnerte Öcalan an die Basisbedingungen für eine Lösung. Eine beidseitige Waffenruhe, eine Wahrheits- und Versöhnungskomission und rechtliche Veränderungen, verfassungsrechtliche Garantien eingeschlossen. Nach den Erklärungen von Ilker Basbug, dem Generalstabschef der Türkei, der die ParlamentarierInnen der prokurdischen BDP dazu aufrief, das Parlament zu verlassen und in die Berge zu gehen, weil sie an Beerdigungen von gefallenen kurdischen AktivistInnen teilnehmen, sagte Öcalan: „Basbug wiederholt sich. Es ist die Wiederholung eines gescheiterten Ansatzes.“
Der kurdische Repräsentant erklärte weiter, dass er es für wichtig hält, dass die BDP ein Büro in Hewler (Erbil), der Hauptstadt der kurdischen Region des Iraks einrichtet: „Es ist wichtig RepräsentantInnen in Brüssel und in Washington zu haben, am wichtigsten ist es aber in Hewler, denn die Menschen dort sind unser Volk. Es ist vielleicht schon zu spät angesichts der Tatsache, dass schon 500 türkische Unternehmen dort sind.“
Öcalan bennent 3 praktische Vorschläge: „Ich habe drei praktische Vorschläge an die Regierung, KCK und BDP, damit die kurdische Frage gelöst werden kann: Zuerst ist ein beidseitiger Waffenstillstand nötig, der von beiden Seiten getragen wird.
Zweitens sollte eine Wahrheits- und Versöhnungskommission wie in Südafrika nach der Abschaffung der Apartheid eingeführt werden. Diese Kommission sollte sich aus ExpertInnen zusammensetzen. Eine parlamentarische Kommission, in der sich ExpertInnen, Intellektuelle und NGOs wiederfinden, kann außerdem gebildet werden. Die Kommission kann alle Seiten des Konflikts anhören, mich eingeschlossen. Dann können sie die Wahrheit herausfinden und sie veröffentlichen, dann kann Versöhnung erreicht werden. Es ist nicht so schwer wie es aussieht. Es funktionierte in Südafrika und es gibt keinen Grund, warum das nicht hier auch funktionieren sollte.
Parallel dazu können sich die Kräfte der PKK in einem bestimmten Gebiet unter UN-Aufsicht versammeln. Sie können warten, bis eine Lösung gefunden wurde damit dann der dritte Schritt eingeleitet werden kann.
Drittens, die PKK-Guerillas kehren nach Hause zurück. Nicht wie in Habur [Friedensdelegationen wurden auf Aufforderung von Abdullah Öcalan am 19. 10. von der PKK ausgeschickt] sondern in Massen. Alle Guerillas können zusammenkommen. Der Sicherheitsaspekt kann mit der KCK diskutiert werden. Die BDP kann an einer demokratischen Verfassung arbeiten und die anderen politischen Parteien können dazu beitragen. Das bedeutet, dass wenn das Problem in einem legalen Rahmen unter verfassungsmäßigen Garantien gelöst wird, dann können die Waffen niedergelegt werden.
Einige manipulieren meine Position und unterstellen, ich würde mich damit selbst zu retten versuchen. Das sind billige Attacken. Ein Prozess, in dem ich kein Teil bin, kann nicht erfolgreich sein. Das ist klar. Ich habe nicht das Ziel mich selbst zu retten. Wenn es eine Rettung gibt, dann für uns alle.
Für einen Friedensprozess müssen Verhandlungen abgehalten werden. Und wenn das nicht passiert, dann beginnt die Revolution, von welcher ich im vorherigen Treffen gesprochen habe. Und wenn sie beginnt, dann ist sie unkontrollierbar. Die Türkei steht diesem Risiko gegenüber. Es sollte nicht so gesehen werden, dass ich der PKK taktische Befehle gebe den Konflikt zu verschärfen. Ich stelle nur die Tatsachen fest. Denn die PKK hat ihre eigenen Methoden. Mir tun die Tode von Soldaten ebenso leid, wie die von Guerillas. Ich bemühe mich diese Tode zu verhindern. Weder die CHP noch die MHP, noch die Pseudoislamisten können dieses Problem lösen. Sie reden immer noch von Operationen, Bombardierungen, Morden. Die PKK kann nicht mit Armee oder technologischen Waffenzerstört werden. Es schließen sich immer noch überall KurdInnen der PKK an. Es besteht aber das Risiko, dass die Kämpfe in den Städten eskalieren. Und wenn der Krieg eskaliert, dann werden radikale Gruppen auf beiden Seiten sein, die das Problem komplizierter und unlösbar machen. In diesem Fall verliert jeder, aber der Staat am meisten.“

Quelle: ANF, 09.07.2010


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